Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 171. Kapitel: Jesus über die Führung der Menschenseelen zur Vollendung.

01] (Jesus:) »Du denkst dir nun freilich wohl und sagst bei dir: "Ja, der göttlichen Weisheit und Allmacht sollte das doch überaus leicht möglich sein!" Ich aber sage dir: So Ich das wollte, da hätte Ich es auch nicht nötig gehabt, je Selbst im Fleische als ein Menschensohn auf diese Erde zu kommen und euch Menschen als ein Lehrer zu unterrichten, und hätte auch in der Vorzeit nicht nötig gehabt, für euch allerlei Weise und Propheten zu erwecken.

02] Denn so ihr bloß durch Meine Allmacht zu freiesten, Mir in allem völlig ähnlichen Kindern hättet gestaltet werden können, so hätte Ich das sicher auch getan; aber da ihr als am beständigen Gängelbande Meiner Allmacht nie zu freien, selbständigen und Mir in allem ähnlichen Kindern hättet umgestaltet werden können, sondern stets gleich allen andern materiellen Wesen, als da sind der Lehm, die Luft, das Wasser, Gestein, Metalle, Pflanzen und aller Art Tiere, geblieben wärt - was Ich als der Schöpfer aller Dinge und Wesen sicher am klarsten einsehen werde -, so muß es also sein, wie es ist, und wie es auch also sein muß. Denn verstehe das wohl! Götter zu erschaffen ist etwas ganz anderes denn Sonnen, Welten und all die andern Wesen im ganzen endlosen Schöpfungsraume! Hast du dieses nun wohl begriffen?

03] Darum kommt der Mensch nahezu gänzlich ohne alle Kenntnis und Wissenschaft in die Welt und muß in allem unterrichtet werden, während die Tiere schon alles in die Welt mitbringen, dessen sie zur Fristung ihres Lebens benötigen.

04] Der Mensch, wie er in diese Welt kommt, wird der Seele nach völlig von der Allmacht Gottes getrennt und ist in allem seinem eigenen Willen und Erkennen anheimgestellt. Erst so er auf dem Wege des Unterrichts aus dem Munde seiner Eltern und anderer weiser Lehrer zur Erkenntnis Gottes gelangt, sich dann gläubig an Ihn wendet und Ihn um Seine Hilfe und Seinen Beistand anfleht, fängt dann auch von der göttlichen Seite das Einfließen an durch alle Himmel hindurch, und die Seele des Menschen geht in ein stets klareres Erkennen über und aus dem immer mehr und mehr in die Liebe zu Gott; sie ordnet dann ihren Willen dem erkannten Willen Gottes unter und einigt sich also mit dem Geiste Gottes und wird dadurch nach und nach ebenso vollkommen in und durch den Geist Gottes in ihr, wie der göttliche Geist in ihr selbst vollkommen ist, und bleibt dabei dennoch in allem vollkommen frei und selbständig, wie Gott an und für Sich ewig vollkommenst frei und selbständig ist.

05] Du meinst nun nach deiner ziemlich geklärten Weltvernunft: Wenn aber eine jede in Mir vollendete Seele in allem also vollkommen wird, wie Ich Selbst vollkommen bin, kann es da mit der Weile nicht zu einer Art Götterkriegen führen, und wer wird am Ende den Sieg davontragen?

06] Siehe, das ist wohl unter ungebildeten und noch oft im höchsten Grade mit allerlei trügerischer Welt- und Eigenliebe behafteten Erdenmenschen denkbar und auch, wie es die Weltchronik nur zu klar beweist, sehr möglich; aber im wahren Gottesreiche ist das weder denkbar und noch um vieles weniger möglich. Denn wer selbst einmal in der vollkommensten Wahrheit aus Gott steht und wohl einsieht, daß ohne sie kein Ding möglich ist, wie sollte der ewig je mit der ewigen Urwahrheit in Gott in einen Streit geraten können?

07] Denn wäre es möglich, daß zum Beispiel nur ein Engelsgeist je wider eine urgöttliche Wahrheit in einen Streit geriete, da sie doch sein Wesen ausmacht, so würde er dabei nicht mit Gott, sondern nur mit sich selbst in einen Streit und Kampf geraten und dadurch denn auch niemandem als nur allein sich selbst schaden.

08] Hast du das schon je einmal auf dieser Erde erlebt, daß etwa zwei in der Rechenkunst wohlbewanderte Menschen darum in einen Streit geraten sind, weil nach dem in aller Welt angenommenen Zählungssystem zwei völlig gleiche Einheiten und abermals zwei wieder gleiche Einheiten in der Summe vier Einheiten geben? Siehe, in dem sind alle nur einigermaßen rechnungskundigen Menschen vollkommenst einig und werden darob bei nur einiger klarer Vernunft wohl sicher niemals in einen Zank und Krieg geraten; denn sie müssen ja auch des eigenen Vorteils wegen diese Rechnungswahrheit als allenthalben und für alle Zeiten gültig anerkennen.

09] Und ebenso geht es mit allen vollendeten Seelen im Reiche Gottes; sie sind alle von ein und derselben Wahrheit durchdrungen, weil sie als Licht ihrer Liebe zu Gott und zum Nächsten entstammt.

10] Solange die Menschen unter sich in Zank, Streit, Krieg geraten können, da sind sie noch ferne vom Reiche Gottes und werden nicht eher in dasselbe kommen, als bis sie in aller Geduld, Demut, Sanftmut, wahrer Nächstenliebe unwandelbar groß geworden sind. Sind sie aber einmal das, und gelangen sie dadurch zur Wahrheit aus Gott in sich, dann hat es mit allem Zank, Streit und Krieg ein ewiges Ende, und von deinem Götterkriege kann da denn auch für ewig keine Rede sein. Verstehst du das wohl?«



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