Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 228


Der Gegenpol Gottes.

01] Sage Ich: ”Darum habe Ich euch ja die Beispiele gegeben, damit ihr die nachfolgende Erklärung vom Satan und seinen Engeln leichter zu fassen imstande sein sollet; und alsodenn vernehmt Mich nun weiter!

02] Daß nach eurer nun gemachten Erfahrung der allerstärkste Riese ohne einen sehr festen Gegenstützpunkt, den wir eine Gegenkraft oder einen Gegenpol nennen wollen, nichts zu wirken vermag, das seht ihr nun ganz gut ein. Das gleiche Verhältnis aber dehnt sich, wennschon ins endlos Große gehend, bis zum allerhöchsten Gottwesen aus!

03] Wenn der ewige, allerfreiest weiseste und allmächtige Geist Gottes Sich nicht eben auch schon von Ewigkeit aus Sich heraus einen Gegenpol gesetzt hätte, so wäre es ihm als pur positivem Gott nie möglich geworden, Sonnen, Welten und all die zahllos vielen Wesen auf ihnen ins Dasein zu rufen.

04] Wie aber sieht dieser Gottesgegenpol aus, und worin besteht er? Ist er ein dem positiven, freien Gotteslebens- und Machtpole ganz fremder oder ein in einer gewissen Hinsicht gleichartiger? Ist er ein Selbstherr, oder hängt er in allen seinen Teilen nur von dem positiven Gottesmachtpole ab?

05] Seht, diese gar wichtigen Fragen werde Ich euch nun so lichtvoll als möglich beantworten, und ihr werdet dann gleich einsehen, wer der sogenannte Satan, und wer so ganz eigentlich seine Teufel sind! Und so habt nun acht!

06] Wenn ein Mensch zum Beispiel etwas darstellen will, so fängt er an zu denken, und es werden eine Menge flüchtige Bilder als einzelne Gedanken sein Gemüt durchstürmen. Wenn sich der Denker eine längere Zeit mit der Beschauung seiner inneren Geistbilder, die man 'Gedanken' nennt, abgibt und sie auch mehr und mehr festzuhalten beginnt, so wird er bald und leicht gewahr, daß sich einige bessere Gedanken angezogen und gewisserart schon zu einer lichteren Idee verbunden haben. Solch eine Idee behält dann die Seele wie ein ausgeprägtes Bild festhaftend in ihrem Gedächtnissensorium, und man könnte das eine Grundidee nennen.

07] Nun geht aber der Gedankenflug fort, gleichwie das Wasser eines Stromes, und unter den vielen vorüberströmenden Gedanken kommt denn wieder so etwas Gediegeneres, wird von der Grundidee sogleich angezogen und vereint sich mit derselben, wodurch die Grundidee dann schon heller und noch bestimmter ausgeprägt wird.

08] Das geht dann eine Zeitlang sogestaltig fort, bis neben der Grundidee sich mehrere nachfolgende, mit der ersten harmonierende Seitenideen gebildet haben und dadurch schon den Begriff von irgendeiner konkreten Sache oder vorzunehmenden Handlung und deren Erfolgen darstellen.

09] Ist der Denker einmal zu solch einem gänzlich ausgeprägten, klaren Begriffe gekommen, da findet er ein Wohlgefallen an ihm und erfaßt und durchdringt ihn sofort mit dem Lebensfeuer seiner Liebe. Die Liebe erweckt den Willen und die Tatkraft des Denkers, und es wird sodann ungehalten der innere Begriff zur materiellen Verwirklichung erhoben.

10] Nun steht der frühere, pur geistige Begriff nicht mehr allein nur als ein geistiges Bild in seiner vollen Klarheit im Sensorium der Seele, sondern auch als ein gleichsam gerichtetes festes Ebenmaß des innern, geistigen Bildes in der materiellen Natur und ist gestellt zur Benutzung dessen, der es früher erdacht hatte.

11] Die einzelnen Gedanken und Ideen, aus denen dann ein vollständig konkreter Begriff gebildet ward, sind noch ganz geistiger Art und machen mit dem Geiste einen und denselben Pol aus, und wir wollen ihn den Haupt- und Lebenspol nennen.

12] Der konkrete, aus vielen verschiedenen Gedanken und Ideen bestehende Gesamtbegriff - wenn auch noch als ein pures, geistiges Bild in der Seele - ist, weil er schon ein gewisses fixiertes Bestehen hat, nicht mehr dem Hauptpole angehörig, sondern dem Gegenpole, weil er gewisserart so wie ein ausgeschiedenes Ganzes für sich der Seele gegenüber beschaulich in allen seinen Teilen dasteht und durch die weitere Tätigkeit ganz als materielle Sache hinausgestellt werden kann und also als ein gerichtetes und fixiertes Ding nicht mehr der Lebenssphäre des Geistes und der Seele angehören kann. - Jetzt hört Mich nur noch weiter an!“



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