Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


03] Und wenn er darauf einer ganzen blinden Menge mit aller Beredsamkeit predigt, wie genau er das Ziel getroffen habe, so werden einige, die noch viel blinder als er sind, sich außerordentlich beifällig zu wundern anfangen, daß er mit solcher Sicherheit das Ziel getroffen habe, und werden sagen: »Das wäre uns Sterblichen allen unmöglich gewesen, indem wir alle blind sind.« - Er aber wird großtuend erwidern: »Ja, mir ist es gelungen!«

04] Doch die weniger Blinden, die werden freilich sich nach und nach in die Ohren zu raunen anfangen und werden sagen: »Ist denn nicht der Schütze auch blind? Woher dieser sichere Schuß? Hätte er nicht auch ebenso gut einen nebenstehenden Baum treffen können wie das vorgesteckte Ziel?«

05] (Angenommen) bei dieser Operation wäre aber auch ein Sehender zugegen und würde sagen: »Hört Freunde! Ich bin einer, der gesunde Augen hat, und sehe so gut in der Nähe wie in die Ferne.« - Die Blinden aber würden ihm erwidern: »Was geht das uns an, wenn du siehst, so wir doch blind sind? Und so können wir dir ebensowenig glauben wie dem Blinden, da wir uns wirklich nicht überzeugen können, ob du siehst.« - Der Sehende aber würde dann sagen: »So ihr auch nicht seht, so kann ich euch doch begreiflich machen, daß ich sehe, und zwar auf folgende Weise: Mache jemand von euch irgendeine Bewegung mit seiner Hand, mit seinem Fuße oder mit seinem Kopfe, und so ich euch sage, wie ihr euch bewegt habt, so glaubt es mir, daß ich sehe.« - Und die Blinden sprächen zu ihm: »So du das könntest, so möchten wir ja glauben, daß du sehst und uns auch sagen könntest, wohin der Pfeil dieses (samt uns) blinden Schützen geflogen ist.« - Das tät der Sehende denn auch. - Dann aber würde er sagen: »Seht, der Schütze war mit seinem Rücken, statt an einen Baum, gerade an das Ziel gelehnt, als er den Pfeil losschoß, aus welcher Ursache der Pfeil unmöglich ans Ziel gelangen konnte.«

06] Nun seht, was würde nun daraus entstehen? Meint ihr, die Blinden würden ihm glauben? - Ja, sage Ich, sie würden ihm glauben, insoweit sie es mit den Händen greifen könnten. Da aber auch der Schütze sich gar gewaltig auflehnen würde für seine Ehre, so würden sich die Blinderen an die Beredsamkeit des Schützen halten, und die anderen würden in ihrem Glauben immer in einem Flut und Ebbe ähnlichen Schwanken sein und würden sagen: »Ja, es ist wahr, unsere Bewegungen hat er uns wohl richtig gesagt, aber wer steht dafür, daß er uns auch das andere richtig sagt, worin wir uns nicht überzeugen können, ob es so ist, wie er es uns sagt?«



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