Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 29


Zinkas Bescheidenheit.

01] Tritt hinzu der Zinka und sagt: ”Hoher Herr und Gebieter! Da die Sachen einmal also stehen, wie ich von ihnen auch nicht die allerleiseste Spur haben konnte, so bekommt die Sache nun auch ein ganz anderes Gesicht. Das sind nun keine Kaufmannstöchter aus Kapernaum mehr, sondern das sind Töchter aus dem Kaiserhause Roms; auf diesem Baume wachsen auch keine Äpfel für unsereinen! Denn für solche Kinder müssen sich auch wieder Kinder vorfinden, die von königlichen Eltern abstammen. Ich bin nur ein gemeiner Judensohn, stamme wohl von Juda ab; aber was ist nun das gegen dich, der du ein Bruder des großen Kaisers Augustus warst und somit den Stamm der ältesten Patrizier für dich hast?! Dazu bist du unermeßlich reich, und ich habe nichts als meinen kärglich zugemessenen Sold für eine ungeheure Arbeit.

02] So unendlich glücklich mich die Gamiela auch gemacht hätte, so ich sie nun als ein Wunder der Himmel zum Weibe bekommen hätte, - aber da sie nun als deine Tochter, hoher Herr, über meiner Nichtigkeit steht, kann und darf ich sie nimmer zum Weibe nehmen! Du, hoher Herr, würdest sie mir heute in deiner reinen Geistesstimmung auch geben; aber morgen könnte es dich hoch gereuen! Und könnte ich es dir verwehren, so du sie mir wieder nähmest? Welchen Gram und welche Trauer würde ich dann empfinden! Muß ich sie zum Weibe nehmen mit der vollsten Versicherung, dass sie mir bleibt, dann nehme ich sie auch sicher und werde der glücklichste Mensch sein; aber verlangen werde ich sie nimmer, denn ich kenne meinen Stand und den deinen auch.

03] Verschaffe mir aber auf römischem Gebiete irgendeine kleine Besitzung; die will ich durch meiner Hände Fleiß bearbeiten und mir und meinen Mitarbeitern den Unterhalt verschaffen! Nur nach Jerusalem laß mich nicht mehr gehen und im Judenlande nicht mehr verbleiben! Denn mit Herodes und mit dem Tempel will ich nichts mehr zu tun haben!“

04] Sagt Cyrenius: ”Laß alles das gut sein! Ich kann dir ja meine Gamiela nicht mehr nehmen; denn der Herr hat sie ja dir gewisserart zuvor gegeben denn mir, - und Dessen Wort und Ausspruch ist mir heilig, überheilig! Was aber der Herr nur von ferne hin wünscht, das müssen wir tun, wollen wir Seinen heiligen Engeln gleichen! Wohl bin ich auf dieser Welt nun etwas, solange Er mich leben läßt; aber drüben im großen Jenseits sind wir dann alle gleich, und unsere hiesigen Schätze bleiben auf der toten Kruste der Erde hängen und werden zur Nahrung der alles verzehrenden Zeit.

05] Darum hindere dich nicht mein hoher Stand; denn ich trage ihn nur zum Wohle der Menschheit, soviel es nur immer in meinen Kräften steht. Und solltest du, den mir der Herr der Unendlichkeit, des Lebens und des Todes besonders uns Herz gelegt hat, davon ausgeschlossen sein? Nein, nein und nimmermehr! Du bist und bleibst mein Sohn!“

06] Als Zinka diese Worte vernimmt, sagt er: ”Ja, wahrlich, so kann nur ein Gott dem Herrn über alles ergebenes Gemüt sprechen! Was der Herr will, das will denn sicher auch ich: denn Der, der die beiden erweckt hat, ist der Herr Selbst, dessen ich nun vollkommen überzeugt bin. Und sollten Milliarden nun dagegenzeugen, so wird Zinka in seinem Glauben nimmer wanken! Ihm allein von nun an alle meine Liebe und alle meine wahre Anbetung! Ihm sei alle Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit!“

07] Mit diesen Worten fällt Zinka vor Mir nieder und sagt: ”O Herr, vergib mir alle meine Sünden, auf dass ich als ein gereinigter Mensch zu Dir beten kann!“

08] Sage Ich: ”Stehe auf, Mein Bruder! Deine Sünden sind schon lange von Mir hinweggetan worden; denn dein Herz kannte Ich schon lange und ließ es endlich gar zu Mir kommen. Mich zu fangen warst du zwar ausgesandt, und Ich ließ Mich von dir auch gefangennehmen, - aber für dein Herz nur und zu deinem Heile! Stehe nun auf und sei in Meinem Namen voll heiteren Mutes und werde Mir ein gutes, brauchbares Rüstzeug!“

09] Mit dem erhebt sich Zinka und fängt erst so recht an, über die Größe und über die Bedeutung dieser Begebenheit seine Betrachtungen zu machen. Wenn er sich so nächst Mir gesetzt haben wird, so werden wir ihn dann erst wieder reden hören. Denn nach Mathael ist das wohl der größte Geist bei unserer Gesellschaft.



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