Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 3, Seite 086


21] Allein deine Ruhe währte nicht gar zu lange, denn es kam die Tochter namens Wilhelmine, setzte sich neben dich zu Tische und machte neugierige Versuche, mit dir ein fragendes Gespräch anzuknüpfen. Allein du machtest dich taub und stumm und schienst auf das Mädchen nicht zu achten, worüber dann diese in einem etwas ärgerlichen Ton, der ihr bei solchen Gelegenheiten auch ganz eigen ist, dich etwas scharf anfassend fragte: Aber sagen Sie mir doch einmal, was ich Ihnen denn Schlechtes getan habe, daß Sie mich weder eines Blickes noch einer Antwort würdigen! Denn ich kann mir das nicht zusammenreimen, wie ein sonst so frommer oder doch wenigstens als fromm gelten wollender Mann gar so ärgerlich stolz sein könnte! - Daß ich jetzt tanzen lerne, ist denn das gar so etwas, nachdem Sie doch wissen, daß wir das nur aus Gefälligkeit für die Tante gewisserart tun müssen, ohne daß gerade unser Herz und Leben gar so daran hängt, wie Sie vielleicht glauben. Und wenn Sie deshalb auf mich gerade so ärgerlich sind, so weiß ich wirklich nicht, was ich von Ihnen halten soll! - Ehedem versicherten Sie mir stets, daß ich Ihnen lieb wäre. Jetzt aber sehen Sie mich gar nicht mehr an, als wenn ich durch diese Gefälligkeit gegen die Tante schon, Gott weiß, wie schlecht geworden wäre. Ich weiß wohl, was die Ursache ist, und sage es Ihnen gerade ins Gesicht: Es ist bei Ihnen nichts als eine ärgerliche Eifersucht, durch welche Sie mich stillschweigend einer Untreue, sich rächend, beschuldigen wollen, als wenn ich schon einmal, Gott weiß, wie stark in Sie verliebt gewesen wäre, was mir bis jetzt wirklich noch nicht einmal im Traume eingefallen wäre. Pfui, schämen Sie sich! -

22] Und da dich die letzte Phrase etwas ärgerlich machte, so standest du auf und wolltest gehen. Allein, als die ziemlich dreiste Rednerin solches merkte, ergriff sie dich bei der Hand und ließ dich bittend und weinend nicht von der Stelle, sagend: Ich bitte Sie um Gottes willen, vergeben Sie mir, wenn ich Ihnen etwas Ungerechtes gesagt habe, und vergeben Sie mir meine voreilige Unart! Ich sehe schon, daß ich gefehlt habe. Bleiben Sie hier! Was würden der Vater und die Mutter sagen, wenn Sie, mich jetzt verlassend, davongingen! -

23] Und du öffnetest darauf den Mund, fingst endlich an zu reden und sagtest zuerst etwas ärgerlich: Na, das ist ja eine recht schöne Unterhaltung für den guten Dienst, den ich durch die Gnade des Herrn meinem Freunde erwiesen habe. Nimmt sich das zarte Töchterlein die holdselige Freiheit, mich über einen Kurierstiefel zu putzen und auf einen solchen sonderbaren Glanz herzustellen, daß dagegen die Anzüglichkeiten von seiten der Ochsen am Berge nur als ganz kleine niedliche Burlesken erscheinen! Nein, das ist gar nicht übel, eine solch zarte Unterhaltung möchte ich mir denn doch bald wieder ausbitten! Die schmiert so mir und dir nichts einem auf die unschuldigste Weise von der Welt die allerschönsten Grobheiten ins Gesicht, als wenn sie's gedruckt hätte und dafür wirklich bezahlt würde! - Und damit der ganzen Geschichte am Ende die Krone aufgesetzt würde, spuckt sie einem zu guter Letzt am Ende solcher Unterhaltung noch quasi ins Gesicht. Ganz gehorsamster Diener, die könnte mich denn doch ganz sonderbar gerne haben! - Meine liebe W., bei und durch solche unterhaltende Raritäten wird's wohl mit dem Verliebtsein von meiner scharf geputzten Seite seine wohlgeweisten Wege haben, und mir wird nicht viel anderes zu tun übrigbleiben, als Sie für die Zukunft höflichst zu ersuchen, mich mit derlei äußerst anzüglichen Gesprächsunterhaltungen ein wenig liebreich gütigst verschonen zu wollen. Für diesmal aber leben Sie wohl amen. -



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