Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 185


Der Aufenthaltsort der Nubier in Ägyten.

01] (Oubratouvishar: Der Oberste) ”"Und nun wollen wir hinausgehen auf den Platz, den ich euch zur Bewohnung anweisen werde! Zugleich aber werde ich euch eine Schirmwache für die ganze Zeit eures hiesigen Aufenthaltes beigeben, die dies schlechte Volk von euch abhalten wird; denn das würde sich wenig oder nichts daraus machen, euch im Grunde und Boden zu verderben, und das physisch und moralisch. Ich frage dich gar nicht, ob du mich ganz verstanden hast; denn ich weiß es, dass du mich wohl verstanden hast und mich in der Folge noch mehr verstehen wirst!“

02] Auf diese Worte gab der Oberste ein Zeichen mit dem Schlage auf eine stark schallende Metallplatte, und es kamen wie durch ein Wunder eine Masse bewaffneter Männer von stark dunkelbrauner Färbung zum Vorscheine, und der Oberste gebot ihnen in einer uns fremden Zunge etwas, das wir nicht verstanden. Aber als der wahrhafte, gute Oberste mein Befremden merkte, so tröstete er mich damit, dass er mir in meiner Zunge das erklärte, was er zu den Bewaffneten gesprochen hatte. Es handelte sich um unsere möglichste Bewachung vor der Zudringlichkeit der verdorbenen Bewohner der Stadt, die ihm gar nicht mehr als Menschen vorkamen.

03] Einer der Führer der Wache, der nahe also bekleidet war wie dieser Freund, der uns hierher den Weg gezeigt hatte, machte dem Obersten die Bemerkung, dass der sonst zwar äußerst üppige und grasreiche Platz eine wahre Schlangen- und Natterntrift sei, auf der kein Mensch und kein Vieh gut fortkomme.

04] Sagte der Oberste: "Verdorbene Menschen samt ihrem Vieh freilich wohl nicht; aber das sind noch echte Urmenschen, die auch noch wahre Herren der sämtlichen Natur und ihrer wie immer gearteten Kreatur sind! Diesen werden die vielen Schlangen und Nattern sicher nicht nur nichts tun, sondern sie werden ihnen samt ihrer Brut sogleich den sonst schönsten Platz räumen. Und ihr als ihre Wächter werdet mit dem Geschmeiße auch nicht die mindesten Ungelegenheiten zu bestehen bekommen, dessen ihr vollends versichert sein könnt! - Nun aber holet mir zweiundzwanzig Paare lederner Bandschuhe, mit denen wollen wir diese unverdorbenen Menschen versehen, damit sie sich auf unserm Spitzsandboden nicht ihre Füße unnötigerweise verderben!"

05] Alsbald wurden die Schuhe hervorgeholt. Mir und meinem Diener wurden gleich die bequemsten angebunden; die andern zwanzig wurden auf Befehl des Obersten durch vier Wächter zu unseren Gefährten hinausgetragen, und als diese sich auch also beschuht hatten, bekamen sie von den Wächtern die Weisung, ihnen auf die neue Weidetrift zu folgen. Der Oberste, ich und mein Diener und die anderen Wachleute aber zogen durch viele Gassen der Stadt hinaus ins Freie, wo die schöne und große Trift war, voll bewachsen mit dem schönsten Grase, einer Menge Datteln und Feigen und Pomeranzen und mit noch einer Menge anderer Früchte. Aber das sah ich auch, dass die Trift sehr wenig von Menschen besucht sein mußte; denn schon von weitem vernahmen wir das Rauschen von unzähligen Klapperschlangen.

06] Bald nach uns kamen auch meine Gefährten mit den zahlreichen Herden und Kamelen. Als sie an der Trift ankamen, harrten sie ja nicht, bis etwa das Geschmeiß vor uns und unseren Herden abzöge, sondern ergriffen sogleich ohne die allergeringste Scheu den vollen Besitz von der Trift und ihren Früchten, durchwanderten gleich kreuz und quer den großen Weideplatz, und alles Geschmeiß floh dem Nil derart zu, dass dessen Spiegel bei einer halben Stunde lang ganz mit dem Geschmeiße bedeckt wurde; auch vier Nildrachen flohen jählings vor meinen Gefährten und vor meinen Herden.

07] Der Oberste aber erklärte nun diese Erscheinung auch der uns mitgegebenen Wachmannschaft und sagte ihr, dass sie sich mit uns ganz ohne Furcht in alle Teile der Trift begeben dürfte; denn er sei vollkommen überzeugt, dass sich schon in der Nacht nicht mehr auch nur eine Natter oder Schlange auf der ganzen Trift befinden werde. Und also war es auch: Schon nach einer Stunde war abends die Trift rein von allem wie immer gearteten Geschmeiße.

08] Am jenseitigen Ufer des Nils aber sahen wir eine ganze ägyptische Herde von Schafen fliehen vor den sie verfolgenden giftigen Auswanderern, und ihre Hirten flohen mit der Herde. Die Hirten schrien jämmerlich, entflohen jedoch auf eine Nilbrücke; aber die Herde litt Schaden, - denn etliche Lämmer wurden von den großen Bestien ereilt und verzehrt. Auch gab es am jenseitigen Ufer Massen von Kaninchen, denen dieser unerwartete Besuch auch sehr ungelegen kam; denn eine Menge der Jungen wurde von den kriechenden Bestien verzehrt.

09] Der Wachmannschaft stachen die früher unerreichbaren schönsten Datteln, Feigen und Pomeranzen sehr in die Augen, und desgleichen auch die schönsten Roscize (Johannesbrot), die allda gewöhnlich als Kamelfutter gebraucht werden.

10] Der Wachmeister sagte zum Obersten: "Ehre der Isis und dem Osiriz! Endlich können wir auch hier Ernte halten, was seit Menschengedenken nicht der Fall war!<

11] Der Oberste aber sagte: >Die Ernte werden nur diese halten ein volles Jahr hindurch, die diese Trift gereinigt haben; nur was sie euch zu nehmen gestatten, dürft ihr nehmen, sonst eigenmächtig aber auch nicht ein Blatt von einem Baume! Dazu hütet euch, vor diesen höchst unverdorbenen Menschen irgend eure nichtigen Landesgötter anzurufen; denn unter euch ist auch nicht einer, den ich nicht den allein wahren Gott hätte kennen gelehrt! Bleibt bei dem, aber ja keine Isis und auch keinen Osiriz, noch irgendeinen Apis mehr! Denn dies alles ist und bleibt ewig nichts!"

12] Nach dem sagte der Oberste zu mir: "Wie du nun selbst siehst, so seid ihr mit Hilfe des Allerhöchsten bestens versorgt. Ich werde euch nun verlassen, aber morgen mit dem ersten Tagesgrauen bin ich wieder bei dir; da werde ich dir dann schon den rechten Unterricht erteilen hier im großen, offenen Tempel des Allerhöchsten! Und du wirst dann das von mir Gehörte auch deinen Gefährten zukommen lassen! Und nun lebt alle wohl unter dem Schutze des Allerhöchsten!"

13] Mit diesen Worten kehrte er in die Stadt zurück. Er mußte schon seit langem ein großes Ansehen bei dem ägyptischen Volke genießen; denn wer ihm nur immer begegnete, verneigte sich bis zur Erde vor ihm. Er aber tat, als merkte er von all den Ehrbezeigungen nichts, sondern ging, wie in ein tiefstes Nachdenken versunken, seinen geraden Weg ganz hurtig fort.

14] Als die Sonne untergegangen war, kamen bald eine Menge Schaulustiger aus der Stadt; aber niemand getraute sich, nur auf zwanzig Schritte der berüchtigten Schlangentrift zu nahen. Mehrere riefen uns zu, uns von der Trift zu entfernen, ansonst wir unvermeidlich den größten Schaden erleiden müßten. Die Wache aber schob die Neugierigen zurück und erklärte ihnen, dass da keine Gefahr irgend mehr vorhanden sei, indem durch unsere geheime Kraft all das giftige Geschmeiß schon längst über den Nil geschwommen sei.

15] Da gingen die Neugierigen bald zurück, und wir versorgten unsere Herden, die uns für diesen Abend so viel der besten und nahrhaftesten Milch gaben, dass wir sie gar nicht aufzuzehren imstande waren. Wir befragten die Wachmannschaft, ob sie auch Milch trinke. Sie bejahte das mit Freuden, und wir gaben ihr so viel der Milch zu trinken, dass sie nicht mehr imstande war, ein mehreres davon zu genießen. Den noch bedeutenden Überfluß gaben wir in die mitgenommenen Gefäße, um sie in Käse zu verwandeln.

16] Ein Jahr lang wirtschafteten wir hier und haben von dem guten Obersten sehr viel gelernt, namentlich in der wahren Erkenntnis des allerhöchsten Gottwesens. Mit der größten Freundlichkeit wurden wir nach einem Jahre wieder entlassen und zogen wohlgemut in unser Land zurück.

17] Bald darauf bekam ich meine Gesichte, stellte gleich eine Karawane zusammen und wollte eigentlich nur nach Memphis, um dem Obersten das gehabte Gesicht kundzutun. Dieser aber wußte bereits von dir, Erhabenster, und wies mich eigentlich hierher, zeigte mir den sehr weiten Weg bis Alexandria und vertraute mich einem kundigsten Schiffer an, dass er mich hierher brächte. Er gab mir auch einen Dolmetsch mit, den ich aber nicht hierher mitnahm.

18] Nun weißt du, erhabenster Mensch der Menschen, wie ich zu meiner kleinen Weisheit kam; und nun sage du mir auch einmal bestimmt, ob ich am rechten Orte stehe, oder ob ich noch weiterziehen solle! Denn lange kann ich mich nicht aufhalten, da mein Weg nach unserer Heimat ein gar weiter ist.“



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