Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 188


Die notwendige Verschiedenheit der Wesen und Verhältnisse auf Erden.

01] Hierauf fing Johannes wieder an zu reden und sagte: ”Meine lieben Freunde, wenn eure Einsicht nur halb soweit gediehen wäre, so wäre die Sache mit wenigen Worten abgetan; aber so wird es freilich eines mehreren benötigen. Damit ihr aber das begreifet, muß ich euch zuvor eine ganz neue Enthüllung machen. Und wie da eines das andere hervorruft und gibt, und bevor ihr noch daran dachtet, mit den drei kritischen Fragen mir zu kommen, wußte ich schon darum und habe in meiner früheren euch gemachten wahren Darstellung der materiellen Schöpfung dafür vorgebaut. Oh, ihr kommt mir ja sicher ewig mit keiner Frage, um die ich nicht schon lange voraus gewußt hätte! Habe ich aber um die kommende Frage schon lange vorher gewußt, so wie um eure Reisegeschichten, so könnt ihr es euch wohl auch leicht denken, daß mir darauf eine endgültige Antwort auch eben nicht gar zu schwer fallen wird. - Was meinst du, Hiram, da?“

02] Sagt Hiram: ”O ja, das sieht dir sehr ähnlich! Ich habe dir aber die drei Fragen auch nicht darum gestellt, um damit deine tiefsterprobte Weisheit noch tiefer zu versuchen; aber weil da schon eines das andere gibt, so möchte ich von dir in dieser allerernstesten Sache denn auch einen endgültigen Aufschluß haben, den mir außer dir sicher niemand mehr zu geben imstande sein dürfte, ohne dadurch der sicher auch triftigsten Weisheit deiner Gefährten zu nahe zu treten. Habe die Güte und rede, - wir wollen dich mit der gespanntesten Aufmerksamkeit anhören!“

03] Sagt Johannes: ”Nun wohl denn, so hört! Es gibt Unterschiede in allem, was ihr nur immer anseht auf der Erde. Was würdet ihr wohl sagen, wenn auf dieser Erde alle Geschöpfe einander ebenso ähnlich sähen wie zum Beispiel die Sperlinge auf dem Dache, da man das Weiblein und Männlein nicht unterscheiden mag?“

04] Sagt Hiram: ”Das wäre etwas unerträglich Langweiliges!“

05] Sagt Johannes: ”Gut! Also wäre es auch unerträglich fade, so alle Menschen eine haargleiche Gestalt, eine gleiche Stärke, ein gleiches Alter, eine ganz gleiche Stimme und Sprache und einen ganz gleichen instinktmäßigen Verstand besäßen!“

06] Sagt Hiram: ”Ah, das wäre ja etwas ganz Entsetzliches!“

07] Sagt weiter Johannes: ”Wäre die Erde so anmutig und erfreulich anzusehen entweder ganz ohne Berge oder ohne Verschiedenheit derselben, und so auf der Erde nur eine einzige Baumgattung und nur eine Grassorte vorkäme, und so es kein Meer gäbe, sondern lauter kleine, seichte und ganz auf ein Haar gleiche Teiche, keine größeren tiefen Seen, keine großen Flüsse und Ströme, sondern lauter liniengerade dahinrieselnde, handbreite Bächlein und dazu noch lauter haargleiche viereckige Wölklein am Himmel, die immerfort nur nach einer und derselben Richtung ganz langsam dahinzögen? Wäre es angenehm, so du am Firmament anstatt der verschiedenen Gestirne entweder lauter Sonnen oder lauter Monde ohne Wechsel des Tages mit der ruhigen Nacht sähest?!“

08] Sagt Hiram: ”Ich bitte dich, Freund, höre mir nur mit derlei bald auf; denn da treibt einen Menschen unserer Art schon der Gedanke daran zur Verzweiflung! Denn nur die großartigste Verschiedenheit in allem kann dem Leben ein Vergnügen geben!“

09] Sagt auch Aziona: ”Bruder Hiram, spannst du noch nicht, wo's hinausgehen wird, und wie schön du schon gefangen bist?“

10] Sagt Hiram: ”Ein bißchen so etwas von einem lichten Dunste fange ich schon auch sehr zu verspüren an! Aber lassen wir den edelsten und weisesten Freund zu unserem Besten nur ganz ungestört fortreden!“

11] Fährt nun Johannes weiter fort zu reden und sagt: ”Gut Freunde, so euch schon auf der Erde die höchstmögliche Einförmigkeit in allem eine allerentsetzlichste Langweile bereiten müßte und euch nur die großartigsten und zahlreichsten Unterschiede und Veränderungen vergnügen, - wie wollt ihr dann meinen wollen, daß noch endlos vollendetere Geister als Hauptlebensintelligenzen in der höchsten Einförmigkeit ewig fortleben sollen und einer auf ein Haar so sei wie der andere durch die ganze, ewige Unendlichkeit?! O seht, wie seicht und höchst einseitig ihr da Gott Selbst und Sein unendliches Geisterreich aufgefaßt habt!

12] Es muß dort wie hier Unterschiede geben, und das nie zählbar viele, ansonst ja ein jedes vollendetere Wesen nie möglich eine Seligkeit und Wonne über die geschaffenen Wunder Gottes haben könnte, wie es unter euch Menschen auf der Erde kaum denkbar viele Unterschiede gibt, damit ihr euch gegenseitig dienlich notwendig werden mögt. Was liegt hernach daran, ob ein - sage - jenseitiger Geist sein hier unternommenes Werk ganz vollendet oder nicht? Die Ewigkeit ist doch hoffentlich lang genug, um das hier nur scheinbar Versäumte nachzuholen!

13] Zudem - wohlgemerkt! - ist ja eben diese Erde eine von Gott eigens erwählte und dazu bestimmte, daß eben auf ihr, wegen der hier allein möglich erreichbaren Kindschaft Gottes, unter den auf ihr vorkommenden verschiedenartigsten Menschenarten und -charakteren eben auch so eine große Verschiedenheit obwalte, die nach dieser Erde aber schon in der ganzen Unendlichkeit auf keinem der zahllos vielen Weltkörper in einem so hohen Grade anzutreffen ist.

14] Da aber hier allein die wahre und einzige Kindschaft Gottes zu erreichen ist, was alle reinen Urgeister in der ganzen Unendlichkeit gar wohl wissen und tiefst erkennen, so könnt ihr es euch wohl vorstellen, daß gar viele Geister mit Seelen aus anderen Weltkörpern auch zu dem Behufe auf diese Erde kommen, um eine fremdweltliche Seele auch in der Materie dieser Erde durchgären zu lassen. Nun, vielen gelingt es beim ersten Versuche, und gar vielen nicht! So die fremde Seele in dem Leibe aus dieser Erde denn durchaus schon gleich zu Anfang ihres Eintritts in dieser sie sehr drückenden Materie nicht bestehen kann, nun, so wird sie von ihrem Geiste gleich wieder dahin gebracht, von wo sie gekommen ist.

15] Manche Seelen, zumeist aus anderen Weltkörpern, können den Anblick dieser allermagersten und am wenigsten schönen Welt gar nicht ertragen. Da werdet ihr ihre Sinne auch gewöhnlich sehr vernachlässigt ausgebildet sehen. Sie halten hier wohl oft eine längere Zeit aus und machen so manches, aber gewöhnlich nur weniges den wirklichen Menschen dieser Erde nach und kehren nach solchem für sie immerhin eine tiefe Bedeutung habenden Leben, das auch gewöhnlich nie zu lange dauert, wieder in ihre Heimat - und das oft nach etlichen Dezennien, von den Menschen dieser Erde natürlich ungekannt - mit oft bestem Erfolg ihrer großen Mühe zurück und erreichen da schon sicher, was sie ein erstes Mal suchten.

16] Manche solcher fremden Seelen durchwandern oft sogar viele andere Weltkörper, bis sie sich dann erst, durch ihre Geister geleitet, auf diese Erde wagen. Etliche sind aus Sonnenwelten. Darunter sind welche bald sehr vollkommen; manche aber bekommen oft auch einen großen Zorn auf alles, was nur auf dieser Erde vorkommt. Daraus werden für diese Erde gewöhnlich sehr böse Individuen, die rauben, morden und stehlen, was ihnen nur unterkommt. Auch haben sie gewöhnlich keine Liebe zu den Menschen dieser Erde und suchen ihnen nur auf alle mögliche Weise zu schaden. Solche entgehen hier nur selten der gerechten Strafe für ihre Vergehen wider die erdbürgerlichen Ordnungsgesetze. Sie kehren dann oft wohl auch in ihre alte Heimat zurück, wo es ihnen dann auch nicht am allerbesten geht; denn ihr Geist fängt dann mit ihnen oft eine ganz entsetzlich scharfe und sehr schmerzliche Disziplin an, die, je nachdem eine Seele für sich stolzer, verhärteter und selbstsüchtig eigensinniger ist, oft ganz entsetzlich lange dauert.

17] Ja, mitunter geschieht sogar Bürgern dieser Erde ein Gleiches, so sie sich von den Fremden dazu verlocken lassen, auch möglichst viel Böses auszuüben. Solche Seelen, deren es leider nicht wenige gibt, sind dann eben das, was man, 'Teufel' nennt; aber ihre jenseitigen Geister sind dann so lange ihre sie sehr peinigenden Leiter, bis sie sich gänzlich bessern. Und siehe, darum eben auf dieser Erde die große Verschiedenheit, und darum solche absonderlichen Zustände der Menschen auf dieser Erde. - Ich meine nun, daß ihr, so ihr offenbar schärfer zu denken vermögt denn andere gewöhnliche Alltagsmenschen dieser Erde, über eure Fragen nun schon vollends im klaren sein solltet! Oder geht euch nun noch etwas ab?“



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