Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 242


Wahres geistiges Leben.

01] Als Raphael solche seine Rede aus Mir vollendet hatte, verwunderten sich die drei allergewaltigst, und Mathael sagte: ”Verstanden haben wir diese wahrhaft lebendig heiligen Worte wohl und auch das zum ersten Male vollkommen, was David damit hatte sagen wollen, als er in seinen göttlichen Psalmen sprach: 'macht die Türen hoch und die Türe weit, damit der König der Ehren einziehe!' Aber die lebendige Ausführung! Oh, wo steht diese?! Was gehört dazu, um das lebenswarm auszuführen!

02] Mann gibt schon gerade wohl einem armen Menschen etwas, und es ist dann einem auch sogar nicht leid um die Kleinigkeit, die man einem Notdürftigen hat zukommen lassen; aber es hat einen bei weitem mehr der Verstand als irgendein Gefühl der Nächstenliebe dazu angetrieben! O Gott, wie weit ist der Mensch vom Ziele durch seinen Verstand und durch sein kaltes, aller Liebe bares Urteil! Wer einem Armen mit wahrer Bruder- und Nächstenliebe etwas verabreicht und dazu noch eine rechte demutsvolle Freude daran hat, an seinen Brüdern und Schwestern möglichst viel Gutes im Namen Jehovas getan zu haben, und stets den lebendigsten Wunsch in sich hat, noch viel mehr Gutes zu tun und alle seine armen Brüder und Schwestern so glücklich als möglich zu machen trachtet durch alle Freundlichkeit, Rat, Wort und freudigste Tat, ja, wie unermeßlich hoch steht eines solchen Menschen Seele und Geist vor Gott dem Herrn! Aber wo stehen wir noch mit unsern harten Herzen und kleinen Verstandesgaben?!

03] O Freund aus den Himmeln! Du hast uns mit deiner Frage und Selbstbeantwortung derselben ein schönes Wetter gemacht! Jetzt wissen wir es erst so ganz klar, wie wir stehen, und woran wir sind! Herr, erwecke unsere Herzen und entzünde sie in der wahren und lebendigsten Nächstenliebe, sonst ist Deine ganze, noch reinst göttliche Lebenslehre nichts als ein eitles, moralisch-ästhetisches Wortspiel ohne Kraft und Wirkung!

04] Nun sehe ich auch meinen ganzen Weg des Lebens bis auf diesen Zeitpunkt her; er war ein schon im Grunde des Grundes kleinweg verfehlter, und ich konnte darum zu keinem Ziele gelangen!

05] Nun erst fange ich an, den eigentlich wahren Weg zu erkennen, und weiß nun, worin die Verheißungen und deren Erfüllungen bestehen. Ich weiß nun, was mir selbst noch fehlt, und was denen fehlen wird, bei denen die Verheißungen trotz der angenommenen göttlichen Lehre nicht in Erfüllung gehen werden, und wie sie auf den vollrechten Weg zu bringen sein werden; aber das sehe ich daneben auch ein, dass ich noch sehr viel für mich zu tun haben werde, um in mir selbst ganz in die vollste Ordnung zu kommen!

06] Wohl haben wir einen großen Vorschub in der Sphäre des Glaubens, weil der Herr Selbst hier unter uns wandelt, uns lehrt durch Wort und Tat, - also steht hier uns auch der ganze Himmel weit offen, und Gottes Engel lehren uns der Himmel Weisheit und des Lebens ewige Ordnung aus Gott; aber das Bilden des Herzens ist uns dennoch ganz allein überlassen! Wir werden aber mit der Hilfe des Herrn auch darin zurechtkommen!

07] Wissen ist etwas anderes und Fühlen auch ganz etwas anderes. Zum Wissen kann man selbst durch den Fleiß gelangen und zur Weltklugheit durch Erfahrungen; aber zum wahren Fühlen gehört mehr als viel lernen und erfahren!

08] Vieles Wissen macht das menschliche Herz nicht fühlen und allzeit recht wollen, und die Erfahrung kann uns im Schlechten wie im Guten klug machen; nur ein rechtes Gefühl belebt alles und ordnet alles und gibt Ruhe und Seligkeit. Darum soll denn schon bei der anfänglichen Bildung des Menschen zum wahren Menschen vor allem auf sein Herz gesehen werden!

09] Denn ist das Herz nicht gleich anfänglich bearbeitet worden, sondern nur der Verstand, so wird das Herz verhärtet und bald nach den Anforderungen des Verstandes hochmütig! Ist aber das Herz einmal hochmütig, so nimmt es dann sehr schwer eine Gefühlsbildung an; da müssen dann schon ordentliche Feuerproben kommen, bestehend in allerlei Elend und Not, und es muß das Herz allerlei Druck verspüren, auf dass es dann wie ein geknetetes Wachs weich, sanft und fühlend werde für die Not und für das Elend des weinenden Nebenmenschen!

10] Wir danken dir und durch dich dem Herrn für diese allerwichtigste Belehrung, durch die ich nun erst ganz klar weiß, was ich zu tun haben werde für alle Zukunft, für mich selbst sowohl als für alle jene, die das herrlichste und reinste Licht durch mich aus Gott empfangen werden.“



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