Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 191. Kapitel: Flugprobe (Levitation) eines Griechen durch Jesu Macht.

01] Als Ich solches gesagt hatte, da wurden alle Anwesenden still und richteten ihre Augen nach dem Aufgange; nur der alte Diener des Kado hatte seine Augen unverwandt nach Mir gewandt und sah nur Mich an und kümmerte sich nicht um den Aufgang der Weltsonne.

02] Das bemerkte Kado, und er fragte in der Stille den alten Diener: »Warum kehrest denn du dein Gesicht nun nicht nach dem Rate des Herrn und Meisters von Ewigkeit nach dem Aufgange?«

03] Sagte der alte Diener: »Weil der Herr und Meister von Ewigkeit für mich eine endlos größere und heiligere Lebenssonne ist denn jene dort im fernen Osten, die ich ohnehin schon gar oft auf- und untergehen gesehen habe und sie hoffentlich noch mehrere Male sehen werde. Die Weltsonne wird für mich bald völlig für immer untergehen; doch diese heiligste Sonne wird, da sie für uns nun einmal so wunderbar aufgegangen ist, unseren Seelen leuchten für ewig wie am hellsten Mittage und wird nimmerdar untergehen. Wehe aber denen, für welche diese Sonne untergehen wird! Die werden lange auf einen wiederkehrenden Aufgang zu warten bekommen! Und siehe, darum sehe ich lieber nun diese lebendige und heiligste Sonne mir an denn jene Weltsonne im fernen Osten, die Sein Werk ist gleich wie diese Erde und alles, was in, auf und über ihr ist!«

04] Als Kado von seinem alten Diener solches vernommen hatte, lobte er ihn und kehrte sein Gesicht auch nach Mir und achtete nicht der soeben aufgehenden Sonne.

05] Es war aber diesmal der Aufgang besonders herrlich, weil der Horizont sehr rein war; nur gen Abend hin schwebten leichte Lämmerwölkchen in der hohen Luft und belebten das Blau des Firmaments. Auch kamen verschiedene Wandervögel aus dem Norden, hoch in der Luft über uns hinwegfliegend, und richteten ihre Fluglinie nach Südwest und vermieden die Gegend des Toten Meeres. Und es war somit der Morgen ein recht heiterer und belebter, und alle Anwesenden wurden darob frohen und heiteren Mutes und lobten Mich, daß Ich ihnen einen so schönen Morgen gegeben habe.

06] Als die Sonne sich aber schon einige Spannen hoch über dem Horizonte befand, da fragte Mich der Wirt, sagend: »O Herr und Meister, da Dir alle Dinge in und auf und über der Erde wohlbekannt sind, so wird es Dir auch bekannt sein, wohin die Sonne in der Nacht sich verbirgt, und von woher sie am Morgen kommt. Nach unserer sehr fabelhaften Lehre soll sie ins Meer untersinken und am Morgen wieder auf der entgegengesetzten Seite aus dem großen Meere, auf dem der Erdkreis schwimme, emporsteigen. Für das Gesicht hat es wohl also den Schein, doch der Wahrheit nach wird sich diese Sache sicher ganz anders verhalten.«

07] Sagte Ich: »Ganz gewiß sehr anders, - doch es ist nun die Zeit nicht, euch das als für euch wohlbegreiflich zu erklären! Aber es werden bald etliche Essäer zu euch kommen, die fragt darum, und sie werden euch das erklären, denn sie haben darin schon von alters her ganz richtige Kenntnisse. Nach ihnen aber werden auch Meine Jünger zu euch kommen und werden euch stärken in Meinem Namen. Dann wird Mein Geist eure Seelen erfüllen und euch in vielerlei Weisheit führen. Und so lassen wir nun das noch bis dahin!«

08] Mit dem war der Wirt auch wieder zufrieden und fragte Mich nicht weiter in dieser Angelegenheit.

09] Ein anderer Grieche, der uns auch nachgekommen war, betrachtete vor allem den Flug der Vögel und sagte dabei: »Oh, wie gut haben es doch diese Tiere! Schnell und leicht fliegen sie durch die Luft in weite Fernen hin, wo sie ihre ihnen sicher zusagende Nahrung reichlichst finden. Nur der Mensch ist in dem, was die Bewegung anbelangt, am allerschlechtesten daran und muß sich, um bei einer weiteren Reise doch schneller vorwärtszukommen, der Füße der verschiedenen Tiere bedienen; denn mit seinen Füßen geht es immer nur langsam vorwärts. Hätte Gott ja doch auch dem Menschen so ein Flügelpaar gegeben, daß er den lieben Vögeln gleich in der Luft fortfliegen könnte, welch eine Seligkeit wäre das für den Menschen!«

10] Sagte Ich: »Danke du Gott, daß Er den Menschen keine Flügel zum Fliegen gegeben hat; denn könnte der Mensch auch noch fliegen, da wäre gar nichts mehr sicher vor ihm! Er würde mit solcher Fähigkeit die Erde in kurzer Zeit leicht noch ärger zurichten als ein ägyptisches Heuschreckenheer eine Wiese und ein Feld, auf das es sich hinwirft. Darum beneide du die Vögel nicht um ihre Flugfähigkeit, und wünsche diese den Menschen nicht! Für sie genügt die Bewegungsfähigkeit, die sie haben; denn sie kommen noch schnell genug weiter, um einander zu bekriegen. Nur so ein Mensch seinem Nächsten zu Hilfe kommen solle, da wäre es gut, daß er sich schneller bewege; aber bei solchen Gelegenheiten lassen sich die Menschen sehr Zeit und wünschen sich die Flugfähigkeit der Vögel nicht. Der Mensch aber kann mit seinem Verstande und freien Willen fliegen, und dieses geistige Fliegen ist mehr wert als das materielle der Vögel, - Bist du nicht auch dieser Meinung?«

11] Sagte der Grieche: »Allerdings, Herr und Meister; aber es mußte dem Propheten Elias doch sehr selig vorgekommen sein, als er im feurigen Wagen sich frei in die Luft erhob und den hohen Himmeln zuschwebte, - vorausgesetzt, daß sich das im Ernste also zugetragen hat, wie das in den Büchern der Juden zu lesen ist.«

12] Sagte Ich: »Ja ja, es hat sich das wohl also zugetragen vor den Augen seiner Jünger, doch die Bedeutung jenes seltenen Ereignisses ist eine tiefgeistige, die du nicht fassen kannst. So du aber schon eine so große Lust zum Fliegen hast, da glaube nun und wolle, und Ich werde es zulassen, daß du dich in die freie Luft wirst erheben können! So du aber in der Luft schweben wirst, da siehe, daß du das Gleichgewicht behältst, und daß dieses Morgenlüftchen nicht dir Meister wird!«

13] Als der Grieche das aus Meinem Munde vernahm, da glaubte und wollte er, und schnell erhob er sich mehrere Mannshöhen hoch in die freie Luft. Aber da er da keine Stützen hatte, so war auch der leichte Morgenwind gleich sein Meister und drehte ihn bald nach rechts und nach links und bald mit dem Kopfe nach abwärts und bald wieder nach aufwärts, und der Wind trug ihn so eine ziemliche Strecke vom Hügel hinweg, und er, der Grieche, schrie um Hilfe, da er sonst zugrunde gehe. Da wollte Ich, daß der Wind sich wieder dem Hügel zuwende; und so kam der fluglustige Grieche wieder über uns zu schweben.

14] Und Ich sagte zu ihm hinauf: »So glaube und wolle nun wieder auf die feste Erde herabgelangen, und es wird das geschehen, was du glaubst und willst!«

15] Und der Grieche glaubte und wollte und senkte sich gemach wieder zur Erde herab.

16] Als er sich wieder auf der festen Erde befand, da fragten ihn die andern, wie er sich in der Luft befunden habe.

17] Da sagte der Grieche: »Es steht in unseren alten Büchern geschrieben, daß die schwachen Menschen die Götter nicht versuchen sollen! Ich aber habe nun dennoch den schier (rein) wahren Gott versucht, und es geschah mir denn auch vollkommen recht, daß ich solch meinen Aberwitz in der Luft teuer gebüßt habe. Es ist für den Menschen, der nicht nach der Art der Vögel gebaut und die Luft nicht beherrschen kann, etwas Erschreckliches, so er jeder festen Stütze beraubt ist und der Wind zwischen ihm und einer Federflaume keinen Unterschied macht, wie ihr an mir das bemerkt habt. O Herr und Meister, ich danke Dir, daß Du mir wieder auf die liebe, feste Erde herabgeholfen hast! Es sollen die lieben Vögel sich in der Luft vergnügen, wie sie können und mögen; in mir wird nimmer eine Begierde danach erwachen, mich je mehr wieder einmal in der freien Luft zu befinden und mit den Vögeln das Vergnügen des Fliegens zu teilen. Bleiben wir daher nur auf dem festen Boden der Erde, der uns trägt und ernährt!«

18] Als der Grieche noch also seine Empfindungen seinen Gefährten erzählte, da fragten Mich einige Jünger, die Ich in Meinem ersten Lehrjahre auch einmal durch die Luft zu Mir auf den Berg bei Kis kommen ließ, wie es denn damals mit ihnen zugegangen sei, daß sie in der Luft aufrecht erhalten worden sind.

19] Sagte Ich: »Dort wirkte pur Mein Wille; da aber sagte Ich zum fluggierigen Griechen: "Glaube und wolle selbst, und es wird dir geschehen, wie du glaubst und willst!" Und seht, der Grieche glaubte ungezweifelt und wollte das auch ernstlichst, und so hat ihn sein Glaube und sein Wille und mehr Mein Wille in die Luft gehoben! Aber als er sich ohne Stütze frei in der Luft befand, so ward er alsbald ängstlich und gedachte nicht daran, daß er wieder durch seinen Glauben und Willen hätte zur Erde herabgelangen können, und da erst wollte Ich, daß ihn der Wind wieder hierher trüge, wo Ich ihm dann sagte, was er zu tun habe, um wieder zur Erde herabzugelangen. Er hätte sich aber durch den Glauben in der Luft schon auch aufrechterhalten und dem Winde auch gebieten können, wie das gewisse Menschen im tiefen und hohen Indien auch recht wohl vermögen in der Zeit ihrer besonderen Begeisterung; doch derlei hat keinen Wert für die Seele des Menschen.

20] Daß aber ein Mensch von einem starken und ungezweifelten Glauben und festesten Willen alles bewirken kann, sogar Berge versetzen, das habe Ich euch schon zu öfteren Malen gesagt und gezeigt, und so wird diese Erscheinung für euch wohl nichts Neues und Fremdes gewesen sein. Das Beste aber, was hier während des Aufganges der Sonne von den Griechen geredet worden ist, war die Rede des alten Dieners des Kado, und Ich werde ihn darum erwecken, und er soll ehest ein tüchtiger Arbeiter in Meinem Weinberge werden.«

21] Als Meine Jünger dieses von Mir vernommen hatten, gaben sie sich zufrieden und fragten auf dem Hügel um nichts Weiteres mehr.

22] Es kam aber darauf ein Diener der Herberge und lud uns zum schon bereiteten Morgenmahle; und wir verließen denn auch alsbald den Hügel, begaben uns in die Herberge und nahmen das Morgenmahl ein.

23] Es ward dabei noch so manches besprochen; Ich jedoch redete nicht viel, und das nur mit dem alten Diener des Kado, dem Ich nach dem Mahle die Hände auflegte und ihn stärkte und erweckte zu einem Jünger und Ausbreiter des Evangeliums. Sein Name war Apollon. Dieser wurde darauf bald Gründer einer Gemeinde, die seinen Namen annahm.

24] Wir begaben uns darauf auf die Weiterreise, nachdem Ich zuvor noch das ganze Haus nach der Bitte des Kado segnete und auch versprach, am dritten Tage wieder hier durchzureisen und mit ihnen zu reden.



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