Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 179. Kapitel: Traum des Dorfpriesters.

01] (Kado:) »Wir wollten uns, wie sonst, auch diesmal nach dem Mahle gleich zur Ruhe begeben, aber es ging das diesmal nicht so ganz nach unserem Sinne; denn es kamen einige aus dem Dorfe herauf und baten, mit mir zu reden. Darunter befand sich auch unser Dorfpriester, der einem kleinen Apollo- und Zeustempel diente und daneben auch die Tageszeiten, die Planeten, die Sternbilder und auch die Winde zu beobachten hatte, um daraus gewisse nötige Weissagungen zu machen.

02] Dieser Priester, auch schon ein ergrauter Mann, der nie je ein Weib und irgend Kinder hatte, weil er seinen Göttern die lebenslängliche Keuschheit geschworen hatte, auf daß sie ihn dafür mit der tiefen Weisheit in allen Dingen, denen er stets mit großem Eifer vorstand, begaben möchten, war der erste, der sogleich allerlei Fragen an mich richtete, natürlich in bezug auf die zweitmalige Erscheinung des Lichtwölkchens; denn die erstmalige war ihm nicht so ganz besonders aufgefallen, weil er der Meinung war, daß ich etwa das weiße Licht mittels des bekannten indischen Leuchtmaterials zustande gebracht hätte. Da er aber nun den Tag über mehrfach in die untrügliche Erfahrung gebracht hatte, wie das Lichtwölkchen über unser Turmhaus am Berge gekommen ist, so ließ ihn die heutige Erscheinung nicht ruhen und zog ihn zu mir auf den Berg und mit ihm denn auch noch einige erste Fischer und Uferaufseher.

03] Also bei mir angelangt, sagte er (der Dorfpriester): »Freund Kado, was hat es denn mit dem nun schon zum zweiten Male zur gleichen Zeit erschienenen Lichtwölkchen für eine Bewandtnis? Ich habe heute Verschiedenes hin und her reden hören, legte aber bei meiner vielfachen Erfahrung über allerlei Lichterzeugungen, die unsere alten Vorfahren gar gut zu machen imstande waren, kein großes Gewicht darauf. Aber weil sich die gestrige Erscheinung heute auf eine noch um vieles auffallendere Weise zur gleichen Zeit wiederholt hat, so ließ mich das nun nimmer ruhen, und ich bin darum heraufgekommen, um von dir selbst etwas Näheres darüber zu erfahren. Sei denn im Namen unseres Zeus und Apoll so gut und sage mir die Wahrheit, die dir hier schier bekannter sein wird als mir, weil die Erscheinung sich hauptsächlich dein Berghaus zu ihrer Manifestation auserkoren zu haben scheint!«

04] Darauf sagte ich zum Priester: »Siehe, da ist mein alter treuer Diener, der ist in diesen Dingen um vieles erfahrener denn ich; den frage, und er wird dir den besten Aufschluß zu geben imstande sein!«

05] Hierauf wandte sich der Priester fragend an den Diener, und dieser erzählte dem Priester alles mit großer Offenheit eine volle Stunde lang, was ihm bekannt war, und vergaß der höchst gewichtigen Worte nicht, die wir alle aus der Lichtwolke vernommen hatten.

06] Als unser alter Priester alles das mit wahrhaft großer Würdigung erfahren hatte, da sagte er: »Es ist das nun wahrhaft etwas höchst Seltenes und somit auch Allerdenkwürdigstes! (Es ist ohne Zweifel), daß die Götter einst mit den Menschen in einem innigeren Verbande und Verkehre gestanden sind als irgendwo in dieser Zeit, in der die Menschen sich von ihnen nahe gänzlich abgewandt haben, und selbst bei den wenigen, die noch einen Glauben haben, ist aber das dennoch kein wahrer lebendiger Glaube, sondern nur ein Gewohnheitsglaube, - und so ist es nun in dieser unserer gänzlich verdorbenen Welt und Zeit auch sicher unzweifelhaft wahr, daß die allzeit guten und weisen Götter sich wieder einmal der Menschen erbarmt haben das alle Weisen auf der ganzen Erde nimmer imstande gewesen wären, und sie wieder auf den rechten und wahren Lebensweg bringen werden, weil das alle Weisen auf der ganzen Erde nimmer imstande gewesen wären.

07] Aber nun muß ich bei dieser Gelegenheit doch auch eines sonderbaren Traumes Erwähnung tun, den ich in der vorigen Woche drei Tage nacheinander stets gleichgestaltig hatte, und das sozusagen stets schon am hellen Tage. Ich pflege nämlich nach meinen Morgenbeobachtungen der Sterne und der Winde, der Wolkenzüge und der Bewegungen des Meeres, der Fische und auch der Vögel in der Luft, was allzeit gut ein paar Stunden vor dem Aufgange zu geschehen hat, mich nach dem vollen Aufgange der Sonne auch auf ein paar Stunden lang auf mein gutes Ruhebett zu legen und so als ein schon alter und mühseliger Mann von meiner Arbeit und Mühe ein wenig auszuruhen. Wie ich mich aber in den vorbenannten drei Tagen zur besagten Morgenruhe begab, da schlief ich denn auch alsogleich ein und hatte, wie gesagt, dreimal folgenden stets gleichen Traum:

08] Ich befand mich auf einer unabsehbar weiten Ebene; diese war geschmückt mit einer Menge von allerlei Göttertempeln, die in verschiedenen Entfernungen voneinander abstanden. Ich bemerkte darunter alle unsere bekannten Göttertempel, aber auch eine große Menge anderer, die fremden Völkern und Nationen, die mir ganz unbekannt waren, angehörten. Ich betrachtete das mit Wohlbehagen, obschon die ganze Gegend nur ungefähr also erleuchtet war wie bei uns ein ganz trüber Wintertag, wenn der Regen dicht aus dem dunkelgrauen Gewölk zur Erde niederfällt. Menschen aber bemerkte ich außer mir nicht, und das machte mit der Weile einen etwas düsteren Eindruck, und ich fing an, den Zeus und Apoll zu bitten, daß sie doch einen Menschen mir möchten zukommen lassen.

09] Darauf kam denn auch ein Mann, der einem Juden gleichsah, zu mir und sagte mit ernster Stimme: ,O du alter Narr, was betest du leer zu den Göttern, die niemals waren und niemals sein werden? Bete du lieber zu dem einen, wahren Gott der Juden im Geiste und in der Wahrheit, und es wird dir gegeben werden, um was du bitten wirst!

10] Siehe, alle diese Tempel mit ihren toten, von Menschenhänden gemachten Göttern werden ehest von der Erde weggefegt werden, und nur ein lebendiger Tempel für den nur einen und allein wahren, lebendigen Gott wird verbleiben, und dieser Tempel wird nun von Gott Selbst erbaut unter den Juden und Heiden und unter allen Völkern der Erde. Dieser Tempel wird leuchten wie eine Sonne über die ganze Erde, und die von seinem Lichte durchdrungen werden, werden überkommen das ewige Leben und werden Kinder des Allerhöchsten heißen. Ich aber will dir nun nur ein Fünklein von dem Lichte des neuen Tempels zeigen, und alle diese Tempel werden von der Macht dieses Fünklein-Lichtes in Staub und Asche verwandelt werden.'

11] Hierauf zog er ein kleines Buch aus einer Tasche hervor, die er an seiner Brust trug, öffnete es, und ich sah darin die Worte: ,Wer an Mich glaubt im Herzen, der wird das ewige Leben haben; denn Ich, der allein ewige und wahre Gott, bin das Licht, die Wahrheit, der Weg und das Leben.'

12] Darauf erglänzten gewaltig die von mir nun ausgesprochenen Worte, und über die ganze, weite Ebene ergoß sich wie ein mächtigster Strom das Licht, - und seht, o Jammer, alle die zahllos vielen Tempel stürzten samt ihren Göttern wahrlich in Staub und Asche übereinander, und ich sah darauf Menschen, die wie wahre Brüder und Schwestern miteinander wandelten in weißen Kleidern, und am Himmel ersah ich einen Menschen voll Lichtes wie in einer Sonne stehend, und alle, die auf der weiten Ebene miteinander wandelten, riefen zu diesem Einen Menschen: ,Lieber, heiliger Vater!'

13] Darauf erwachte ich alsbald und war vollauf gestärkt und voll gesunden und guten Mutes, und es kam mir auch in meinem Gefühle also vor, als wäre ich kein sterblicher Mensch mehr.

14] Dieses Traumgesicht hatte ich, wie schon früher bemerkt, drei aufeinanderfolgende Tage unverändert gleich und gestern und heute die Erscheinung des wundersamen Lichtwölkchens und auch die Worte, die ihr aus dem Wölkchen vernommen habt, dazu, und es gestaltet sich für die Folge ganz etwas anderes, als was wir nun in unserer alten Frömmigkeit glauben. Die nahe Folge aber wird es zeigen, ob ich nun nicht richtig geurteilt habe!«

15] Darauf empfahl sich der Priester und auch alle, die mit ihm zu uns herauf gekommen waren, und wir hatten nun Ruhe, und mein alter Diener sagte: »Es ist sonderbar, daß dem sehr frommen und tätigen Priester, dem man wohl aufs Wort fest glauben kann, so etwas drei Male hintereinander geträumt hat! Sollte es denn mit unseren alten Göttern im Ernste durch ein neues Wortlicht zu Ende gehen? Hm - hm - hm! - Ja, ja, - möglich ist alles! Merkwürdig ist es, daß nun derlei den Göttern gleiche Menschen gerade im Judenreiche aufstehen; warum nicht auch bei uns, denen nach dem Traume des Priesters die Erkenntnis des einen, wahren Gottes sicher gänzlich mangelt, und wo wir auch um vieles glaubenswilliger sind denn die Juden, deren Glaube an ihren einen Gott schon äußerst schwach geworden sein soll, während wir noch mehr oder minder an viele Götter glauben und bei ihnen Rat und Trost und Hilfe suchen?«

16] Sagte ich: »Freund, heute wollen wir uns endlich einmal zur Ruhe begeben, die uns allen not tut; morgen aber wird sich schon eine mehrfache Gelegenheit vorfinden, bei der wir über die Sache noch so manches werden reden und urteilen können.«

17] Darauf begaben wir uns alle denn auch sogleich zur Ruhe und waren am nächsten Tage schon vor dem Aufgange auf den Beinen und begaben uns auch bald an die Geschäfte und Arbeiten.«



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