Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 33. Kapitel: Jesus erweckt den toten Jüngling zu Nahim zum Leben.

01] Als Ich die Lehre an sie beendet hatte, machten wir uns gleich auf die Weiterreise, da die Sonne schon dem Abend sich zu nahen begann. In einer Stunde erreichten wir Nahim. Es versteht sich aber leicht von selbst, daß uns die über alles erstaunten und zu Meiner Lehre völlig bekehrten Griechen bis nach Nahim begleiteten und wir somit eine recht zahlreiche Karawane bildeten.

02] Nota bene: Hier kommt eine Begebenheit vor, die eine große Ähnlichkeit mit jener hat, die sich im ersten Lehrjahre zu Nain in Galiläa zugetragen hatte, die folgende aber trug sich in Nahim in Judäa zu, - daher die beiden sich ähnlich sehenden Begebenheiten nicht miteinander zu verwechseln sind. -

03] Als wir sonach in großer Anzahl vor das Tor des Städtchens kamen, da trugen die Leichnamsträger in Begleitung der Trauernden einen verstorbenen Jüngling als den einzigen Sohn einer Witwe zum Grabe; die Witwe aber weinte gar sehr um ihren einzigen Sohn. Als der Leichenzug in unsere Nähe kam, da hielt er an, bis wir vorüberzögen.

04] Ich aber trat zur Witwe, tröstete sie und befragte sie auch, wie lange ihr Sohn schon tot sei.

05] Die Witwe aber antwortete: »Herr! Ich kenne dich nicht, wer du bist; aber deine Trostworte haben sehr gelindert meinen Schmerz! Wer hat es dir aber nun hinterbracht, daß der Verstorbene mein Sohn sei?«

06] Sagte Ich: »Das weiß Ich von Mir Selbst und habe nicht nötig, daß Mir das jemand verkünde.«

07] Sagte die Witwe: »Weißt du, daß der Verstorbene mein Sohn ist, so wirst du auch wissen, wie lange er tot ist!«

08] Sagte Ich: »Weib, du hast richtig geurteilt; denn Ich weiß es auch, daß dieser dein Sohn vor drei Tagen an einem hitzigen Fieber verstorben ist. Aber so du Vertrauen hättest, da könnte Ich dir deinen Sohn wieder beleben und ihn dir wiedergeben!«

09] Sagte die Witwe: »O Herr! Deine Rede erquickt wohl gar sehr mein Herz, doch einen Toten kann und wird nur Gott nach Seiner Verheißung am Jüngsten Tage wiederbeleben! Oder bist du ein großer Prophet, erfüllt mit dem Geiste Gottes, daß du mit dessen Allgewalt auch einen Toten lebendig machen kannst?«

10] Sagte Ich: »Das wirst du schon noch erfahren in dieser Nacht, da Ich in deiner Herberge verbleiben werde; nun aber öffnet den Sarg, und Ich will den Jüngling beleben und ihn der traurigen Mutter wiedergeben!«

11] Auf das öffneten die Träger den Sarg, und Ich trat hinzu, nahm den Jüngling bei der Hand und sagte: »Jüngling! Ich will es, stehe auf, und wandle mit deiner Mutter nach Hause!«

12] Auf diese Meine Worte erhob sich der Jüngling im Sarge, und als man die Tücher, mit denen die Juden ihre Toten umwanden, ablöste, da stieg er auch sogleich aus dem Sarge ganz kräftig und gesund, und Ich gab ihn der über alle Maßen erstaunten Mutter.

13] Dieses Zeichen aber bewirkte bei allen Anwesenden - selbst Meine alten Jünger nicht ausgenommen - ein ordentliches Entsetzen, so daß einige die Flucht ergriffen und andere vor lauter Staunen ganz stumm dastanden und sich nicht ein Wort zu reden getrauten.

14] Ich aber behieß die Träger, den leeren Sarg hinwegzutragen, auf daß nun Mutter und Sohn ganz heiteren Gemütes Mir danken konnten für die ihnen erwiesene Gnade. Und die Träger taten voll der höchsten Ehrfurcht, was Ich ihnen befohlen hatte.

15] Als der Sarg hinweggeschafft war und dadurch auch die Erinnerung an den Tod, da erst fingen zuerst die uns bis hierher geleitet habenden Griechen von neuem an, Mich hoch zu loben und zu preisen, und sagten laut: »Das kann kein Mensch bewirken, sondern nur ein Gott!«

16] Die Juden aber sagten: »Ja, ja, nur Gott sind solche Dinge möglich! Doch Gott ist ein purer Geist, und es kann Ihn niemand sehen und daneben behalten das Leben; diesen Menschen aber sehen wir, und der Tod bleibt ferne, und so ist dieser Mensch wohl sicher ein neu auferweckter großer Prophet voll Geistes aus Gott; aber darum ist er selbst dennoch kein Gott!«

17] Sagten die Griechen: »Ihr wisset, was ihr wisset; aber wir wissen auch, was wir wissen! So ihr wohl sagt, daß solches nur Gott allein möglich sei und ein solcher Mensch solche Taten nur darum bewirken kann, weil er mit dem Geiste Gottes erfüllt ist, so gesteht ihr es ja selbst, daß der Geist Gottes in Ihm unmöglich etwas anderes ist als eben Gott Selbst! Wenn wir nun Ihn als einen wahren Gott loben und preisen, so sind wir sehr näher an der Quelle der großen Wahrheit, aus der alles Licht und Leben kommt, denn ihr Juden, die ihr Den nicht für einen wahrsten Gott haltet, der da sagt: "Ich will es!" und nicht: "Der Geist Gottes in Mir will es!", und es geschieht dann alsogleich, was Er mit dem Munde ausspricht und will!

18] Wir sind Heiden gewesen noch vor ein paar Stunden Zeit, und dieser Gottmensch kam zu uns und hat meine blindgeborene Tochter Achaia mit einem Wort sehend gemacht und ebenso auch unsern Götzentempel in einem Augenblick derart vernichtet, daß von ihm aber auch nicht eine leiseste Spur übrigblieb und man gar die Stelle nicht mehr erkennt, wo er gestanden ist, und Er tat solches alles bloß aus Sich, also aus Seiner höchsteigenen göttlichen Machtvollkommenheit. Wenn Er aber also wirkt und handelt, so muß Er auch Selbst ein wahrster Gott sein und braucht keinen noch höheren und wahreren Gott zu bitten, daß Er Ihm helfe, eine Wundertat zu bewerkstelligen; denn Er Selbst ist schon der höchste und wahrste Gott!

19] So denken und urteilen nun wir Heiden, und Er wird uns auch aus Sich geben das wahre, ewige Leben, wie Er nun auch diesem Jüngling das irdische Leben aus Sich wiedergegeben hat, so wir leben und handeln werden nach Seiner Lehre und treu Seinen Willen erfüllen; denn Er selbst ist der Urquell alles Seins und Lebens!«



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