Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 224. Kapitel: Jesu Warnung vor Trägheit.

01] Sagte der Oberstadtrichter: »Herr und Meister! Dir sind offenbar alle Wege und Stege auf der Erde bekannter denn mir, doch weiß ich, daß man auch von dieser Stadt aus - aber mehr in nördlicher Richtung - hinab ins Jordantal gelangen kann auf einem noch so ziemlich passierbaren Fußsteige!«

02] Sagte Ich: »Mein Freund, das weiß Ich wohl, aber Ich weiß noch viel anderes, was du nicht weißt, - und unter dem vielen anderen Meines Wissens befindet sich auch das, daß Ich weiß, welchen Weg Ich zu nehmen habe, welchen Ort zu besuchen, und in welcher Zeit Ich in dem zu besuchenden Orte einzutreffen habe; denn bei Mir geht es nicht wie hie und da bei den Menschen, die da bei einer bevorstehenden Arbeit sagen: "Siehe da, die Arbeit muß ja nicht gerade am heutigen Tage vorgenommen werden; es wird sich wohl morgen oder auch übermorgen noch eine Zeit dazu finden!"

03] Ich aber sage: Was ihr heute wohl tun könnt, das sollt ihr nicht auf den andern Tag verschieben. Denn so ein Hungriger und Durstiger zu euch käme und möchte euch bitten um etwas Speise und Trank, ihr aber würdet sagen: "So komme du morgen, denn heute haben wir keine Zeit dazu, dich zu bedienen!", meinst du wohl, daß dem Armen damit gedient sein wird? Und gehört eine solche Verlegung einer Wohltuenszeit auch in die Sphäre Meiner euch gepredigten Nächstenliebe?

04] Gehört aber dieses nicht zur Nächstenliebe, so gehört auch überhaupt das Verlegen einer Arbeit auf den nächsten Tag, die man gar wohl um den einen Tag früher hätte verrichten können, nicht zur Nächstenliebe, sondern es gehört ein solches Verlegen der Arbeit in die Klasse der Trägheit der Menschen, - und die Trägheit ist allzeit der Anfang zu allerlei Sünden und Lastern. Denn ein allzeit gleich tätiger Mensch in rechten und guten Dingen wird wenig Muße finden, eine oder die andere Sünde zu begehen; aber der träge Mensch wird stets mehr und mehr in seiner Trägheit nachzudenken anfangen, womit er sich seine Langeweile, die aus seiner Untätigkeit entsprungen ist, vertreiben könnte. Und da ein jeder Mensch fortwährend sowohl von guten als auch von bösen Geistern umgeben ist, so versteht sich das von selbst, daß sich die bösen Geister eher einen Zugang zu einem trägen Menschen verschaffen können denn zu einem tätigen; und haben sich diese bösen Geister einmal den Zugang zu einem Menschen verschafft, so verstricken sie sein Gemüt auch bald mit allerlei unnützer Phantasie und ziehen ihn stets mehr und mehr in ihre schmutzigen und finsteren Sphären hinab.

05] Da ihr das nun wisst, so verschiebt eine Arbeit nicht auf den nächsten Tag, die ihr gar wohl heute ausüben könnt!«

06] Sagte darauf der Oberstadtrichter: »Aber, Herr und Meister, ich danke Dir auch für diese Belehrung, denn ich habe daraus entnommen, daß ich auch als Heide nicht unrecht hatte, solche Deine Belehrung schon seit geraumer Zeit zu einem ersten meiner Lebensgrundsätze zu machen, und auch ein jeder Diener bei mir hat diesen Lebensgrundsatz auf das strengste zu befolgen, und so haben wir in unserer Amtssphäre auch niemals etwelche lästigen Arbeitsrückstände!«

07] Sagte Ich: »Ja, ja, Ich kenne eure römischen Gesetze; die sind gut, und wer sie beachtet, fährt in der Welt nicht schlecht! - Aber nun naht sich die Sonne ihrem Aufgange, und wir wollen ihr unsere Aufmerksamkeit widmen!«

08] Darauf fing alles an, die lichten Wölkchen im Osten zu betrachten, die ein ganz rosenrotes Aussehen hatten und stets glänzender und glänzender wurden, was allen, besonders den drei Apollopriestern, so wohl gefiel, daß sie bald in die Lobsprüche des Gottes Apollo übergegangen waren; aber sie ermahnten sich bald und fingen an, Mich zu preisen, und sagten, daß Ich der eigentliche, wahre, ewige Apollo sei, der die Sonne auf- und untergehen lasse, so wie auch den Mond und alle die andern Sterne.

09] Ich aber sagte zu ihnen: »Meine lieben Freunde, Ich heiße nur "Herr und Meister", und so verschonet Mich mit dem Namen "Apollo"; denn was dieser zu bedeuten hat, habe Ich euch schon gestern ganz gründlich erklärt!«

10] Damit waren die drei Apollopriester zufrieden und dankten Mir für diese Zurechtweisung.



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