Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 159. Kapitel: Jesus über das Wesen der Sonne.

01] Sagte der Wirt: »O Herr und Meister, ich meine, ganz in das volle Verständnis dessen, was Dein Mund ausspricht, wird selbst ein weisester Engel-Seraph in Ewigkeit nicht gelangen! Aber um etwas Besonderes muß ich Dich bei dieser Gelegenheit doch fragen, weil die Sonne heute gar so fein und herrlich aufgeht, wie man sie sonst in dieser Gegend gegen Osten hin wegen der vielen Dünste, die sich in dieser unabsehbaren Ebene in einem fort entwickeln, nur sehr selten aufgehen sieht: Ist die Sonne ein Feuer für sich, dessen Flammen die Erde erleuchten, und zwar in einem so starken Grade, daß man auf der Erde niemals solch ein mächtiges Licht bereiten und irgend schauen kann?

02] Ihre außerordentliche Wärme, die sie uns auch mit dem Lichte zusendet, läßt uns vermuten, daß sie ein äußerst heftiges Feuer sein muß; aber da sie im Winter ebenso leuchtet wie jetzt und wir von der Hitze ihres sein sollenden Feuers nur sehr wenig wahrnehmen, so sind einige der Meinung, daß sie im Grunde doch kein eigentliches Feuer sein dürfte. Wir bilden aber hier eine Gemeinschaft, bestehend zumeist aus Römern, Juden, Griechen, Arabern und Ägyptern, und da gibt es verschiedene Meinungen, und doch kann man aus keiner nur im geringsten klug werden.«

03] Sagte Ich: »Da würdet ihr auch noch lange nicht klug werden, weil ihr alle seit alters her mit der dicksten Nacht des Aberglaubens umlagert seid! Wer das begreifen will, der wisse, daß der Auf- und Untergang der Sonne nur ein scheinbarer ist: denn was euch Tag und Nacht verschafft, rührt von der Umdrehung der Erde her, die kein Kreis - wie ihr es meint -, sondern eine ganz respektable große Kugel ist, und so ist der Tag und die Nacht nichts als eine Folge solch einer Umdrehung der Erdkugel, zu welcher Umdrehung die Erde eine Zeit von ungefähr 24 eurer Stunden benötigt.

04] Wie aber die Erde nicht ein Kreis, sondern eine Kugel ist, so ist es auch die Sonne, nur um tausendmal tausend Male größer als diese Erde. Daß sie euch so klein, wie ihr sie seht, erscheint, ist die Ursache ihrer sehr großen Entfernung von dieser Erde. Wenn Ich dir auch die Zahl der Stunden angäbe, die sie von der Erde entfernt ist, so würdest du dir doch keinen rechten Begriff von der Entfernung machen können, weil du in dem Zahlengebäude nach der altarabischen Weise zu wenig bewandert bist. Denke dir aber eine Entfernung von nahezu 44 Millionen Stunden - welche Zahlgröße dir schon ein paar hier lebende Araber verdolmetschen werden -, und du wirst dir dann schon einen kleinen Begriff machen können, in welcher Entfernung die Sonne von der Erde absteht und nicht um die Erde geht, um Tag und Nacht zu bewirken, oder sich nach der Römer und Griechen Aberglauben täglich in das große Meer versenkt, um sich darin gewisserart zu baden und abzuwaschen, damit sie dann wieder in voller Lichtkraft den Erdkreis erleuchten kann.

05] Die Erde aber geht wohl um die Sonne in ungefähr 365 Tagen, und diese zweite Bewegung der Erde verschafft euch ein Jahr mit seinem Frühling, Sommer, Herbst und Winter.

06] Die Sonne ist aber an und für sich kein Feuer, sondern das, was ihr als Licht erseht, ist das Strahlen ihrer atmosphärischen Oberfläche, das durch den Umschwung der Sonne selbst wieder um ihre eigene Achse, und mehr noch durch ihre außerordentlich schnelle Bewegung um eine von ihr noch viel weiter entfernte Mittelsonne bewirkt wird. Durch solche Bewegungen der Sonne im weiten Ätherraum wird auf ihrer atmosphärischen Oberfläche eine außerordentlich große elektrische Wirkung bewerkstelligt, und ihr Lichtglanz ist daher in einem sehr erhöhten Grade (dasselbe), was das Leuchten eures Blitzes ist, nur mit dem Unterschied, daß auf der Luftoberfläche der Sonne die außerordentliche Entwicklung des Blitzes eine ununterbrochene ist, während auf dieser Erde sich der Blitz nur hie und da durch größere Reibung der Luftteile in einem sehr geringen Grade entwickelt und daher allzeit nur höchst kurze Zeit leuchtet.

07] Es gibt aber auch schon Gegenden auf dieser Erde und gewisse Punkte, über denen sich der Blitzstoff in einem viel mächtigeren Grade entwickelt und dadurch diese Punkte auch mit seinem Lichte stundenlang ganz gewaltig erhellt.

08] Wer sich davon überzeugen will, der reise in jene Mittelgegenden Afrikas, wo dieses Erdteils höchste und sehr weitgedehnte Gebirge sich erheben, und er wird alldort von dergleichen elektrischen Erscheinungen hinreichend viele zu sehen bekommen, aber es wird ihm beim Betrachten dieser Erscheinungen noch übler zumute werden, als so über diese Gegenden sich oft größere elektrische Stürme erheben und die Menschen dann vor der Unzahl der Blitze und ihrem Gekrache sich lieber in die tiefsten und finstersten Keller verschließen, als der gefährlichen, oft zahllos vielen Blitze Leuchten im Freien zu bewundern.

09] Ja, Freund, nicht alle Naturerscheinungen auf dieser selbst kleinen Erde sind geeignet, dem Menschen ein solches Vertrauen zu entlocken, daß er sie guten Mutes ohne Furcht und Zagen ertragen und beobachten könnte!

10] Geht es aber schon dann und wann auf dieser kleinen Erde in ihren Naturerscheinlichkeiten für euch Menschen ein wenig exzentrisch vor sich, um wieviel mehr auf einem so großen Weltkörper, wie es die Sonne ist.

11] Im Geiste werdet ihr das einmal alles mit der größten Freude und mit dem größten Behagen betrachten können; aber für euer Fleisch tut sich das nicht.

12] Damit habe ich dir nun gesagt, was es mit dem Leuchten der Sonne für eine Bewandtnis hat, und habe dir dadurch ein kleines Fünklein Lichtes gegeben; doch was du jetzt in der Vollkommenheit noch lange nicht begreifen wirst, das werden in tausend und etlichen hundert Jahren Meine Kinder in Europa und noch viel weiterhin an den Fingern auszurechnen imstande sein, und es wird das sehr viel zur Minderung und am Ende gar Vernichtung des alten, bärenpelzmäßigen Aberglaubens beitragen. Für euch aber genügt jetzt, daß ihr an Mich glaubt und nach Meiner Lehre lebt und handelt; alles andere wird euch zur rechten Zeit schon hinzugegeben werden.«

13] Hierauf dankte Mir der Wirt sehr für diese Meine ihn im höchsten Grade überraschende Erklärung und sagte zu Mir, daß sie sehr mit einem von ihm einmal gehabten Traumgesichte übereinstimme, in welchem Traume er durch den Geist des Propheten Elias, von dessen nächsten Verwandten auch er abstamme, ein Bild gesehen habe, das mit dem übereinstimme, was Ich, der Herr, ihm soeben jetzt gesagt habe.

14] »In diesem Traum«, sagte der Wirt weiter, »kam es mir vor, daß ich mich hoch entrückt über der Erde befand und diese nicht als einen Kreis, sondern als eine große Kugel unter meinen Füßen erblickte. Und ich fragte darauf den Geist des Elias, was dieses zu bedeuten habe.

15] Und er sagte: 'Das wirst du von Dem erfahren, der vor mir war und ewig sein wird!'

16] Darauf ward ich wieder wach und befand mich in Joppe, wo ich geboren ward; denn hier in dieser Stadt befinde ich mich erst seit zwanzig Jahren.«

17] Als der Wirt noch solches erzählte, kam ein Bote und lud uns zum Morgenmahle, und wir verließen unseren Berg und begaben uns in das Haus unseres überaus freundlichen Wirtes.



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