Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


Kapitelinhalt 123. Kapitel: Die Aufnahme von Jesu Wort in Indien.

01] Sagte der Magier: »Weil Du, o Herr, es uns gesagt hast, so glauben wir das nun auch fest und werden, vielleicht wie kein anderes Volk der Erde, strenge danach tätig sein! Aber es kommt nun denn doch eine andere Frage zum Vorschein, und diese besteht darin: Sollen wir nun wieder nach Indien uns zurückziehen, oder sollen wir dieses alte Lasterland meiden wie unsere ärgsten Todfeinde, oder sollen wir wieder heimkehren und den Blinden das Licht zeigen, das wir durch unser langes Suchen endlich einmal gefunden haben? Wir hatten zwar beschlossen, unser Heimatland, dessen Verhältnisse wir nur zu gut kennen, für immer zu meiden und unser Leben unter fremden Völkern zu vollenden; aber da wir in Dir nun Den gefunden haben, dessentwegen wir unser Land schon lange verlassen haben, so ändert das unseren ersten Entschluß, und wir möchten auch darin Deinem Willen vollkommen nachkommen.«

02] Sagte Ich: »merkt euch das: Der Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterlande! Ihr seid euren Gefährten als etwas überspannte Menschen bekannt. Sie haben euch darum auch auf die weiten Reisen ausgesandt, weil ihr ihnen manches Mal ein wenig zu sehr ins Gewissen geredet habt. So ihr nun mit einem rechten Licht nach Hause kommen würdet, so würdet ihr bei ihnen einen schlechten Anklang finden und bei dem überaus verdummten Volke einen noch schlechteren. Daher ist es für euer Seelenheil besser, so ihr bei eurem einmal gefaßten Entschlusse verbleibt. Sendet eure Diener hinein in euer Land, damit sie eure Sachen in eurem Namen abmachen und dann wieder zu euch zurückkehren! Um ein Weiteres kümmert euch nicht; denn euer Land ist für Mein Licht noch um nahe zweitausend Jahre zu jung, das heißt, zu blind und zu dumm. Ihr werdet aber im Westen Menschen treffen, die für Mein Licht mehr eingenommen sein werden denn euer Volk daheim; denen könnt ihr mitteilen, was ihr hier empfangen habt!

03] Es wird in der Zukunft also sein, daß das alte Morgenland, dem einst das helle Licht gegeben ward, sich in lange anhaltender Nacht wird herumzutreiben haben, und das Licht des Lebens wird gegen den Westen ausgegossen werden. Auch selbst dieser Ort, in dem nun das Licht des Lebens aufgegangen ist, wird noch in die äußerste Nacht und Finsternis hinausgestoßen werden; denn auch dieses Volk mit Ausnahme von nur wenigen Menschen erkennt die Zeit seiner höchsten und heilsamsten Heimsuchung nicht. Darum wehe ihm, so das Licht ihm genommen und den Heiden gegeben wird!

04] Ihr seid Fremdlinge vom weiten Morgenlande her, und ihr habt Mich gefunden und erkannt; und es waren auch Fremdlinge aus eurem Lande, die Mich, als Ich Mich mit dem Fleische dieser Welt umkleidet habe, bei Meinem ersten Eintritt in diese Welt als erste Menschen aufgesucht und schon im neugeborenen Kinde erkannt haben. Aber von diesem alterwählten Volke haben Mich nur sehr wenige noch erkannt, aber desto mehr bis zu dieser Zeit her verfolgt, wie und wo sie Mich nur verfolgen konnten; darum aber wird von ihnen das Licht auch genommen und den Heiden gegeben werden.

05] Eher aber, als dieses Licht wieder in diese Gaue dringen wird, wird es in euer Land am großen Meere gelangen. - Versteht ihr das alles?«

06] Sagte der Magier: »Ich verstehe das, o Herr; aber wunderbar (wunderlich, eigenartig) kommt es mir vor, daß Dich die Kinder dieses Landes nicht erkennen, und wir Fremden haben Dich doch gar leicht und gar bald erkannt! Du wirst vor den Kindern dieses Landes gar sicher schon große Zeichen gewirkt haben, - und sie erkannten Dich nicht?! Oh, da wären meine dümmsten Landsleute wahrlich nicht so blind! Bei vielen hätte, wie bei uns, Dein Wort allein genügt! Und sähe selbst unser oberster Priester auch ein Zeichen, wie zuvor Dein Diener ein paar gewirkt hat, so hätte er auch dieses Licht angenommen, obwohl er es dem Volke kaum weiter je hätte zukommen lassen; denn das Volk ist schon seit undenklichen Zeiten in seinem blinden Glauben begründet und ist darum wohl nicht fähig, ein solches Licht anzunehmen. Allein, da sind nicht wir schuld, sondern die Zeit und eine große Menge unserer höchst selbstsüchtigen Vorgänger. Kurz, die Blindheit unseres Volkes ist erklärlich, da in seiner Mitte wohl kaum je ein solches Licht geleuchtet hat; aber die Blindheit dieses Volkes ist unerklärlich, denn es hat die höchste Sonne am Zenit und sucht dabei die Nacht, die nur in den großen Höhlen der Berge der Erde anzutreffen ist.

07] Wir suchten das Licht mit aller Mühe und sind nun überfroh, daß wir es endlich einmal gefunden haben, - und diese haben es im Lande vor ihren Augen und fliehen, verachten und verfolgen es! Oh, das müssen doch sehr böse und auch gar stockblinde Menschen sein, die wahrlich den Namen Mensch nicht verdienen! Weil die Sache also mit diesen Menschen steht, so ist es auch ganz billig, daß Du, o Herr, ihnen alles Licht nimmst und es den offenbar würdigeren Heiden gibst; denn da sieht Deine ewige Gerechtigkeit voll des hellsten Lichtes heraus, und das ist für uns wieder ein neuer Beweis, daß Du eben Der bist, den wir so lange vergebens gesucht haben.«

08] Sagte Ich: »Ja, ja, also ist es leider wohl mit diesem Meinem Volke! Ich werde Mir darum andere Völker erwecken, jetzt schon und noch mehr in der Folge; aber es wird immer der Fall sein, daß sich unter den vielen Berufenen nur wenige Auserwählte vorfinden werden.«

09] Sagte der Magier: »O Herr, wie sollen wir das verstehen? Der Berufenen wird es stets viele, aber der Auserwählten nur wenige geben?! Das klingt als Wort aus Deinem Gottesmunde fürs künftige Heil der Menschen eben nicht sehr erfreulich, wenn man es also nimmt, wie es ausgesprochen ist; denn ich verstehe unter wenigen Auserwählten jene Menschen, denen das wahre Lebenslicht gleichfort hell leuchten wird, unter den vielen Berufenen aber alle Menschen, die zwar auch zum Lichte kommen sollen, aber durch tausenderlei Umstände und Ursachen daran verhindert werden und somit gleich unseren Landsleuten nie zum wahren Lichte gelangen.

10] Wir höchst wenigen können uns denn nun auch also betrachten, als wären wir auserwählt; aber die große Zahl unseres Volkes, des leider unglücklichen, gehört nicht einmal in die Reihe der Berufenen! Was wird dereinst nach dem sicheren Abfalle des Leibes sein Los sein?

11] Dieses Volk hier gehört offenbar zu den Berufenen und hat unter sich doch stets etliche Auserwählte, bei denen es sich Rat holen kann, wenn es dessen bedarf; aber bei uns gibt es keine Auserwählten und auch keine Berufenen, und es ist darum das Los des großen indischen Volkes ein sehr bedauerliches, das heißt, wenn Dein letzter Ausspruch so zu verstehen ist, wie er gewisserart für alle Orte und für alle Zeiten von Dir ausgesprochen worden ist.«

12] Sagte Ich: »Du hast Meinen bestimmenden Ausspruch nicht richtig aufgefaßt, und so muß Ich ihn dir schon näher erklären.«



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