Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 143. Kapitel: Jesus in der armen Herberge der Basaltstadt.

01] Wir zogen dann ganz ruhig unseren Weg weiter, erreichten die Stadt noch eine Stunde vor dem (Sonnen)Untergange und wurden allda von einem Altjuden, der hier eine Herberge besaß, ganz gut aufgenommen und bekamen auch alsbald Brot und etwas Wein, den die Bewohner dieser Stadt selbst aus wildwachsenden Weintrauben sich zu bereiten verstanden, und der zum Löschen des Durstes auch ganz taugte.

02] Der Wirt merkte es einigen Jüngern wohl an, daß ihnen der Wein eben nicht besonders munde, und sagte darum denn auch: »Meine lieben Freunde, ich merke es wohl, daß euch unser Wein nicht am besten mundet; aber ich kann euch dennoch keinen andern bieten, als wie diese unsere magere Gegend ihn hergibt. Bessere Weine hierherbringen zu lassen, dazu fehlen uns die Mittel, und so danken wir dem Herrn, daß Er uns mit einem solchen Wein versehen hat, mit dem wir unsern Durst in den heißen Tagen des Sommers besser löschen können als jene in den großen Städten, die da den besten Wein nur trinken, um ihrem verzärtelten Gaumen eine große Lust zu machen. Wir in dieser unserer von Jerusalem schon sehr fern gelegenen Stadt leben nicht nach Art der wollüstigen Prasser, sondern nach der Art armer Hirten und sind dabei gesünder und zufriedener denn die Reichen in den großen Weltstädten, die den ganzen Tag nachsinnen, wie sie am üppigsten schwelgen könnten, aber an Gott zu denken und Ihm allein die Ehre zu geben keine Zeit haben. trinkt daher nur diesen unsern Wein; er wird euch wahrlich nicht schaden!«

03] Als die Jünger das von unserem Wirte vernahmen, da belobten sie seine alte Gottestreue, aßen darauf mit Lust das Gerstenbrot und tranken mit vieler Freude den Wein, der freilich etwas sauer war.

04] Als wir uns also bald gestärkt hatten, da fragte uns der Wirt, ob wir etwa auch von irgendwoher kommende Handelsleute wären, und mit was wir Handel trieben, und wie lange wir etwelcher Geschäfte wegen hier zu verweilen willens wären.

05] Sagte Ich: »Freund, wir sind fürwahr eine Art Handelsleute, handeln aber mit einer Ware, die du zwar jetzt mit deinen Augen nicht sehen kannst, daher du auch meinen kannst, daß Ich Mir einen Scherz mit dir erlaube; doch dem ist nicht so, sondern wahrlich ganz also, wie Ich es dir gesagt habe!

06] Meine Ware ist im Ernste unsichtbar und hat doch den höchsten Wert für jeden Menschen, der sie von Mir mit einem gläubig reinen Herzen und Willen annehmen will.

07] Auf daß du aber merken magst, worin allenfalls Meine unsichtbare Ware besteht, so laß nun jenen deiner Söhne, der blind und lahm ist, zu Mir hereinbringen, und Ich werde ihn sehend und gerade machen in einem Augenblick!«

08] Als der Wirt solches von Mir vernommen hatte, da sagte er: »Also bist du ein Heiland, und Kranke gesund machen ist deine unsichtbare Ware? Ja, so das mit dir und deinen Gefährten der Fall ist, da wirst du bei uns freilich wohl die besten Geschäfte machen; denn an allerlei Kranken, denen unsere Ärzte nicht helfen können, hat es bei uns keinen Mangel. Sogleich will ich selbst meinen blinden und lahmen Sohn hierher bringen!«

09] Darauf ging der Wirt und brachte den verlangten Sohn und stellte ihn vor Mich hin.

10] Als dieser auf einem Bett sich vor Mir befand, da fragte Ich ihn, ob er sehend und unlahm sein möchte.

11] Sagte der Sohn: »Meister, so dir das möglich sein sollte - woran ich nicht zweifle -, so erweise mir solche deine Gnade!«

12] Sagte Ich: »So will Ich denn, daß du in diesem Augenblick sehend und gerade werdest!«

13] Als Ich solches ausgesprochen hatte, da war der Sohn auch schon sehend und am ganzen Leibe völlig gerade.

14] Und der Wirt, seine Hände über seine Brust schlagend, sagte: »Nein, das ist keine gewöhnliche Heilart! Du mußt das durch den Geist Jehovas bewirkt haben und mußt demnach ein großer Prophet sein.«

15] Bemerkte darauf der geheilte Sohn, der in der Schrift und besonders in den Propheten wohlbewandert war, sagend: »Vater, soviel mir aus den Propheten bekannt ist, die auch von Zeit zu Zeit Wunder gewirkt haben, so haben diese niemals gesagt: "Ich will es, daß dieses oder jenes geschehe!", sondern allzeit: "Der Herr sagt es, und Sein Wille ist es, daß dies und jenes geschehe und folgen werde, so das Volk Israel von seinen Sünden nicht abstehen wird!" Dieser Heiland aber hat gesagt: "Ich will es, daß du sehend und gerade werdest!", und sieh, ich ward im Augenblick sehend und gerade an allen meinen Gliedern, deren gänzliche Lahmheit mich schon mehrere Jahre und teilweise schon von Kindheit an geplagt hat!

16] So dieser Heiland aber alles das durch die Macht seines Wortes und Willens zu bewirken imstande ist, da muß er offenbar mehr als ein Prophet sein.

17] Seine nunmalige Wundertat erinnert mich sehr an die bedeutungsvollen Worte eines Propheten, der aus dem Geiste Jehovas also geredet hat: "So der große Held, der Löwe aus Juda, der König der Könige, der Herr aller Heerscharen in diese Welt kommen wird, so werden die Blinden sehend werden, die Tauben hörend, die Krummen gerade, und der Lahme wird einherspringen wie ein Hirsch, und solches alles wird Er tun aus Seiner Macht und wird gründen ein Reich, das kein Ende nehmen wird."

18] Nun, das stimmt ganz mit der Handlungs- und Redeweise dieses Wunderheilandes zusammen, und ich werde mich nicht irren, so ich behaupte, daß hinter Ihm der so oft verheißene und von allen wahren Juden mit der größten Sehnsucht erwartete Erlöser daheim ist.

19] Mich hat schon Seine erste Ansprache, als ich noch blind und lahm im Bette mich befand, also erweckt, daß ich nicht mehr zweifeln konnte, daß Er mich heilen werde, und so zweifle ich auch jetzt nicht mehr, daß Er der Verheißene ist; und da Er zu uns gekommen ist, so ist unserem Hause und also auch dem ganzen Ort ein größtes Heil widerfahren. Die Folge aber wird es zeigen, ob ich mich geirrt habe.«

20] Sagte der Wirt, als der Vater des Geheilten: »Mein Sohn, du könntest da wohl sehr recht haben; denn auch ich bin geheim in mir auf diesen Gedanken gekommen! Doch wir wollen da dennoch nicht zu vorschnell urteilen; denn dieser gute Wunderheiland wird es uns sicher nicht vorenthalten, über Sich Selbst einen näheren und vollwahren Aufschluß zu geben!«

21] Sagte Ich: »Das werde Ich auch tun, und ihr werdet euch dessen hoch erfreuen, doch nun siehe du, Wirt, in deiner Speisekammer nach, ob du nicht etwelche Fische vorrätig hast! Diese sollst du nach eurer Art zurichten lassen und sie uns auf den Tisch setzen; und du und dein Sohn sollt euch auch damit sättigen!«

22] Als der Wirt solchen Meinen Wunsch vernommen hatte, ward er ordentlich traurig und sagte: »O Du wundersamster Heiland! Derlei haben wir schon seit gar langem entbehren müssen; denn bis zum Meere Galiläas ist es von hier zu weit, und also auch bis zum Strome Jordan, und bis zum Euphrat hin nicht minder. Unsere zwei kleinen Bäche, deren spärliches Wasser wir für unsere Haustiere in einem Teiche ansammeln lassen, sind zur Haltung für Fische nicht tauglich, und so haben wir in dieser Stadt, aufrichtig gesagt, auch nicht einen Fisch.

23] In den früheren Zeiten sollen sich auch in der Nähe dieser Stadt ein paar recht große Teiche mit süßem Wasser befunden haben und sehr reich an Fischen gewesen sein. Allein infolge der oftmaligen Erderschütterungen, von welchen diese Gegend alljährlich heimgesucht wird, sind die erwähnten Teiche um ihr Wasser gekommen und somit auch um ihre Fische, und wir haben darum nun weit und breit von hier keine Fische, und ich werde demnach nun Deinem Wunsche nicht nachkommen können.«

24] Sagte Ich: »Aber du hast im großen Hofraum deines Hauses doch einen Brunnen, der Süßwasser enthält, und daneben einen ganz bedeutenden förmlichen Teich, der in den Stein des Bodens gehauen ist und das Wasser wohl hält. Warum züchtest du darin keine Fische?« -

25] Sagte der Wirt: »Daß Dir in meiner Haushaltung schon gleich alles bestbekannt ist, das habe ich schon aus dem entnommen, daß Du gleich bei Deinem Eintritt in dies mein Haus um die Krankheit meines Sohnes wußtest; und ebenso verhält es sich auch mit dem Brunnen und steinernen Teich, der allerdings eine Menge Fische fassen könnte. Aber woher die Fische nehmen und sie in den Teich setzen? Nach allen Seiten ist es zu weit, um lebendige und völlig gesunde und frische Fische hierher zu bringen und sie zur Fortzucht in den Teich zu legen. Da das offenbar eine vergebliche Mühe wäre, so blieb mein Teich denn auch gleichfort ohne Fische - und somit denn auch aus leicht begreiflichen Gründen meine Speisekammer!«

26] Sagte Ich: »So du glauben kannst, da gehe dennoch in deine Speisekammer nachsehen, und es werden sich sicher so viele Fische schon geschlachtet und gereinigt vorfinden, daß sie für diesen Abend genügen werden; und für die Folge wird dein Teich stets eine rechte Menge von edlen Fischen besitzen!«

27] Hierauf machte der Wirt ganz verwundert große Augen und ging nachzusehen, wie es mit den Fischen stünde.



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