Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 134


Erzählung des Hauptmanns von dem weisen Illyrier.

01] Sagte der Hauptmann: ”Höre, du übergroßer Meisterheiland, ich weiß nun wahrlich nicht, was ich an dir mehr bewundern soll, ob deine wunderbarste Wort- und Willenskraft oder deine außerordentliche theosophische Weisheit!

02] Ich habe wohl in Rom einmal einen Menschen gesprochen, der in Illyrien geboren und ein eigener Mensch war. Man konnte ihn um die sonderbarsten und oft geheimsten Dinge fragen, so wußte er genau darum. So man ihn fragte um das Schicksal irgendeines Menschen, so sagte er: "Tust du dies, dann wird das dein Los sein, und tust du dieses und jenes, wird dir unvermeidbar eben auch dieses und jenes begegnen!" Mir sagte er auf ein Haar voraus, daß ich nahe an das äußerste Ende des großen Kaiserreiches im Aufgange (Osten) werde gestellt werden, und daß mir viel Wunderbares begegnen werde, was bis jetzt alles eingetroffen ist.

03] Diesen Menschen, dessen Aussehen durchaus nichts Auffallendes hatte, fragte ich denn auch so im Vertrauen, was er denn von den Göttern halte. Da sagte er: "So, wie sie nun von euch betrachtet und verehrt werden, halte ich gar nichts darauf; denn sie bestehen nirgends, weder in der Natur und noch weniger in irgendeinem Reiche der Seelen und Geister. Die Bilder von ihnen aber sind nur Menschenwerke, und die menschliche Phantasie gab ihnen die Form. Im Altertum waren sie nur entsprechende Darstellungen der besonderen aus den Wirkungen der Naturkräfte erkannten Eigenschaften des einen, ewig wahren Gottes, den aber die gegenwärtigen Menschen nicht mehr kennen."

04] Aber diese Eigenschaften seien nicht also zu nehmen, als bestünde unter ihnen der allein wahre Gott, sondern etwa nur also, wie Er durch Seine höchste Weisheit und Willensmacht den Menschen als Sein Ebenbild aus der Materie der Erde durch gar viele Naturlebensstufen endlich zum Menschen hervorlocke. Die Erde bestehe aus gar endlos vielen Seelen, und des Menschen Seele als der eigentliche, wahre Mensch sei eben auch eine so vielfache Seele unter einer Form und Haut, als wie vielfach ihre Intelligenzen und ihre inneren und äußeren Anschauungen und Wahrnehmungen sind. Aber solches sehe nun niemand mehr ein und könne es auch nicht, weil der Mensch sich durch seine fleischlichen Gelüste von sich selbst entfernt habe. Die Selbstliebe und die Hurerei habe die Menschen in eine große und starke Lebensnacht gestürzt, aus der sie nur Gott Selbst wieder herausziehen könne und - wie er meinte - vielleicht auch bald werde. Aber mit Rom werde Er nicht den Anfang machen, doch auch nicht außer den Grenzen des großen Kaiserreiches.

05] Siehe, Meister, so redete jener sonderbare Illyrier! Wenn er zu solcher seiner gediegenen Weisheit auch etwelche Zeichen zu wirken imstande gewesen wäre, so hätte man ihn nahezu für einen Gott angesehen. Er hatte durch mich viele ihm sehr geneigte Zuhörer und Gönner gefunden; aber nach einem Jahre nahm er von mir Abschied und sagte: "Ich habe hier zwar sehr viele Freunde gefunden, aber auch eine noch größere Anzahl Feinde aus der Sphäre der Priester. Diese stellen mir heimlich nach dem Leben; darum gehe ich auch ganz heimlich wieder von hier." Ich habe ihn reichlich beschenkt und gab ihm ein sicheres Geleite bis an die Küste des Adriatischen Meeres. Da bestieg er ein Schiff und

fuhr mit gutem Winde wieder in sein Vaterland.

06] Ich erwähnte nun dieses Menschen nur deshalb, um dir zu zeigen, daß ich von dem, was du nun so weise erklärt hast, schon Vorbegriffe gehabt habe und dich darum nun leichter habe verstehen können. Aber das, was du nun darüber gesagt hast, steht endlos höher und ist klar und nahezu für jedermann wohlverständlich. Wenn ich aber nun deinen Zeichen, deiner förmlichen Allwissenheit und deiner Weisheit so recht meine Aufmerksamkeit schenke, so gedenke ich nun auch der sonderbaren Weissagung jenes Illyriers, der nach nur der große, allein wahre Gott - und das recht bald - die Menschen aus ihrer Nacht herausziehen werde, und das innerhalb der Grenzen des großen Kaiserreiches. Am Ende bist du selbst so ein Abgesandter des allein wahren, großen Gottes - oder gar identisch mit Ihm?!

07] Ist eines oder das andere der Fall, dann sage es uns, auf daß wir alle uns danach zu richten wissen!“



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