Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 91


Alles hat seine Zeit.

01] (Der Herr:) ”Ich habe aber bei euch einen vollen Tag über Meine Zeit zu eurem Heile hinzugegeben, und dazu bestimmte Mich Meine große Liebe zu euch.

02] Seid und bleibt aber dessen wohl eingedenk und tut desgleichen, so ein Bruder zu euch sagen wird: "Erleuchteter Bote des Herrn, bleibe noch bei mir; denn mein Herz findet einen mächtigen Trost und eine große, beseligende Stärkung an deiner Gegenwart!" Da verweilt auch, und wäre es auch um vieles über die euch vom Geiste vorgezeichnete Zeit! Denn wahrlich sage Ich euch: Ein solches freiwilliges Werk der Nächstenliebe wird von Mir hoch angerechnet werden!

03] Es versteht sich von selbst, daß man das einem Freunde nur ein-, zwei-, dreimal tun kann; bittet er aber dann noch wieder um ein längeres Verweilen, so vertröste man ihn mit der Versicherung des baldigen Wiedersehens und eifere ihn an zur unverdrossensten Tätigkeit nach dieser Meiner euch allen nun gegebenen Lehre, segne ihn dann in Meinem Namen und ziehe des Weges weiter nach der Berufung des Geistes, der nun in euch aus Mir als ein lebendiges Wort wohnt und euch selbst führt und leitet zum ewigen Leben hin!“

04] Sagt Cyrenius: ”Herr, wie ist es denn nun? Du sagtest in der gestrigen Nacht, daß Du nach diesem Tage von hier abreisen werdest! Ist das schon ganz als unabänderlich bestimmt anzunehmen? Wäre es denn nicht tunlichst, so Du, o Herr, denn noch einen Tag uns schenken möchtest?“

05] Sage Ich: ”Salomo, der Weise, sagte dereinst: "Es hat alles seine Zeit!", und so habe auch Ich Meine gute und sehr genau eingeteilte Zeit und werde darum diesmal deinem Verlangen nicht nachkommen können; denn sieh, im großen Lande der Juden gibt es gar viele Städte, Flecken und Dörfer, die allenthalben von Menschen bewohnt werden! Die allermeisten wissen noch nichts von Mir, sind auch Meine Kindlein und harren schon vielfach auf die Ankunft des Vaters aus den Himmeln und werden auch eine gar übergroße Freude haben, wenn Er von ihnen, so wie nun von euch, erkannt wird. Aber ganz durchfallen sollst du, Mein innigster Freund, mit deinem Verlangen auch durchaus nicht! Und weil ihr Mich denn schon gar so liebhabt, so will Ich noch diese ganze Nacht und des morgigen Tages drei Stunden unter euch verweilen, da es auch Mir unter euch gar wonniglich ums Herz ist; aber über die drei Stunden hinaus geht es dann wohl um keinen Augenblick Zeit mehr! Denn wie gesagt: Es hat auf dieser Welt alles seine Zeit und seine Ordnung!“

06] Sagt Cyrenius: ”Aber Du bist ja auch ein Herr der Zeit und kannst sie sogar aufhalten oder gar vernichten!“

07] Sage Ich: ”Da hast du recht und richtig gesprochen! Aber es ist dabei nur das zu bemerken, daß Ich eben darum, weil Ich ein Herr der Zeit bin und die Zeit aus Mir verteilt und bestimmt habe und in einer gewissen Hinsicht die Zeit eigentlich Selbst bin, weil diese nichts anderes ist als Meine höchst eigene, unwandelbare Ordnung, wider die zu handeln Mir Selbst nahezu rein unmöglich ist; denn so Ich Mich Selbst gegen Meine Ordnung vergriffe, da würdest du bald sehr wenig von allen jenen Kreaturen erblicken, deren Dasein in Meiner ewig unwandelbaren Ordnung bedingt ist.

08] Nimm nur einen Augenblick die Bedingung hinweg, so geht im selben Augenblicke auch das Bedungene unter! Oder stelle dir vor eine feste Burg auf einem Felsen festesten Gesteins! Du sagst, diese Burg sei wie für eine Ewigkeit erbaut. So Ich es aber zulassen würde, daß der mächtige Fels zu Butter erweicht würde, würde sich auch dann die feste Burg behaupten?! Oder du führest auf einem guten und festen Schiffe übers Meer; würde dein Schiff und sogar der beste Wind dir etwas nützen, so Ich das Wasser versiegen ließe bis auf den Grund?! Daß Mir solches wohl möglich wäre, wirst du nicht bezweifeln! Und es ist sonach ausgemacht, daß mit der Bedingung: auch das durch sie Bedungene in den Bach fällt.

09] Ich regle die Zeit überall und bin das ewige Gericht in ihr; aber in der heiligen Sphäre der Liebe gibt es eigentlich keine Zeit mehr, und Ich kann der Liebe allein schon noch immerhin etwas hinzugeben. Aber es bleibt bei dem genau, was Ich nun gesagt habe! Aber nun bringe Markus uns mehr Weines, auf daß wir der Nacht Kühle leichter ertragen; denn wir bleiben auch diese Nacht im Freien!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 5  |   Werke Lorbers