Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 19


Zinkas Ansicht über die Lehre Jesu.

01] Zinka denkt hier ein wenig nach und sagt nach einer Weile: ”Lieber Freund! Gegen solch eine Lehre, obschon sie etwas Gewagtes ist, läßt sich durchaus nichts einwenden; sie ist, wenn es überhaupt einen Gott gibt, der Sich um die Sterblichen irgend ein wenig nur kümmert, offenbar göttlicher Natur! Es haben zwar wohl auch andere große Weise den Grundsatz aufgestellt, dass die reine Liebe der Grundkeim alles Lebens sei, und dass die Menschen die Liebe am meisten pflegen sollten, weil nur aus der Liebe den Menschen jegliches Heil erblühen könne; aber sie erklärten das reine Wesen der Liebe nicht. Es ist aber die Liebe so viel gut- und auch bösseitig, und man weiß am Ende nicht, welche Seite der Liebe man denn eigentlich als heilbringend pflegen soll.

02] Hier aber ist es sonnenhell ausgedrückt, welche Art der Liebe der Mensch pflegen und zu seinem Lebensprinzip machen soll. Somit kann solch eine Lehre freilich wohl ursprünglich von keinem Menschen herrühren, sondern nur von Gott, und beweist unter einem, dass es einen Gott denn doch gibt. Nun, nun, ich bin dir, du lieber, mir ganz unbekannter hoher Freund - seist du etwa auch ein Heide - von ganzem Herzen dankbar; denn du hast mir nun, wie auch meinen nicht auf den Kopf gefallenen Freunden, einen großen Dienst erwiesen! Wir waren gewisserart alle mehr oder weniger gottlos; nun aber kommt es mir wenigstens vor, dass wir den verlorenen Gott wieder aufgefunden haben, was mir sehr erfreulich und angenehm ist.

03] Johannes gab sich zwar auch alle Mühe, mich vom Dasein eines ewigen Gottes zu überzeugen; aber es wollte ihm die Sache dennoch nicht gelingen. Ich wußte ihm ganz gehörig zu begegnen, und er löste mir alle meine Zweifel nicht, und so blieb ich denn auch in meinen alten Zweifeleien stecken bis zu diesem Augenblick. Aber nun ist es mit aller Zweifelei auf einmal aus!

04] Merkwürdig! Ja, ja, also ist es: So jemand das rechte Tor in einen Irrgarten nicht findet, der kommt nicht zum Palaste des Königs, der in der weiten Mitte des großen Irrgartens seine bleibende Wohnstätte errichtet hat; du aber hast mir nun das rechte Tor gezeigt und geöffnet, und es ist also nun ein leichtes, in aller Kürze bis in des großen und ewigen Königs Palast zu dringen.

05] Sage mir aber nun auch zur Güte, wo denn du das hohe Glück hattest, mit dem großen Manne zusammenzukommen! Sicher ist er kein Magier, sondern ein mit höheren Gotteskräften ausgerüsteter Mensch; denn das bezeuget seine wahrhaft göttliche Lehre! Sage mir sonach, wo du ihn gesprochen hast! Ich möchte selbst hin und aus seinem Munde solche lebendigen Heilsworte vernehmen.“

06] Sage Ich: ”Bleibe du nun nur hier; im kurzen Verlaufe noch nachfolgender Besprechungen wirst du Ihn von selbst finden! Auch ist es nun schon bei einer guten Stunde über den Mittag. Unser guter Wirt Markus ist bereits mit dem Mittagsmahle fertig, und es wird sogleich aufgetragen werden; nach der Mahlzeit aber werden wir noch sehr viel Zeit finden, über allerlei miteinander zu verkehren. Du bleibst an unserem Tische, - deine neunundzwanzig Gefährten aber sollen sich nebenan setzen!“

07] Markus bringt nun die Speisen. Als die Speisen auf den Tischen waren, fiel es dem Zinka auf, dass so viele große Tische von wenig Menschen auf einmal wie mit einem Schlage mit Speisen und Weinbechern vollbesetzt waren.

08] Er (Zinka) fragte den neben ihm sitzenden Ebahl, sagend: ”Freund, sage mir gefälligst, wie denn nun auf einmal auf so viele und große Tische eine solche Masse von Speisen hat können hergeschafft werden, und das von nur sehr wenig Menschen! Wahrlich, es nimmt mich das im höchsten Grade wunder! Da möchte ich schon nahe behaupten, dass es hier nicht ganz mit natürlichen Dingen zugeht! Hat denn der alte Wirt etwa so ganz geheime dienstbare Geister, die ihm bei solchen Geschäften helfen?“

09] Sagt Ebahl: ”Du wirst nicht immer achtgegeben haben, dieweil du in dein Gespräch sehr vertieft warst, unter welcher Zeit dann, ohne von dir sonderheitlich bemerkt zu werden, denn auch die vielen Tische gar leicht mit Wein und Speisen haben können besetzt werden. Ich habe zwar selbst nicht darauf achtgegeben; aber geradewegs unnatürlich wird es etwa doch nicht hergegangen sein!“

10] Sagt Zinka: ”Freund, glaube es mir, ich kann in irgendein Gespräch noch so sehr vertieft sein, so wird um mich herum doch nichts geschehen können, das ich nicht gesehen hätte, und ich weiß es ganz bestimmt, dass vor wenigen Augenblicken noch auf keinem Tische eine Brosame sich befand, - und nun beugen sich die Tische vor lauter Eßwaren! Erlaube du mir, da wird denn für einen Menschen mit Herz und Verstand doch wohl eine Frage erlaubt sein, zumal man ein Fremdling ist!? Es ist nun schon eins, ob mir darüber jemand einen rechten Aufschluß gibt oder nicht; aber dabei bleibe ich, dass es hier durchaus nicht mit ganz natürlichen Dingen zugeht! Sieh auf meine neunundzwanzig Gefährten hin, die untereinander ganz denselben Gegenstand verhandeln; nur ihr alle, die ihr nun schon vielleicht mehrere Male hier gespeiset habt, seid ganz gleichgültig bei dieser Geschichte, weil ihr schon wisst, wie es hier zugeht! Aber es macht das alles nichts, - ich werde später schon noch hinter dieses Geheimnis kommen!“



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