Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 97. Kapitel: Jesus in der Herberge zu Kana.

01] Der Weg von dem nun schon sehr bekannten Markte war ein noch sehr gestreckter. Ein guter Fußgänger hätte ihn kaum in einem vollen Tage zurückgelegt; wir aber benötigten, nach unserer oft stark wunderbaren Art zu reisen, nur drei Stunden dazu. Wir kamen denn gen Abend in Kana an und nahmen Herberge beim selben Wirte, bei dem Ich bei Gelegenheit einer Hochzeit auf die Aufforderung Meiner Gebärerin Maria zum ersten Mal offen das Wasser in Wein verwandelt habe.

02] Als der Wirt Meiner ansichtig ward, war er beinahe außer sich vor Freude und gab Mir einen ordentlichen Verweis darob, daß Ich Mich bei ihm schon so lange nicht wieder habe sehen lassen.

03] Ich aber sagte zu ihm: »Weil es mit und bei euch allen, die ihr hier zu Hause seid, keine Not gehabt hat, so kam Ich denn auch nicht in diese Gegend; nun ist aber bei euch eine kleine Not eingetreten, und so kam Ich zur rechten Zeit, um euch allen zu helfen.«

04] Sagte der Wirt: »O du lieber Herr und Meister, die Not dauert bei mir schon über ein Jahr fort, und ich habe mich schon mehrere Male teils im Herzen an Dich gewendet, und teils habe ich mich bei Deinen Brüdern und bei Deiner gegenwärtig zumeist in Kis weilenden Mutter angelegentlichst nach Dir erkundigt; aber Du schienst die frommen Wünsche meines Herzens nicht zu vernehmen, und von Deinem irgendwoigen Aufenthalte war auch nichts zu vernehmen, und so mußte ich die große Not meines Hauses im Namen des allmächtigen Gottes denn bisher ruhig ertragen. Ich weiß zwar nicht um den Grund, warum ich von Gott dem Herrn so hart heimgesucht worden bin; aber nun bitte ich Dich, daß Du, lieber, guter Heiland, mir helfen möchtest.

05] Das Weib ist von der Gicht geplagt, und die Kinder leiden an bösen Fiebern, und zwei meiner besten und treuesten Knechte liegen am bösen Aussatz schon über ein halbes Jahr danieder, und ich muß meine Wirtschaft zum größten Teil um einen teuren Lohn von fremden Arbeitern bestellen lassen. Und das wird doch eine Not sein, besonders da ich selbst auch nicht mehr zu den gesunden Menschen zu zählen bin!

06] O Du liebster Herr und Meister, seitdem, als du bei einer hier gefeierten Hochzeit ein erstes Zeichen auf Verlangen Deiner Mutter gewirkt hast, ist es in meinem Hause so groß anders geworden! Wenn Du mir nicht helfen wolltest, so gehe ich in Kürze geistig und auch diesirdisch zugrunde!«

07] Sagte Ich: »Das wußte Ich wohl, daß bei dir die Not groß geworden ist, und da Ich dein oftmaliges Flehen um Abhilfe wohl vernommen habe, so kam Ich denn nun auch, wo bei dir die Not einen sehr hohen Grad erreicht hat, um dir die rechte Hilfe zu bringen. Ich hätte auch schon früher zu dir kommen können, aber da fehlte es dir noch sehr am lebendigen Glauben und Vertrauen; als du aber nach Kis zu Kisjonah kamst, da erst bekamst du ein rechtes Licht über Mich und gelangtest auch zum rechten Glauben und Vertrauen auf Mich, und also kam Ich denn auch, um dir alle Hilfe zu bringen. Und so will Ich denn nun, daß da alles, was in deinem Hause krank ist, samt dir so gesund sein soll, als hätte nie jemandem je etwas gefehlt. Gehe nun hin zu allen deinen Kranken, und sage es ihnen!«

08] Da eilte der Wirt zu allen und fand sie alle völlig gesund also, daß sie sich von ihren Lagern aufrichteten, frische Kleider anzogen, zu Mir kamen und Mir dankten.

09] Da es aber schon sehr stark abenddämmerlich geworden war, so sagte Ich zum vor Freude weinenden Wirte: »Da Deine Hausnot nun beseitigt ist und Ich diese Nacht in deinem Hause bleiben werde, so seht nun, daß Ich und Meine Jünger ein Nachtmahl bekommen. Laß uns Fische bereiten und dann etwas Brot und Wein auf den Tisch setzen!«

10] Als der Wirt solchen Meinen Wunsch vernommen hatte, da ward alles in die freudigste Bewegung gesetzt, um Meinem Wunsche zu entsprechen. Es dauerte kaum eine volle Stunde Zeit, so war das Nachtmahl auch schon bereit, ward auf den Tisch gebracht, und Ich sagte zum Wirte: »Siehe, dort ist noch ein Tisch! Laß nun alle Geheilten sich zu jenem Tische setzen, und sie sollen das essen, was wir essen, jeglicher nach seinem Bedarfe, und sollen auch den Wein trinken und das Brot essen, auf daß sie wieder recht kräftig werden!«

11] Als Ich das gesagt hatte, da fielen alle die Geheilten vor Mir auf ihre Knie nieder und sagten: »O Herr, wir sind solch einer Gnade nicht würdig! Daher möchten wir lieber in unserer Stube ein mäßiges Nachtmahl zu uns nehmen an unserem alten Dienstbotentische; aber nicht unser, sondern nur Dein allein heiliger Wille geschehe!«

12] Sagte Ich: »Hört, eure gerechte Demut und Bescheidenheit gefällt Mir und frommt eurer Seele; aber dessenungeachtet bleibt ihr hier! Denn ihr habt viel mit Geduld und mit voller Ergebung in den Willen Gottes gelitten und habt euch dadurch als wahre Helden im Glauben und Vertrauen auf Gott erwiesen und seid darum denn auch würdig, als Begnadigte des Herrn in Seiner nächsten Nähe euch zu stärken; und so setzt euch nun nur ganz wohlgemut an jenen Tisch, und esst und trinket, was euch aufgesetzt wird auf den Tisch!«

13] Als die Geheilten, mit Ausnahme des Weibes, das in der Küche beschäftigt war, das von Mir vernommen hatten, da erhoben sie sich voll Ehrfurcht vom Boden, dankten Mir und begaben sich ruhig an ihren Tisch, der so wie der unsrige schon mit Speisen, Wein und Brot recht wohl besetzt war. Wir fingen denn darauf auch gleich an, zu essen und den recht reinen und guten Wein zu trinken, und also taten auch die Geheilten.

14] Wir aßen und tranken nun ganz wohlgemut, und Meine Jünger gaben recht vieles der wahrlich recht frommen Gesellschaft zum besten, was wir alles auf unseren Kreuz- und Querzügen erlebt hatten. Das vergnügte unsere kleine Gesellschaft außerordentlich, und es ward dabei viel Gemütliches (Gemütsansprechendes) von beiden Seiten gesprochen, und ebenso ward dabei auch viel geweint.

15] Aber das gewisserart Bemerkenswerte war das, daß unser nur schon zu bekannter Judas Ischariot auf einmal ganz bedeutende Gegenbemerkungen zu machen anfing.



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