Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Supplemente S. 303


01] Nun eben an den Fluß Jordan, wo Johannes die allerstrengsten Werke der Buße predigte, mußte Er sich hinbegeben gleich also, als wäre Er einer unter den vielen Sündern. Und so hat Jesus als der ewige reinste Gottmensch Sich Selbst gewisserart so gedemütigt, daß Er daselbst unter die Scharen der Sünder trat und Sich ihnen gleich die Taufe der Buße geben ließ. Was geschieht aber nun bei dieser Seiner ersten größten Demütigung? Der Geist Gottes kommt sichtbar über Ihn, d. h. die Liebe Gottes, des ewigen Vaters, nimmt nun volle Wohnung im Menschen Jesus und spricht sich auch bei dieser Handlung jedermann vernehmlich aus, indem Sie von Oben die Worte zu jedermanns Ohren sendet: Dieser Mensch, Jesus, ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe, d. h. mit welchem Ich Mich jetzt auf ewig unzertrennlich in Eins verbinde. - Diesem Menschen Jesus sollt ihr von nun an folgen und hören Sein Wort! Seht, hier ist Jesus Eins mit dem Vater, so zwar, daß es zwischen Ihm und dem Vater keinen Unterschied mehr gibt. Dieses »vollkommen eins« ist nun ja doch unmöglich etwas anderes als die Liebe, nicht aber irgendeine Zerstreuung. Denn die Liebe ist eine Vereinigung, welche hier für jedermann sichtbar geschieht und kann nimmer eine Zerstreuung sein, in welcher ewig nimmer die Erinnerung denkbar ist.

02] Wenn es denn nun heißt: Jesus wurde vom Geiste in die Wüste geführt, so wird das etwa doch so viel heißen als: Er wurde von der allerhöchsten Liebe aus Sich Selbst getrieben in die öde, wüste Welt der Menschen hinausgeführt. Wenn es da heißt: Damit Er versucht würde vom Satan, so ist das ja doch mit der Voraussetzung der Liebe überaus leicht zu verstehen und heißt mit anderen Worten nichts anderes als - daß diese ewige unendliche Liebe selbst das allerverworfenste aus Sich nicht ausschließt, sondern sie stellt Sich ihm dar, damit auch dieses erkennen möchte, daß in Gott - seiner grundirrigen Idee zufolge, nicht die allerhöchste Hoffart, sondern nur die allerhöchste Demut wohnt.

03] Wodurch aber konnte eben die ewige Liebe dem Satan zeigen, daß in Ihr die höchste Demut zu Hause ist? Diese Frage beantwortet sich von selbst, so ihr die dem Teufel zugelassenen drei Versuchungen nur einigermaßen mit dem geistigen aufmerksamen Auge beleuchtet. Aus Liebe fastet der Gottmensch und läßt über Sich selbst einen großen Hunger kommen und zeigt dann bei der ersten Versuchung, daß die wahre Liebe auch bei dem größten eigenen Bedürfnisse sich noch gar wohl verleugnen kann. Es ist ihr jegliches Wort der Liebe für die Erhaltung aller geschaffenen Wesen mehr denn die eigene Sättigung selbst. Darum ist auch in der Antwort gezeigt: Der Mensch lebt nicht nur vom Brote, sondern vielmehr von jeglichem Worte aus dem Munde der Liebe Gottes. Wer wird hier verkennen, was der Geist Gottes seinem Gegner und Abtrünnigen auf das allerfaßlichste vorstellt, da Er ihm den Weg zur Umkehr zeigt und ihm sagt im Geiste: Siehe, dahier ist auch der Platz für dich, nehme auf die Liebe aus Mir und lasse fahren das harte steinige Brot der Welt, so wirst auch du leben.



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