Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 219


Die Wirkung des Sonnenlichtes. Die Einrichtung des menschlichen Auges. Die Sehe der Seele.

01] (Der Herr) ”Diese Mohren gaben hier abermals die sprechendsten Beweise davon, dass es also und nicht anders ist und sein kann, und die Sonne liefert tagtäglich in jeder Pflanze und in einem jeden Tiere doch den noch bei weitem handgreiflicheren Beweis, welche Kraft und Wirkung in ihrer weitgedehnten Außenlebenssphäre liegt.

02] Alles das muß dem verkehrt erzogenen Welt- und Verstandesmenschen wie eine Märe vorkommen, und er ersieht darin nichts denn Dichtung einer erhitzten Phantasie, was alles ihm als eine bare Torheit vorkommt. Das sind für seine Erkenntnisse pure Torheiten, deren Effektuierung ihm unmöglich dünkt, weil ihm so etwas zu machen natürlich unmöglich ist und aus wohlweisen und notwendigen Gründen unmöglich sein muß. Denn wer sollte wohl ohne Hände eine Handarbeit verrichten können und wer ohne Füße gehen?!

03] Wäre die Sonne ein ganz finsterer Klumpen, was sie trotz ihrer Größe ebensogut sein könnte wie ein schwarzer Kalkstein, so würde sie kein Naturleben auf den Welten bewirken. Aber ihre innere großartige, für euer Verständnis freilich noch unbegreifliche organische Einrichtung ist also bestellt und beschaffen, dass sich aus ihren inneren Eingeweiden fortwährend eine ungeheure Menge von feinen Luftarten (Gasen) entwickeln muß. Dadurch wird der übergroße Sonnenkörper fürs erste genötigt, sich um seine Achse zu drehen, welche Drehung dann die große Atmosphäre der Sonne mit dem auf ihr lastenden Äther (Urluft) in eine beständige Reibung bringt, durch die fürs zweite die Tätigkeit der in der großen Sonnenatmosphäre rastenden zahllos vielen Naturgeister stets von neuem erregt wird, welche Tätigkeit sich dann den im Äther ruhenden Naturgeistern derart mitteilt, dass diese, als sehr leicht erregbar, dann in einem Augenblick über zweihunderttausend Feldweges (10 Feldwege = 1 Meile. 400 000 : 10 = 40 000 Meilen = Bewegung des Lichtes in der Sekunde. (1 deutsche Meile = 7,5 Kilometer) weit von der Sonne in gerader Linie entfernt miterregt werden und in jedem darauffolgenden Augenblick um dieselbe Entfernung weiter und weiter, und so in jedem Augenblick (soviel als eine Sekunde) noch fort und fort weiter bis in eine für euch unermeßliche Ferne von der Sonne hinweg.

04] Durch diese Miterregung der Urnaturgeister im unermeßlichen Schöpfungsraum teilt sich das ursprüngliche Licht der Sonne auf die Weise, die Ich euch nun schon genügend erklärt habe, den in ihrem Bereiche um sie bahnenden Erdkörpern oder Planeten mit und bewirkt in den kleineren Atmosphären der Planeten eine gleiche Erregung der in den Atmosphären schon gediegeneren Naturgeister, die sich je tiefer herab um desto heftiger wahrnehmen und empfinden lassen muß, weil die Geister auch stets gediegener werden. Denn wenn ihr zwei Steine aneinander reibt, so wird die Reibung doch sicher eine heftigere sein, als so ihr zwei Federflaumen aneinander zu reiben beginnet, aus welchem Grunde es denn auch in den tiefen Tälern der Erde lichter und wärmer wird denn auf den höchsten Bergspitzen der Erde.

05] Aber es denkt nun ein starker Rechner unter euch: "Ja, wenn das die Fortpflanzung des Sonnen- und jedes anderen Lichtes bewirkt, so muß das Licht allenthalben ein gleichartiges sein, und man kann dann unmöglich das Bild der Sonne separiert und bei weitem stärker leuchtend denn das ganze andere Lichtfirmament ausnehmen!"

06] Ja, sage Ich euch, das würde auch unfehlbar der Fall sein, wenn Ich nicht das Auge also gemacht hätte, dass alles Licht und Rücklicht alles Erleuchteten die durch eine gewisse Rückwirkung erregtesten Konturstrahlen, als sich in einem gewissen Winkel durchschneidende Linien, durch eine ganz kleine Öffnung auf die höchst reizbare Netzhaut und von der auf den noch reizbareren Sehnerv gelangen läßt.

07] Durch diese Vorkehrung werden alle nur einfach erregten Lichtausflüsse ausgeschieden, und nur die Hauptkonturstrahlen gelangen gebrochen auf die höchst empfindsame Netzhaut und von da auf den Sehnerv, durch welchen dann das Bild erst durch die geeigneten Organe auf die Gehirntäfelchen in einer dem Bilde entsprechenden Weise oder in entsprechenden Zeichen eingeprägt und der Seele zur Beschauung dargestellt wird.

08] Wäre das Auge nicht also eingerichtet, so würdet ihr freilich wohl keine für sich als Lichtbild vereinzelte Sonne erschauen, sondern alles wäre ein gleichförmiges Lichtmeer gleich dem, das mehrere verzückte Menschen geistig geschaut haben, darin sie nicht einmal ihr Ich im allgemeinen Licht als ein Wesen zu unterscheiden vermochten.

09] Ein weiser Ägyptogrieche, Plato, gibt in seinen hinterlassenen Schriften davon Zeugnis, und nebst ihm mehrere Weise der Vorzeit. Sie schliefen ein und befanden sich in einem Lichtmeere, in welchem sie sich wohl denken, aber sich nicht sehen konnten und daher auch das immerhin wonnigliche Gefühl hatten, als wären sie vollends eins mit dem Urlichte, das sie die eigentliche Gottheit nannten.

10] Der Grund davon lag in der noch nicht vollkommen eingerichteten Sehe der Seele. Und diese war darum nicht vollkommen eingerichtet, weil ihre ursprüngliche Erziehung, wennschon eine strenge, dabei aber dennoch eine verkehrte war; denn wo immer man mit der Verstandesbildung der Gemütsbildung vorangeht, ist die Bildung verkehrt.“



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