Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 42


Jesus kündigt ein praktisches Beispiel des Somnambulismus an.

01] (Der Herr:) ”Auf dass ihr aber das auch praktisch seht, werde Ich nun veranlassen, dass aus Cäsarea Philippi so ein recht dummer und kreuzarger Mensch ankommen wird. Dieser soll von einem aus euch also behandelt werden, und ihr werdet es sehen und hören, in welch eine verwunderungswürdige Weisheit der dumme und arge Mensch im Verzückungsschlafe übergehen wird. So er aber dann wieder erwachen wird, da wird er gleich wieder derselbe arge und dumme Mensch sein, der er zuvor war, und wir werden zu tun haben, ihm auf dem natürlichen Wege nur einigermaßen hellere Begriffe von Gott und den Menschen einzuhauchen.“

02] Sagt Cyrenius: ”Herr! Da freue ich mich schon wieder überaus darauf; denn da wird sich wieder sehr viel erfahren und lernen lassen! Ist besagter Mensch etwa schon auf dem Wege hierher?“

03] Sage Ich: ”Jawohl; er sucht dich und wird dich höchst plump um eine Unterstützung angehen, weil er bei Gelegenheit des Brandes eine Hütte, zwei Schafe, eine Ziege und einen Esel eingebüßt hat. Er erfuhr aber, dass du dich hier aufhältst und den Beschädigten Hilfe zukommen läßt, und der sonst recht arge und dumme Mensch hat sich darum auf den Weg gemacht, um von dir seinen erlittenen Schaden wieder ersetzt zu bekommen. Aber er ist eigentlich, wennschon ein armer Tropf, so stark geschädigt nicht; denn die zwei Schafe hat er zwei Tage zuvor, ehe der Brand entstand, einem andern gestohlen, und den Esel und die Ziege aber hat er schon vor einem Jahre auf dieselbe Weise in seinen Besitz gebracht.

04] Du siehst also schon aus dem dir nun Kundgegebenen, dass unser neuer Ankömmling ein ziemlich arger Schelm, dabei zugleich aber dennoch auch recht blitzdumm ist, was bei solchen Menschen von der tierisch blinden Habgier herführt. Er hätte seine Hütte samt seinen Habseligkeiten ganz leicht retten können; aber während des Brandes schlich er stets überall herum, um auf einem ungesetzlichen Wege sich so manchen Fund zuzueignen. Nun, er fand aber nichts, und als er ganz verdrießlich nach Hause kam, fand er seine Hütte in den schönsten Flammen, und seine vier Tiere waren bereits bis auf die Knochen verbrannt.

05] Bis heute jammerte er um seine Hütte; als er aber vor einer Stunde in die Erfahrung brachte, dass du aus obangezeigten Gründen hier verweilest, da hat er sich nach nicht gar zu langem Bedenken entschlossen, hierher nachsehen zu kommen, ob du wirklich hier seist, und ob du auch wirklich Beschädigungen vergütest.

06] Damit du nun zum voraus weißt, mit was für einem Menschen wir hier ganz bald zu tun bekommen werden, und wie du dich wenigstens anfänglich zu benehmen haben wirst, habe ich dir ihn zum voraus ein wenig gezeichnet; das Bessere wirst du hernach schon von ihm selbst in die Erfahrung bringen.“

07] Fragte Cyrenius: ”Soll ich ihm wohl irgendeine Vergütung zukommen lassen?“

08] Sage Ich: ”Vorderhand nicht, denn da mußt du ihm ganz echt römisch auf den Zahn fühlen; erst nach der Behandlung, wenn er etwas Menschlicheres annehmen wird, wird sich das andere finden lassen! Zinka aber soll die Behandlung an ihm vornehmen; denn er besitzt die meiste Kraft dazu. Ich werde zum voraus dem Zinka Meine Hände auflegen, auf dass er desto mehr Kraft gewinne und ihm die Behandlung besser gelinge.“

09] Zinka aber, der stets, um ja keine Silbe zu verlieren, um Mich war, trat hervor und sagte: ”Herr, wie werde ich solches wohl vermögen, da ich mit der Form der Behandlung viel zuwenig vertraut bin?“

10] Sage Ich: ”Lege die rechte Hand auf die Stirne und die linke auf die Magengrube, und er wird sobald in den besprochenen Schlaf versinken und auch alsbald zu reden anfangen, doch mit schwächerer Stimme als im Naturzustande! Willst du ihn dann wieder erwecken, so brauchst du bloß deine Hände in verkehrter Ordnung aufzulegen, etliche Augenblicke lang anhaltend. Gleich aber, wie er erwachen wird, ziehst du deine Hände zurück, und die Behandlung ist zu Ende!“

11] Zinka ist nun mit allem einverstanden und ist auch voll des festesten Glaubens, dass ihm alles also gelingen werde, und erwartet nun selbst sehnsüchtig seinen Mann, - fragt Mich aber dennoch, ob er die Behandlung sogleich bei dessen Ankunft vornehmen oder eines Winkes harren soll.

12] Sage Ich: ”Ich werde es dir schon andeuten, wann da etwas zu geschehen hat. Vorher müßt ihr ja doch seine Dummheit und Roheit kennenlernen, das heißt, den bedeutenden Krankheitszustand seiner Seele. Wird er darin von euch hinreichend erkannt sein, so ist es dann erst an der Zeit, seine Seele im gesunden Zustande zu betrachten und daraus zu erkennen, dass von euch Menschen kein noch so verworfen scheinender Mensch zu richten und ins volle Verderben zu verdammen ist, dieweil eine jede Seele noch einen gesunden Lebenskeim in sich birgt. - Aber bereitet euch und seht euch vor; er wird nun sogleich da sein!“



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