Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 174


Pharisäer fordern Zeichen von Jesus. Warnung vor Lehre der Pharisäer und Sadduzäer.

01] An der Grenze aber war eine große Herberge, allwo sich stets eine Menge von Menschen aller Art und Gattung - als Juden, Griechen, Römer, Ägypter, Samariter, Sadduzäer, Essäer, auch mehrere Pharisäer und Schriftgelehrte befanden, und als Ich mit Meinen Jüngern allda ankam, so erkundigten sich natürlich vor allem die Pharisäer und Schriftgelehrten, wer Ich sei und wer Meine Jünger. Aber an diesem Abende erfuhr niemand etwas, wer wir seien.

02] Aber in dieser Herberge war eine Magd, die auch auf dem Berge mit vielen aus dieser Gegend zugegen war und von ihrem bösen Aussatze gereinigt ward. Diese Magd erkannte Mich, fiel vor Mir auf ihre Knie nieder und dankte Mir abermals für die ihr erteilte Heilung. Das sahen etliche Pharisäer und fingen an zu vermuten, daß Ich der für sie berüchtigte Jesus aus Nazareth sei.

03] Am Abend Meiner Ankunft ließen sie Mich und Meine Jünger in aller Ruhe; aber unter sich beratschlagten sie sich mit den Sadduzäern die ganze Nacht hindurch, wie sie Mich etwa fangen könnten mit Wort und Tat am kommenden Tage, der gerade ein Nachsabbat war.

04] Als Ich am Morgen mit Meinen Jüngern im Freien das Morgenbrot verzehrte und zugleich denselben kundgab, daß hier an diesem Orte nicht viel zu machen sein werde, da gingen die Pharisäer und Sadduzäer aus dem Hause, a traten gleich ganz herrscherisch keck zu Mir und fingen an, Mich mit allerlei Fragen unter sehr freundlicher Larve zu versuchen, und lobten sogar viele Meiner Taten, die voll Ruhmes wären, um Mich dadurch etwa so recht geschwätzig zu machen, - worin sie sich aber ganz gewaltig irrten. Ein Sadduzäer sagte sogar: »Meister, siehe wir wären geneigt, dir zu folgen und deine Jünger zu werden, wenn du als ein Gotteskind und Gottessohn, wie dich nun schon viele Menschen also benamsen, uns darum b ein Zeichen gäbest aus den Himmeln! Wirke vor unsern Augen ein Wunder, und du kannst uns dein nennen!« (Matthäus.16,01* =Markus.08,11; b Matthäus.12,38; Lukas.11,16; Joh.06,30)

05] Als Ich aber ihre Herzen durchschaute, da fand Ich nichts denn eitel Böses; jegliches Wort, das sie redeten, war eine allerabgefeimteste Lüge, a und Ich sagte darum zu den verschmitzten Fragern und Forderern: »Des Abends saget ihr: 'Oh, es wird morgen schön werden; denn der Himmel ist rot!' b Und des Morgens saget ihr: 'Oh, es wird heute ein böses Wetter werden; denn der Himmel ist rot und trübe!' O ihr argen Heuchler! Des Himmels Gestaltung könnet ihr beurteilen; warum denn nicht auch die c großen Zeichen dieser Zeit in der Sphäre des geistigen Lebens der Menschen? So ihr von andern nach eurem Geständnisse so außerordentliche Dinge vernommen habt und sagt, daß ihr die Schrift verstehet, muß es euch nicht auffallen, daß durch Mich alles das gewirkt wird, wovon die Propheten geweissagt haben?! Eure Miene wohl wißt ihr also süß zu machen wie Milch und Honigseim, aber euer Herz ist voll Galle, voll Haß voll Hurerei und voll Ehebruch!« (a Matthäus.16,02*; Markus.08,12; Lukas.12,54-55; b mt.16,03*; =Lukas.12,54-56; c Matthäus.11,04 =Lukas.12,56)

06] Auf diesen Bescheid traten die Versucher als im höchsten Grade getroffen und verletzt ab und getrauten sich kein Wort mehr an Mich zu richten; denn alles Volk, das sich um Mich versammelt hatte, richtete sehr fragende Blicke auf sie, und sie fanden es für geraten, sich mit Mir in keine weitere Besprechung mehr einzulassen.

07] Als aber diese Versucher sich weidlichst aus dem Staube gemacht hatten, belobte Mich das Volk, daß Ich diesen Zeloten so recht handfest die nackteste Wahrheit unter ihre Nüstern gerieben habe.

08] Ich aber kehrte Mich nicht zum Volke, das im Grunde auch nicht zu dem besten zu zählen war, sondern sagte so wie im Vorbeigehen zu der Jüngern: a »Diese böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen von Mir; b aber es soll ihr kein anderes gegeben werden denn c das des Propheten Jonas!« Darauf ließ Ich das Volk und noch mehr die Versucher stehen und ging mit Meinen Jüngern eiligst davon, bestieg das noch harrende Schiff und behieß das Schiff wieder dahin zu lenken, von wo es am Abende ausgelaufen war. (a Matthäus.16,04*; b Matthäus.12,39; Matthäus.12,40; =Markus.08,12-13; =Lukas.11,29; c Jon.02,01jl.ev06.154,12-14)

Matthäus.16,05-12] Jesu Warnung vor der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer (mk.08,14-21)

09] a Als wir aber also am heitersten Tage hinübergefahren waren unter mancherlei Besprechungen über die Orte und über die Menschen, wo wir gut aufgenommen waren, und wieder am Fuße jenes Berges uns befanden, auf dessen Kuppe tags vorher mit sieben Broten und etlichen Fischlein so viele tausend Menschen gesättigt worden waren, da erst erinnerten sich die Jünger, daß sie an der Grenze von Magdala vergessen hatten, Brot zu kaufen und mitzunehmen, denn es war schon ziemlich spät am Nachmittage, und der Hunger hatte sie daran am meisten gemahnt. Sonach beschlossen einige aus ihnen, irgend in dieser Umgegend sich Brot zu verschaffen oder gar nach Magdala eine Rückfahrt zu machen, weil man von hier bei gutem Winde leicht in einer Stunde nach dem Orte Magdala gelangen konnte. (a Matthäus.16,05*; =Markus.08,14)

10a] Als Mich aber darum die Jünger um den nötigen Rat fragten, da sagte Ich zu ihnen: »Tut, was ihr wollt! a Sehet aber wohl zu und hütet euch vor dem Sauerteige der Pharisäer und Sadduzäer!« Matthäus.16,06*; =Markus.08,15; = Lukas.12,01; b 1. Korinther.05,06Galater.05,09; jl.ev01.023,04a)

10b] Als die Jünger solches von Mir vernahmen, a da dachten sie bei sich im geheimen: »Aha, da haben wir's! Das ist ein leichter Verweis, darum wir kein Brot mit uns genommen haben!« (a Matthäus.16,07*; =Markus.08,16)

11a] a Da ich aber solch ihre ängstlichen Gedanken nur zu bald merkte, so sagte ich zu ihnen: »O ihr noch immer Kleingläubigen! Was kümmert ihr euch doch, daß ihr nicht habt Brot zu euch genommen?! (a Matthäus.16,08*; =Markus.08,17; Matthäus.06,30)

11b] a Vernehmet (soviel als: verstehet) ihr denn noch nicht? Gedenket ihr nicht mehr an die b fünf Brote unter die fünftausend vor der Genezareth-Fahrt, und wieviel Körbe davon übrigblieben?! (a Matthäus.16,09*; =Markus.08,18-19; b Matthäus.14,17-21)

11c] a Auch etwa nicht mehr an die gestrigen b sieben Brote unter die viertausend, ungezählt der Weiber und Kinder, und wie viele Körbe ihr da aufhobet?! (a Matthäus.16,10*; b Matthäus.15,34-38 = Markus.08,20)

  • Matthäus.16,11] a Wieso versteht ihr denn nicht, daß ich nicht vom Brot zu euch geredet habe?, wenn ich sage: Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer! (a = Markus.08,21; jl.ev02.174,11d*)

11d] a Wie möget ihr das doch nicht verstehen, daß Ich nicht das Brot, das ihr nicht mitgenommen habt, meine, so Ich zu euch sage: 'Hütet euch vor dem Sauerteige der Pharisäer und Sadduzäer!' - worunter zu verstehen ist die falsche Lehre, die diese Menschen mit allerlei süßen, fromm scheinenden und freundlichen Gebärden, treuen Versicherungen und Verheißungen unters Volk streuen und sich dabei heimlich den Rücken voll lachen, so sie einen tüchtigen Fischfang von armen, dummen Seelen gemacht haben. (a Matthäus.16,11*; =Markus.08,21)

12a] Wer predigt schärfer als eben die Sadduzäer von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele, wer so wie sie von einem ewigen Eden und von einer ewigen Feuerqual in der Hölle, - und sie selbst für ihre Person glauben von all dem kein Jota und sind dabei die größten Gottesleugner! Verstehet ihr nun einmal, was Ich unter dem 'Sauerteige' gemeint habe?« -

12b] a Darauf erst verstanden die Jünger, daß Ich nicht gesagt hatte, daß sie sich hüten sollten vor dem Brotsauerteige, sondern vor der b argen Lehre der Pharisäer und Sadduzäer. - Wir aber verblieben diese Nacht im Schiffe, das uns zur Not mit Brot und etwas Fischen versehen hatte. (a Matthäus.16,12*; 1. Korinther.05,06Galater.05,09)

13] Am nächsten Tage aber sandte Ich etliche Jünger voraus gen Cäsarea Philippi, auch eine kleine, etwas befestigte Stadt im griechisch-galiläischen Gebietsteile, etwas landeinwärts vom Galiläischen Meere gelegen. Sie sollten sich nach Meiner Beheißung zum voraus in dieser Gegend herum erkundigen, was da die Menschen von Mir hielten, und ob sie von Mir schon überhaupt irgend etwas vernommen hätten.

14] Und mehrere Jünger, die in dieser Gegend wohlbewandert waren, eilten nach eingenommenem Morgenbrote sogleich in die obbezeichnete Gegend und erkundigten sich fleißig über das, was die dortigen Menschen von Mir hielten, und ob und wieviel sie irgend von Mir vernommen hätten. Die vorausgesandten Jünger aber erstaunten nicht wenig, als sie gewahrten, daß die ganze von Mir früher noch nie betretene Gegend von Meinem Namen klein angefüllt war und jeder Mensch von Mir eine Menge zu erzählen wußte. Denn die Jünger taten, als ob sie von Mir auch nur durch Hörensagen etwas wüßten, und so hatten die Befragten einen desto größeren Spielraum, von allerlei Dingen zu erzählen.

15] Daß darunter manche allerkolossalste Übertreibungen stattfanden, läßt sich leicht denken; so war darunter eine, deren Weitererzählung die Jünger dem Erzähler ganz allerernstlichst untersagt haben. Diese Erzählung bestand in nichts Geringerem, als daß Ich Mich bald zu einer riesenhaftesten Größe ausdehnen und dabei aber gleich wieder zu einem kaum fingergroßen Zwerge zusammenschrumpfen könnte; auch wäre Ich bald sehr alt, bald wieder ganz blutjung. So hätte man Mich auch schon als ein vollkommenes Weib gesehen. Ja einige darunter wußten noch mehr; denn sie hätten gehört, daß Ich auch ganz beliebig die Gestalt eines oder des anderen Tieres annehmen könnte.


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