Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 96. Kapitel: Die Entstehung des Windes.

01] Sagte Ich: »Um was du Mich nun fragen möchtest, weiß Ich bereits, und so will Ich dir die Fragestellung ersparen und dir gleich mit der Antwort auf deine Frage entgegenkommen.

02] Siehe, der Wind, der nun so ziemlich kühl zu wehen angefangen hat, hat die gewisse Frage in dir hervorgerufen! Du möchtest gerne wissen, von woher der Wind ursprünglich kommt, und wohin er geht; aber es ist das für dich schwer zu fassen, wenn es für Mich auch ein leichtes wäre, es dir zu sagen.

03] So vernehmen auch viele Menschen des Windes Zug, aber sie wissen es nicht, von woher er urständlich kommt, und wohin er zieht, und noch weniger fassen und begreifen sie, von woher der geistige Wind in ihren Herzen kommt, und wohin er zieht. Daher sind sie denn auch gleichfort unverständigen Herzens und kennen nicht einmal ihre Seele und noch weniger den Geist in ihr, und Mich als den Ur- und Hauptlebenswind aber (ver)mögen sie schon am allerwenigsten (zu) erkennen.

04] Siehe, nichts in der materiellen Schöpfung kann entstehen und fortbestehen ohne einen geistigen Grund, und also auch der Wind, der nun weht, sicher nicht!

05] Ich habe euch schon auf dem Ölberg einen Wink gegeben und bei einer anderen Gelegenheit Meinen Jüngern noch einen ausführlicheren, daß diese Erde, wie auch ein jeder andere Weltkörper, ein tierisch-organisches Leben hat und somit auch alle die natürlichen Verrichtungen und Erscheinungen des organisch-tierischen Lebens äußert. Sie muß erstens ernährt werden, und das so wie etwa ein großes Tier. Weil sie aber ein tierisches Leben hat, so muß sie auch eine Art Herz, Lunge, Milz, Leber, Nieren, Magen und, kurz, in Entsprechung alle jene Eingeweide haben, die auch einem vollkommenen Tier zum Leben notwendig sind. Hat die Erde aber alles das in sich, so versteht es sich auch schon von selbst, daß auf ihrer Oberfläche alle möglichen Äußerungen ihres inneren organisch-tierischen Lebens wahrgenommen werden von euch Bewohnern eben der Oberfläche der Erde.

06] Die Erde atmet sonach auch, und das von sechs Stunden zu sechs Stunden. Sechs Stunden braucht sie zum Einatmen und sechs Stunden zum Ausatmen. Nun, solches Ein- und Ausatmen wird auf der ganzen Erde, und zwar viermal durch einen periodischen Windzug wahrgenommen, der, obschon er für die ganze Erde genommen zur gleichen Zeit bewirkt wird, aber auf der Oberfläche derselben nicht gleichzeitig wahrgenommen werden kann, weil es da vermöge der täglichen Umdrehung der Erde um ihre Achse und infolge dieser Erdbewegung wegen des stets wandelbaren Standes der Sonne über der Erde vom Morgen zum Niedergange hin nicht gleichzeitig Mittag oder Morgen, Abend und Mitternacht sein kann.

07] Sehr weit im Osten von hier ist jetzt schon Mitternacht, und sehr weit im Westen, als etwa in jenen Landen, von denen Ich ehedem sagte, daß sie über dem großen Ozean sich befinden, wird's jetzt um die Mittagszeit sein. Kurz und gut, auf der ganzen Erdperipherie sind zum Beispiel eben jetzt alle Tageszeiten vertreten, und so kann eine Lebensäußerung der Erde, wenn sie für sie auch in ein und demselben Momente geschieht, nicht in ein und derselben Tageszeit wahrgenommen werden.

08] Der Wind, der nun weht, rührt eben von einer solchen atemholenden Lebensäußerung der Erde her. Aber du mußt dir das nicht also vorstellen, als hätte die Erde einen Mund oder eine Nase, und der durch diese Werkzeuge ausgestoßene Atem wäre nun etwa gar schon vom Nord- oder Südpol hier angekommen, sondern derlei Winde entstehen vielmehr nur dadurch, weil sich die Erde bei ihrem Einatmen namentlich als besonders fühlbar unter dem Meere als ihrem weicheren Teile nach ausdehnt und sich so erweitert, daß das Meer allenthalben um etliche Handspannen steigt und beim Ausatmen, wobei die Erde sich wieder mehr verengt und zusammenzieht, wieder um so viel fällt, als es während der Einatmungszeit gestiegen ist. Und sieh, dieses Fallen und Steigen des Meeres bringt denn auch die periodische Bewegung der die Erde umgebenden atmosphärischen Luft zustande, die du nun als Wind wahrnimmst! Denn kein Wind ist etwas anderes als nur eine oft mehr oder minder heftige Fortströmung der Luft; auch der heftigste Sturmwind ist nichts anderes. Die Ursachen aber, durch welche die Luft in eine Strömung versetzt wird, können verschieden sein; um sie dir alle aufzuzählen und genau zu beschreiben, würden mehrere Tage erforderlich sein.

09] Daß Winde, die vom Norden kommen, kalt, und die vom Süden kommenden warm sind, das bewirken die klimatischen Verhältnisse. Im Norden der Erde ist es des vielen Schnees und Eises wegen kalt, und also kann von dorther auch kein warmer Wind kommen. Gen Süden wird es ob der mehr senkrecht auf die Erde fallenden Sonnenstrahlen stets wärmer und am Mittelgürtel der Erde sogar heiß, wie du das schon aus der Erfahrung weißt, und so sind die vom Süden herkommenden Winde denn auch warm; in den großen Sandwüsten werden sie oft sengend heiß. Im eigentlichen und tiefen Süden aber werden die Südwinde des dortigen Polareises und Schnees wegen ebenfalls wieder sehr kalt, gleichwie hier auf der nördlichen Erdhälfte die Nordwinde es sind.

10] Und damit, Freund Markus, hast du vorderhand eine hinreichende Erklärung über die natürliche Entstehungsursache der Winde; ein Weiteres wird dir zur rechten Zeit schon dein eigener Geist verkünden, so wie auch einem jeden, der im Geiste wiedergeboren wird.

11] Daß aber bei allem, was auf der Erde und auch auf allen andern Weltkörpern geschieht, im Hintergrunde Geister wirken, das habe Ich euch schon gezeigt, und so können wir nun mit diesen Erklärungen enden.

12] In den späteren Zeiten aber werden ohnehin nur zu viele Forscher aller Naturerscheinungen aufstehen und alles abwägen und wohl berechnen, was zur Bekämpfung vieler Irrtümer und zur Vernichtung des schwarzen Aberglaubens sicher gut und nützlich sein wird; aber es werden dennoch viele solcher Naturforscher sich derart zu weit verirren, daß sie den geistigen Standpunkt ganz verlieren und sich in der toten Materie herumtreiben werden, und das ist dann auch nichts Gutes mehr.

13] Es soll ein Mensch wohl in allen Dingen und Erscheinungen den wahren Grund wohl erkennen; aber er soll das aus seinem lebendigen Geiste überkommen, damit er alles im Geiste und in der vollen Wahrheit erkennt und somit dabei den geistigen Lebensgrund nicht verliert. Steht der Mensch mit seinem Erkennen auf diesem Standpunkte, so kann er mit seinen Belehrungen über alle möglichen Dinge und Vorkommnisse den Nebenmenschen auch wahrhaft und lebendig nützen, aber als ein purer Naturkundiger mehr schaden als nützen; denn was nützte es einem Menschen, so er besäße und verstünde alle Dinge der Welt, aber dabei Schaden litte an seiner Seele? Wäre ihm das dann zu etwas nütze in der andern Welt?«



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