Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 208. Kapitel: Besprechung über Zugvögel.

01] Auf diese unsere ganz natürliche Besprechung kamen auch unsere Griechen mit dem Arzt aus Melite und alle, die hier anwesend waren, und erfreuten sich des schönen, wenn in dieser Zeit auch oft kühler gewordenen Morgens.

02] Der auch noch gleichfort anwesende Wirt von Jesaira und die uns bekannten Bootsmänner besichtigten das gedeckte Schiff, das beim nächtlichen Sturm die nun noch in ihrer Hütte ruhenden Herodianer an unser Ufer brachte, und verwunderten sich höchlich, wie dieses schon ziemlich alte und durchaus nicht zu fest gebaute Schiff samt den andern vieren nicht auch untergegangen sei

03] Und der eine Bootsmann sagte zu dem Wirte: »Freund, dort am Ufer weilt der Retter! Dies Schiff könnte noch zehnmal elender sein, als es ist, und des Herrn Wille hätte es gewiß dennoch gerettet!«

04] Der Wirt belobte den Bootsmann und gab ihm recht.

05] Kisjona aber fragte den Raphael, was es zu bedeuten habe, daß sich in diesem Herbste gar so viele Wasservögel zumeist an den Ufern eingefunden hätten, und darunter einige Gattungen, die man sonst nur äußerst selten in geringer Anzahl an Galiläas Meer wahrgenommen habe.

06] Sagte Raphael: »Freund, das hat weiter gar nichts zu bedeuten, als das, daß zur Zeit ihrer Auswanderung aus den großen Seen und Meeren des hohen Nordens ein ganz anderer als der zu jener Zeit gewöhnliche Wind wehte; und dieser für die Auswanderzeit dieser Vögel ungewöhnliche Wind trägt die Schuld, daß nun dieses Meer mit diesen Tieren reichlicher bevölkert ist denn sonst. Und eine weitere ganz natürliche Folge dieser Erscheinung wird die sein, daß der diesjährige Winter ein ganz gelinder werden wird, sonst wären diese Vogel wohl weiter gegen den Mittag hin gezogen und hätten sich ihre Winterwohnstätte dort aufgesucht. Es liegt also in dieser ganz natürlichen Erscheinung auch ganz und gar nichts irgend Besonderes und Beachtenswertes.

07] Die an diesem Meere häufig wohnenden Griechen, die sich auf den Fang dieser Vögel ganz gut verstehen, werden ihre große Anzahl schon lüften, denn diese Vögel sind für sie wahre Leckerbissen, und sie können auch ihr Gefieder sehr gut gebrauchen und es verwerten. Und da hast du, Freund, nun aber auch schon alles, was diese Vögel betrifft!«

08] Sagte Kisjona: »Dürften denn wir Juden nicht auch Jagd auf diese Vögel machen und, gleich den Griechen, sie uns zunutze machen?«

09] Sagte Raphael: »O ja, so ihr sie zu fangen und dann als eine Leckerspeise zu bereiten verständet! Aber da ihr der ganz reinen Speisen aller Art noch in einer großen Menge besitzt und euch damit sättigen könnt, so laßt bis zu einer Zeit der Not diese wilden Vögel, gleichwie auch die Schweine, Hasen, Gazellen, Hirsche und noch mehr anderes Wild, nur die ärmeren Griechen für ihre Tische fangen und zum Genusse zubereiten!«

10] Mit dem war unser Kisjona ganz vollkommen zufrieden und verlor die Sehnsucht, derlei Vögel für sich zu fangen.

11] Als sich all die Anwesenden noch bald über dies und jenes besprachen, da kamen auch unsere Joppeer zu uns ans Ufer, drangen zu Mir hin, verbeugten sich tief vor Mir und dankten Mir mit hoch aufgehobenen Händen für die gestrige Heilung und für die nie erwartet freundliche Aufnahme und Bewirtung.

12] Ich aber sagte zu ihnen: »Ihr tut wohl, daß ihr Mir darum danket; doch für die Folge danket Mir ohne äußere Gebärden nur allein im Herzen, und lebt und handelt stets nach Meiner Lehre, und es wird Mir das angenehmer sein als das tiefe Verbeugen, Aufheben der Hände und die vielen lauten Worte! Habt ihr alle das wohl verstanden?«

13] Sagte der Fischer, der in Cypern geboren war: »O Herr und Meister voll göttlicher Kraft, Macht und Weisheit, wir haben Deinen wahren und weisen Rat nun durch Deine Liebe und Gnade wohlverstanden, in unserem Gemüte als Gottesrat angenommen und werden in der Folge auch danach handeln; doch eine Bemerkung erlaube mir, o Herr und Meister, zu unserer Entschuldigung Dir vorzutragen!«

14] Sagte Ich: »Also rede und entäußere dich!«

15] Sagte der Fischer: »Es ist mehr als wahr, daß ein Mensch, der an Dich, so wie wir, lebendig glaubt, daß Du - obschon als ein uns sichtbarer Mensch mit Fleisch angetan - doch mit dem ewigen Gottgeiste vollkommen ein Wesen und eine und dieselbe Persönlichkeit bist, Dich nur ganz ohne äußere Gebärden bitten und Dir danken kann in der innersten Stille seines Gemüts und Herzens, und Du wirst seine Bitte wohl vernehmen und auch erhören und an dem stillen, aber geistlebendig wahren Dank Dein Wohlgefallen haben. Aber siehe, wir Menschen sind schon von Kindheit an gewohnt, unsere Bitten und Danksagungen auch mit äußeren Gebärden zu begleiten, um den Menschen, die wir um etwas bitten oder denen wir für eine empfangene Guttat danken, der altüblichen Sitte gemäß das auch äußerlich ersichtlich zu machen, was wir in uns lebendig und wahr fühlen.

16] So wir aber gar oft genötigt sind, vor den Menschen, die doch unseresgleichen sind, unsere Knie zu beugen, so glaube ich, daß es sich noch um unaussprechbar vieles mehr schickt, vor dem Herrn von Ewigkeit unsere Knie und unseren ganzen Leib zu beugen; denn es ist ja auch unser Leib nur Sein Werk und ist der Träger der lebendigen Seele, die, so sie zu sehr den Begierden ihres Fleischleibes frönt, verdorben werden kann. So sie aber den Leib ihren hohen inneren, geistigen Bestrebungen anpaßt und ihn mit sich in ihr Geistiges verkehrt, da kann sie dadurch ja doch nicht leichtmöglich irgendeinen Verstoß gegen Deine Ordnung, die da ist die Macht und Kraft Deines ewigen Gottwillens, machen und Dir darum irgend unwohlgefällig werden?«



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