Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 135


Die Persönlichkeit Gottes. Gottes Wille und des Menschen Wille. Die Kraft des Willens.

01] Sagte Ich: ”Ob nun so oder so, so gehört das nun nicht daher; denn ob so oder so, das muß erst euer Herz verkünden! Würde Ich Selbst es euch sagen, Ich sei das oder jenes, so würdet ihr davon keinen geistigen Gewinn für eure Seelen überkommen. Daß Ich gleich euch nur ein Mensch bin, das könnt ihr mit euren Augen sehen und mit euren Händen greifen; daß aber auch Gott ein vollkommenster Mensch ist, ansonst die Menschen nicht Seine Ebenbilder wären, das könnt ihr euch auch vorstellen.

02] Aber ein jeder Mensch kann auch in allem Gott völlig ähnlich werden, wenn er den erkannten Gotteswillen völlig zu dem seinigen macht. Das habt ihr noch nicht gewußt; aber Ich beweise euch solches nicht nur durch Worte, sondern vielmehr durch die Taten, die Ich vor euren Augen gewirkt habe.

03] Du meinst nun bei dir, Ich rede nun also, als wäre das auch ein anderer zu tun imstande; aber dafür kann Ich dir keinen andern Gegenbeweis geben als nur den allein, daß Ich nun einen Meiner alten Jünger berufe und ihm sage, daß auch er ein Zeichen wirken soll.“

04] Sagte der Hauptmann: ”Ja, daran zweifle ich gar nicht, daß ein jeder deiner Jünger auch dasselbe für unsere Augen wirken wird, was du selbst wirkest; aber der Jünger wird es aussprechen, und du wirst es wollen, und es wird dann sicher geschehen, was er aussprechen wird.“

05] Sagte Ich: ”O nein, da irrst du dich gewaltig! Er wird nur seinen Willen mit dem Willen Gottes auf dieselbe Weise einen, wie Ich dasselbe auch tue, und es wird dann aus solch einem vereinten Willen auch schon die vollbrachte Tat hervorgehen.

06] Ich sage es dir: Wenn du den einen, wahren Gott völlig erkennst, Ihn über alles liebst und Seinen wohlerkannten Willen zu dem deinen machst, a dazu aber dann auch volltrauig glaubest und nicht zweifelst, so kannst du zu jenen Bergen dort sagen: 'Hebet euch, und stürzt euch ins Meer!', und es wird sofort geschehen, was du mit Gott gewollt hast!“ (a mt.21,21)

07] Sagte der Hauptmann: ”Ja, ja, das kann allerdings schon ganz also sein; aber es fragt sich da nur, ob Gott es dann zulassen wird und das wollen, was in diesem Augenblick ich will, wenn ich sonst auch noch so sehr meinen Willen dem göttlichen unterordne, - denn etwas Dummes kann Gott ja doch ewig nicht wollen. Die Vernichtung jener Berge aber, so ich sie wollte, wäre doch in jedem Falle etwas sehr Dummes und überaus Boshaftes, und da würde Gott Seinen Willen mit dem meinen nicht einen! - Habe ich recht oder nicht?“

08] Sagte Ich: ”Diesmal nicht ganz besonders, denn Ich sagte dir das nur des Beispiels halber. Denn das versteht sich ja doch von selbst, daß derjenige, der einmal seinen Willen vollkommen mit dem Willen Gottes geeint hat, doch auch die göttliche Weisheit zu der seinigen - wenigstens teilweise - gemacht hat. Ein solcher Mensch wird dann doch wohl auch einsehen, ob das, was er will, auch gut und weise ist. Sieht er aber das, so wird er mit Gott auch nur etwas Rechtes wollen, und was er also will, das wird auch geschehen, so der Mensch nicht daran zweifelt; denn zweifelt ein Mensch daran, so ist solcher Zweifel eine Folge der noch nicht völligen Einigung seines Willens mit dem Willen Gottes. - Aber nun verlange von einem Meiner Jünger ein beliebiges Zeichen; nur muß es ein logisch mögliches und vernünftiges sein!“

09] Sagte der Hautmann: ”So rufe du einen hervor; denn du kennst am besten ihre Tüchtigkeit!“

10] Sagte Ich: ”Petrus, komme, so du den hinreichenden Glauben hast, und vernimm, was der Freund will!“

11] Hier trat Petrus schnell zum Hauptmanne hin und sagte: ”Freund, was verlangst du, das ich dir tun soll?“

12] Sagte der Hauptmann: ”Wenn du auch etwas vermagst, so sieh hin über das jenseitige Ufer des Stromes! Dort ist ein wildes Gestrüpp um einen plumpen Felsen gewachsen. Darin halten sich eine Menge böser und sehr giftiger Schlangen auf und belästigen nicht selten auf eine weite Umgebung Menschen und Tiere; das schaffe mir durch die Macht deines mit Gott vereinten Willens weg, und vernichte auch die lose Brut dieser Tiere!“

13] Da streckte der Jünger seine Hände über die angezeigte Stelle aus, und sie verschwand im Augenblick aus dem Dasein.

14] Als solches der Hauptmann ersah, da sagte er: ”Herr und Meister, wenn solches deine Jünger von dir erlernen können, dann möchte ich selbst dir folgen und auch dein Jünger sein; denn das ist tausendmal tausend Male mehr denn zehntausendmal zehntausend römische Kriegerlegionen! Mit solch einer Fähigkeit ausgerüstet, gehört die ganze Welt mir, und ich bessere sie durch weise Gesetze.“

15] Sagte Ich: ”Das könnte Ich Selbst tun, so es für alle Menschen in diesem Momente gut wäre! Aber da sagt die Weisheit Gottes: Sie sind allenthalben noch nicht reif dazu; darum gehe Ich auch hier nur an solche Orte, von denen Ich weiß, daß ihre Bewohner reif dazu sind, eine höhere Offenbarung annehmen zu können. - Aber nun hat die Sonne sich auch dem Untergange schon sehr genähert, und es wird gut sein, so wir uns nun ins Haus zurückziehen“

16] Sagte der Wirt, der natürlich auch bei uns war: ”Herr und Meister, es tut mir sehr leid, daß ich nicht die Gnade haben kann, euch alle in meinem Hause zu beherbergen! Aber wenigstens etliche deiner Jünger sollen denn auch meine Gäste sein.“

17] Sagte der Hauptmann: ”Freund, heute wohl nicht, denn heute bist auch du mein Gast; aber morgen wollen wir alle deine Gäste sein, und Übermorgen, wenn diese Wundermenschen durchaus nicht mehr bei uns zu halten sein sollten, wollen wir sie nach Serrhe geleiten! Nun aber gehen wir; denn ich hoffe, daß bei mir das bestellte Nachtmahl schon bereitet sein wird!“

18] Darauf erhoben wir uns und zogen ins Haus des Hauptmanns, allwo das Nachtmhl schon unser harrte. Der Wirt aber machte noch einen Gang in sein Haus, kam aber bald wieder zu uns.

19] Das war eine ganz römische Mahlzeit, und einige Jünger getrauten sich nicht recht, in die Schüsseln zu greifen.

20] Ich aber merkte das wohl und sagte: ”Was Ich esse, das könnt auch ihr ohne Sorge essen!“

21] Da ermannten sie sich und aßen und tranken den römischen Wein. Alles ward bald sehr heiter, und wir blieben wach die ganze Nacht hindurch, in welcher allen Anwesenden die Hauptzüge Meiner Lehre bekanntgemacht wurden.



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