Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 2


04] da zuckt herab ein heller Schatten

zur Bahre hin im Mondesstrahl.
Denn eh' den Leichnam sie bestatten,
will er ihn sehn zum letzten mal.

05] »So hab' ich dich«, spricht er,

»verlassen, hab wie ein Kleid dich abgelegt.
Ich kann noch kaum die Wonne fassen,
in der mein Sein sich nun bewegt.

06] Ich, nun ein freies, rein'res Wesen,

bin leicht beflügelt, hell und klar.
Ein neu Gewand ist mir erlesen,
viel hehrer als dies alte war.

07] O Tod! - wie doch so sanft gelinde

hast du im Schlummer mich entrückt!
O wie ich mich nun seligst finde
und über jeglich Maß entzückt!

08] Wie macht mich der Gedank' nun bangen,

daß nur auf eine kleine Rast
der Leib wich wieder könnt' umfangen
mit seiner schweren, toten Last!

09] Wie zogst du mich zu toten Freuden,

o Leib, oft wider Willen hin!
Wie mußte drum mit dir ich leiden
für schlechten Lohn, für Tod's Gewinn!

10] Doch fühl ich jetzt ein Mitleidsbeben

und muß hier einen Dank dir weihn;
war nacht auch unser ein'ges Leben,
so konnt' ich doch ohn' dich nicht sein!

11] Du gabst mir wohl auch manche Wonnen,

so sie, die nun der Schlaf umhüllt,
des Hauptes seelenvolle Sonnen, (d.h. die Augen des Leibes)
entzückete der Schönheit Bild.



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