Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 86


Jesus als Lehrer der Lebenskunst.

01] Sagte Ich: ”Ich sage dir dazu nichts anderes, als daß Ich eigens darum in diese Welt zu den Menschen als Selbst Mensch gekommen bin, um sie diese allergrößte und allerwichtigste Kunst ohne alles Entgelt zu lehren, und Ich werde es auch euch lehren ohne Entgelt. Daß Ich aber solches tue den Menschen in vielen Landen und Orten und Meine Lehre mit den rechten Zeichen als vollwahr bestätige, dafür sind die da mit Mir gekommen sind Meine Zeugen durch Wort und Tat, da sie Meine Jünger sind. Sie sind schon sehr tief in dieses Geheimnis eingeweiht und können dir den Weg und die Mittel dazu an die Hand geben.

02] Wer das annimmt, glaubt und ganz entschieden danach lebt, tut und handelt, der kommt unfehlbar hinter das Geheimnis des Lebens und wird nach der erlangten förmlichen Wiedergeburt seines eigenen Lebensgeistes in sich selbst ein Meister seines Lebens und dadurch auch ein Meister des Lebens seiner Nebenmenschen, weil er ihnen dazu die Wege wird zeigen können und durch seine Lebensmeisterschaft auch dartun die großen Lebensvorteile solcher Meisterschaft.

03] Aber das sage Ich dir auch, daß da niemand über Nacht ein Meister wird und einem Menschen die puren, noch so gediegenen Kenntnisse der Mittel und Wege zur Erlangung dieser größten Lebenskunst gar nichts nützen, so er sie nicht alle vollpraktisch in sein Leben aufgenommen hat. Da nützt die Theorie für sich gar nichts, sondern allein die Praxis.

04] Es geht aber Ähnliches auch bei der Erlernung der andern Künste vor sich. Du wolltest zum Beispiel ein Musikinstrument meisterlich zu spielen erlernen, wie etwa die vollkommene Lyra der Griechen oder die noch wohlklingendere Harfe der Juden, da müßtest du dir offenbar einen Meister dieser Instrumente nehmen. Dieser würde dir die Regeln, die zur Erlernung des Spiels eines dieser Musikinstrumente unerläßlich notwendig sind, vor allem ganz genau beibringen, so daß du dadurch genau wüßtest, was du zu tun und zu üben hättest, um mit der Zeit selbst ein Meistermusiker zu werden. Wärest du mit der alleinigen und noch so genauen Kenntnis aller Regeln, Mittel und Wege ein Harfen- oder ein Lyraspieler? Oh, sicher nicht! Du müßtest zuvor durch eine sehr fleißige Übung der Finger und der Ohren nach den dir bekannten Regeln dir erst mühsam die Fähigkeit erwerben, um durch sie dann ein Meister zu sein. Und geradeso geht es auch mit der Überkommung der Lebenskünstlerschaft.

05] Erst durch die Übung wird man ein Meister, und der mehr oder minder vollkommene Grad der erlangten Meisterschaft hängt genau von der größeren oder minderen Übung der erkannten Regeln ab. Je mehr Übung, desto mehr Meisterschaft! Daher glaube du nicht, daß du durch die Kenntnis der Lebenskunstregeln schon irgend etwas zu wirken imstande sein wirst, oder es werde dir schon dadurch der Schleier deiner Isis gelichtet werden! Ich sage es dir: durch die pure Erkenntnis wirst du nicht einmal die Möglichkeit nur von ferne hin begreifen, daß durch die Übung solcher Regeln dir dein Schleier der Isis gelichtet werden könnte! Nur durch die unausgesetzte und fleißige Übung wirst du erst zu der stets heller werdenden Überzeugung gelangen, daß die Regeln richtig und wahr sind und zum Ziele führen. Und hast du durch die Übung erst die Meisterschaft erreicht, dann erst wirst du den völlig gelichteten Isisschleier in und vor dir haben. - Siehe, das war die Voreinleitung zu den etwa nachfolgenden Regeln, durch deren Übung und Ausübung der Mensch zur wahren Lebensmeisterschaft gelangen kann! Was sagt dein Urteil dazu?“

06] Sagte der Zöllner: ”Ich finde das alles in der vollkommensten Ordnung. Daß man durch die bloße Kenntnis der Regeln kein Meister, sondern kaum ein Jünger wird, das ist eine Wahrheit, die in der Erfahrung zahllose Bestätigungen findet; aber es ist ja schon dadurch unendlich viel gewonnen, wenn man zur Erreichung eines solchen Zweckes nur einmal die sicheren und untrüglichen Mittel und Wege hat. Das übrige ist dann ganz natürlich allein unsere Sache. Daß übrigens auch der angehende Jünger in sich noch lange nicht zu dem klaren Innewerden eines Meisters gelangen kann, sondern erst dann, wenn er durch viele Übung es selbst zur Meisterschaft gebracht hat, das ist alles ganz sonnenklar; aber daß ohne dich und vor dir noch kein Mensch irgend diese allerwichtigsten Regeln auch nicht von ferne hin hat auffinden können, das ist ein Etwas, das meinem Verstande durchaus nicht einleuchten will und kann. Weder Altägypten noch Kanaan, noch Griechenland und Rom, noch Persien und Indien haben irgendeinen Weisen vorzuführen, der für diese Kunst irgend die rechten Regeln finden konnte. Du bist somit der einzige, der diese Kunst nicht irgend gelernt, sondern offenbar aus sich selbst geschöpft hat! - Sage, wie war dir als einem Menschen das möglich?!

07] Denn daß du des Lebens Meisterschaft im vollsten Maße besitzest, dafür sitzt hier bei uns der allersprechendste und wahrste Beweis. Du konntest dazu auch sicher nur durch die Übung der dazu erforderlichen Regeln gelangen, die du aber zuvor auch selbst hast erfinden müssen. Nun, das ist eben dasjenige, was ich am allerwenigsten fassen und begreifen kann; denn ich bin in meinen jüngeren Jahren auch weit und breit in aller Welt herumgekommen und habe mich sorglich um alles erkundigt. Das Treiben der Essäer mit ihren Scheinwunder ist mir nur gar zu wohl bekannt, sowie alle die Zauberkünste und Wahrsagereien, deren Schule ich selbst vielfach mit- und durchgemacht habe; aber da ist kein Einverständnis, kein Zauberstab, kein mystischer Zauberspruch, kein Zaubertrank und keine Dämonenbeschwörung, sondern die allerprunk- und mittelloseste Wahrheit! Du sprichst und willst, und es ist da die Wirkung des Wortes und des Willens! Ja, das ist ein Etwas, das über all meinen Wissenshorizont überhoch hinausragt! Wirken ist sicher etwas ganz Leichtes, so man einmal ein Meister geworden ist; aber wie ohne Meister und Führer zur Meisterschaft und besonders zu den zu ihrer Erlangung notwendigen Regeln gelangen, - das ist eine ganz andere Sache! Sage mir denn doch, wie du dazu gekommen bist! Wer hat dir die Regeln gezeigt und gegeben?“



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