Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 263


Barnabe erinnert sich des zwölfjährigen Jesus im Tempel.

01] Hier ging die Elisa zu ihrem Vater, der sie unter vielen Dankestränen an sein Herz drückte -, ihr dann zwischen sich und seinem Weibe einen Platz anwies und ihr zu essen und zu trinken gab von allem, was da war; besonders aber schmeckte ihr Mein Wein, gemacht aus Wasser.

02] Als die Tochter da nun so ganz gesund aß und trank, da fragte Mich mit aller Ehrfurcht der Wirt: ”Herr und Meister aller Meister! Es ist zwar sehr dumm von mir, dich zu fragen, woher du es wissen kannst, daß ich 'Barnabe' heiße, und daß diese meine Tochter 'Elisa' heißt; denn so dir, von Gott gegeben, solche Dinge möglich sind, warum sollte es dir denn nicht auch ebenso leicht möglich sein, zu wissen, wie ich und auch alle andern heißen mit ihren Namen? Aber ich dachte mir nur, daß du mich vielleicht schon von Jerusalem aus bei irgendeiner Gelegenheit gesehen und erkannt hast. Und so das ein leicht möglicher Fall wäre, so wäre das für Mich von einem doppelten Interesse!“

03] Sagte Ich: ”Rede, was dich nun auf diesen Gedanken gebracht hat!“

04] Sagte der Wirt: ”Vergib es mir nur schon zum voraus, so ich mich irgend ungebührlich ausdrücken sollte, - denn ich habe nun schon etwas Wein genossen, und der hat mir die Zunge vielleicht schon etwas locker gemacht; aber ich werde mich nach Möglichkeit schon derart noch zusammennehmen, daß meine Zunge mir keine zu große Schande machen wird!

05] (Wirt, dessen verkrüppelte Tochter von Jesus geheilt wurde, zu Jesus:) ”Siehe, vor ungefähr zwanzig Jahren war ich zu Jerusalem noch Levite und eigentlich schon angehender Pharisäer (Varizar = Hirt, auch Hirtenvorstand). Da begab es sich einmal - wie vor- und nachher nicht wieder -, daß bei der gewöhnlichen Prüfung der zwölfjährigen Knaben ein Knabe namens Jesus aus Nazareth in Galiläa uns vorgeführt ward. Dieser Knabe wußte schon damals mehr denn alle Templer zusammen und war eigentlich der Hauptgrund, warum ich bald nachher den Tempel für alle Zeiten verließ. (Lukas.02,41-51; jl.kjug.297,02; jl.3tag.001,01)

06] Ich muß aber nun dahinzu noch hier offen bekennen, daß eben du, Meister der Meister, mit jenem wahrsten Wunderknaben namentlich im Gesichte eine ganz außerordentliche Ähnlichkeit hast. Ich will damit aber durchaus nicht behaupten, als seiest du als nunmaliger Mann aus jenem Knaben herausgewachsen, was da gerade auch nicht etwas Unmögliches wäre; aber nur wollte ich damit bemerkt haben, daß es nämlich höchst merkwürdig ist, wie sich ähnliche große Geister, wenn sie eine und dieselbe Tendenz verfolgen, auch sehr oft in ihren Gesichtern ähnlich sind.

07] Jener denkwürdige Knabe hat uns drei Tage hindurch im Tempel haarklein bewiesen, daß eben er selbst der verheißene Messias sei! Ich kam aber hernach aus verschiedenen Gründen selbstwillig aus dem Tempel in diese Einsamkeit und bin nachher nie wieder dahin gekommen, auch nicht irgendwoandershin, und ich kann denn auch nicht wissen, was doch etwa aus jenem Knaben geworden ist. Ich war zwar damals ein Gegner von ihm; aber es dauerte gar nicht lange, so wurden mir die Behauptungen jenes Knaben immer einleuchtender, dafür aber der Tempel von Tag zu Tag widerwärtiger und unerträglicher.

08] Ja, jenes Knaben Worte waren mein Retter aus der wahren Hölle des Tempels! Und da möchte ich denn nun von dir auch noch das erfahren, was etwa doch aus jenem Knaben geworden ist! Was mich damals von den alten, eingefleischten Tempelhelden am allermeisten erbittert hat, war das, daß sie ganz geheim einen Preis jenem bestimmten, der den Knaben bei irgendeiner guten Gelegenheit aus der Welt befördern würde. Solange ich noch im Tempel war, ist so etwas wohl nicht geschehen; aber nun es denn doch schon beinahe zwanzig Jahre sind, daß ich hier bin, - wer weiß es, was alles hernach vom Tempel aus gegen diesen Knaben unternommen worden ist! Du, Meister der Meister, wirst das alles sicher wissen, und so bitte ich dich darum, daß du mir darüber eine Aufklärung geben möchtest!“

09] Sage Ich: ”Siehe, eben auf Grund dessen bin Ich nun zu dir gekommen; denn Ich Selbst bin eben jener Knabe, der damals im Tempel den Ältesten, Pharisäern und Schriftgelehrten stark zugesetzt hat! Und dieweil du nun das weißt, so wird es dir nun auch gar leicht klarer werden, warum Ich gleich bei Meiner Ankunft zu dir sagte: "Friede sei mit dir und deinem Hause! Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen!" Aber erst morgen wollen wir davon eine weitere Verhandlung anstellen! Heute aber laß uns gute Lager bereiten, damit wir von unserer kleinen Müdigkeit los werden und morgen wieder tatkräftig dastehen mögen!“

10] Hierauf befahl der Wirt Barnabe seinen Dienern, daß sie uns sogleich gute Lager bereiten sollten, und sie taten, wie es ihnen befohlen war.

11] Als wir vom Tische aufstanden, da trat die geheilte Tochter noch einmal zu Mir hin und dankte Mir auf das inbrünstigste für die Heilung ihrer Leiden, und desgleichen tat auch der Wirt, sein Weib und seine anderen Kinder; denn sie alle hatten die schöne und muntere Elisa sehr gern und freuten sich eben darum so sehr, da sie nun wieder ihre Elisa ganz frisch und gesund vor sich hatten. Ich erteilte ihnen allen Meinen Segen und begab Mich dann mit Meinen Jüngern schnell zur Ruhe.



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