Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


05] Was würdet ihr wohl dazu sagen, wenn Ich diese vier toten Dinge beleben möchte und daraus dann entstünden lebende Schneckenhäuser, sich fortpflanzende Dornen, herumhüpfende Puppen und herumfliegende Vogelnester!?

06] Sagt, würde das euch nicht vorkommen, wie ein fahrender Wagen, der sich da fortbewegt, aber statt daß ihn lebendige Pferde zögen, schleppt er hinter sich zwei tote Pferde!? - Oder was würdet ihr sagen, so ihr einen Baum antreffen möchtet, der da mit dem Gipfel in der Erde steckte und seine Wurzeln in die Lust reichete - und statt daß er Früchte trüge, hingen an den Wurzeln ausgedörrte Dornen!? - Oder was würdet ihr sagen, so ihr einen Koch antreffen würdet, der seine Töpfe, statt mit den Speisen, mit mattglühenden Kohlen anfüllte und an Stelle des Feuers aber allerlei eßbare Dinge aufhäufte!? - Oder was möchtet ihr sagen, wenn beim Bau einer Brücke über ein Wasser die Bauleute die Jochstöcke nach aufwärts richten, den Steig der Brücke aber ins Wasser legen würden!?

07] Seht, liebe Kinder, wie alle diese euch vorgeführten Verkehrtheiten - geradeso verhalten sich eure heutigen vier Fragedinge, welche, wenn Ich sie beleben würde, für euer Herz sich nicht viel besser ausnehmen würden als der erwähnte Wagen, Baum, Koch und die Brücke unter dem Wasser.

08] Aber da ihr diese Dinge nun einmal zum Vorschein gebracht habt, so will Ich denn für euch dessenungeachtet noch etwas daraus machen und euch zeigen, warum ihr für diesmal keinen besseren Griff gemacht habt.

09] Nun seht, was Ich für »rare Dinge« für euch daraus machen werde! - Werden diese Dinge euch auch ein wenig sonderbar vorkommen, so denkt, daß Ich für diesen gegenwärtigen Augenblick nichts anderes daraus habe zuwegebringen können, das euch mehr frommen möchte.

10] Seht, aus dem »Schneckenhause« habe Ich euch auf eine künstliche Weise ein recht niedliches Spiegelchen gemacht! - In diesem Spiegelchen sollte sich die Fragestellerin des Tages öfter besehen, und sie wird nach und nach darinnen erkennen, daß ein Mensch, der nur nach eitlen, weltlichen Dingen trachtet, gar wohl gleicht einem solchen leeren Schneckenhause, das da seinen lebendigen Einwohner aufgezehrt und verloren hat, weil eben dieser innere Einwohner sich selbst in das tote, starre Haus (gewisserart sich selbst verzehrend) eingebaut hat. - Oder, damit ihr es leichter versteht, so sage Ich, daß sich die lebendige Schnecke so nach und nach selbst zum Gehäuse gemacht hat; da nun aber das Gehäuse auf diese Art zu groß und schwer geworden ist und der lebendige Rest der Schnecke nicht mehr aus dem zu sehr vergrößerten Hause reichen konnte, die knapp herausreichenden Teile auch nicht mehr die Kraft besaßen, sich nach irgendeinem Nahrungsplatze weiterzubewegen, so schrumpfte endlich auch noch das wenige Leben bis auf den Grund des Gehäuses zurück und verzehrte sich endlich selbst - d.h. es zog sich, modernd, bis auf einen Punkt zusammen, welcher, als gänzlich erstorbenes Leben, sich an das tote Gehäuse anklebte.



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