Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 172


Kornelius und Jarah.

01] Kornelius aber konnte über die Klugheit des Mädchens nicht genug erstaunen; auch Faustus und Philopold verwunderten sich im gleichen Maße, und Kornelius bat Mich, ob er sich mit dem Mägdlein nun am Tische nicht über so manches besprechen dürfte. Und Ich gestatte ihm solches. Und darüber freut sich Kornelius wie das Mägdlein und alle am Tische, und Ich empfehle ihm, weise Fragen zu stellen.

02] Kornelius aber, als er an das Mägdlein eine Frage stellen soll, fängt an, sich sehr zu besinnen, um was er es so eigentlich fragen soll. Denn unter Meinem Ausdrucke: dem Mägdlein nur weise Fragen zu geben, verstand Kornelius, dass das Gespräch nicht nur zwecklose Tischplauderei, sondern etwas Gutzweckliches sein solle, und da gedachte er sehr, worin so etwas nun bestehen könnte bei einer Gesellschaft, die stets die Gelegenheit hatte, das Höchste zu vernehmen.

03] Je länger und fester er über dieses nachdachte, desto weniger fand er irgendeinen ihm dünklich würdigen Stoff, um darüber das Mägdlein zu befragen und sich darüber in ein wechselseitiges Gespräch mit demselben zu stellen. Er sann hin und her und fand nichts, das ihm da von einem besonderen Werte hätte scheinen können.

04] Nach einer ziemlichen Weile Nachsinnens sagte er (Kornelius) zu Mir: ”Sieh, sieh, ich dachte, diese Geschichte ginge leichter; aber je weiter und tiefer ich hier nun nachdenke, desto weniger finde ich etwas, das sich schickte für ein so weises Kind!“

05] Sage Ich: ”Nun, findest du nichts Außergewöhnliches, so frage das Mägdlein denn ums Nächste und Beste!“

06] Sagt Kornelius: ”Wäre schon alles recht und gut; aber auch da hapert es! Denn um etwas gar zu Alltägliches kann ich es doch nicht fragen, und etwas Bestes darunter wüßte ich kaum, das hier nicht schon vielfach verhandelt ward!“

07] Das Mägdlein aber, des Kornelius Verlegenheit wohl merkend, sagt: ”O hoher, liebster Freund, wenn du keine Frage für mich findest, da gestatte es, dass ich dich frage; denn im Fragen bin ich nicht leichtlich verlegen, - da habe ich gleich zehn Fragen für eine vorrätig!“

08] Sagt Kornelius: ”Das wäre freilich ganz gut, mein allerliebenswürdigstes Kindlein! Aber so du mir eine Frage stellst, so versteht es sich von selbst, dass ich sie auch beantworten muß; wäre ich aber solches nicht in stande - was sehr leicht sein könnte, da du mir ein ganz durchdringen kluges Kind zu sein scheinst -, was dann?“

09] Sagt das Mägdlein: ”Nun, was dann?! Da beantworte ich selbst meine Frage, und du beurteilst dann die Frage und die Antwort und kannst es mir darauf sagen, ob ich mich irgend geirrt habe! O sieh, es ist für mich hier auch durchaus keine Kleinigkeit, zu fragen und zu antworten; der Herr, als mein alleinige Liebe ewig, macht mir eben darum am wenigsten Bedenken, weil zwischen Seiner unendlichen und unserer allerbeschränktesten Weisheit ohnehin jeder Vergleich ins bodenloseste alles Nichtigen fällt.

10] Ob wir etwas mehr oder etwas weniger dumm reden, so ändert dies das Verhältnis zwischen uns und dem Herrn nicht im geringsten; denn wir sind aus uns ja in allem nichts gegen den Herrn, und dass in uns für Ihn etwas ist, das ist Er durch Seine Gnade Selbst in unseren Herzen.

11] Aber es gibt so einige Weise unter uns, und zwar hier an diesem Tische, vor denen ich alle Achtung habe; mit denen ist nicht ganz gut in eine Schüssel greifen!

12] Ich weiß wohl manches, das bis zur Stunde außer mir, dem Raphael und natürlich dem Herrn wohl kein Mensch wissen kann, weil ihm in solch einer unglaublichen Beziehung jede Erfahrung mangeln muß; aber was nützt es mir, in den fernen Sternen zu Hause zu sein, aber dafür fremd auf dieser unserer heimatlichen Erde?! Da ist man noch hundert und tausend Male geschlagen!“

13] Sagt Kornelius: ”Wer an unserem Tische ist es denn vorzüglich, von dem du menschlicherweise einen gar so besondern Respekt hast?“

14] Sagt die Jarah: ”Dort jener Vizekönig, der nun mit dem alten Ouran den ganzen Pontus beherrschen wird! Mathael ist sein Name. Der könnte mir noch ganz besondere Nüsse aufzuknacken geben! Ich glaube, dass ich ihm auf hundert Fragen nicht eine gescheite Antwort zu geben imstande wäre!“

15] Sagt Mathael: ”O du liebes Kindlein, du bist ja nun auf einmal gar ungeheuer bescheiden! Du kommst mit mir schon lange in keine Verlegenheit; denn ich kenne nur zu gar deine durchdringende Verstandesschärfe! Wenn sich schon ein Raphael mit dir ganz sonderheitlich zusammennehmen muß, um wieviel mehr dann erst unsereins! Und der Oberste Kornelius tut sehr wohl daran, sich sehr zu bedenken, über was er sich mit dir in ein Gespräch einlassen soll! Denn du bist eine, wie sonst sehr wenige deines Geschlechtes! Es ist schon wahr, dass ich auch so manches verstehe und um so manches weiß; aber dessenungeachtet möchte ich mich mit dir nie in einen gewissen Weisheitskampf einlassen, was auch eine eitle Torheit wäre! Aber mich in manchem von dir belehren lassen, wird mir stets sehr lieb, wert und teuer sein.“

16] Sagt Jarah: ”Das hat ein armes Mädchen, so sie auch etwas weiß, dass dann niemand mit ihr sich etwas zu reden getraut! Darum wäre es für sie nahe besser, ein wenig weniger zu wissen, um den weiseren Freunden nicht unangenehm zu erscheinen! Aber was kann ich nun machen?! Weniger zu wissen anfangen, als ich weiß, ist unmöglich; denn ich kann ja das Licht meines Herzens nicht schwächer machen als es ist. Dieses Licht aber gibt mir in stets überschwenglicherem Maße die Liebe zum Herrn, zu dem heiligsten Vater der Väter aller Väter der Erde! Ja, wäre es mir möglich, diese meine einzige und alleinige Liebe je nur im geringsten zu schwächen, dann würde ich auch alsogleich sicherlich dümmer werden; aber es ist solches mir ja unmöglich! Und was ich darum aus diesem Lichte heraus weiß, ist ja nicht mein, sondern des Herrn Wissen in meinem Herzen, und es hat sich darum ja doch sicher niemanden zu scheuen, so wie auch ich niemand zu scheuen habe! Daher sollst du, edelster Freund Kornelius, und du, edler Mathael, auch reden können mit mir!“

17] Sagt Kornelius: ”Jawohl, jawohl! Aber weißt du, allerliebste Jarah, eben darum hat es einen Haken; denn mit dir, wie ich's schon sehr klar zu verspüren anfange, ist es eben darum etwas schwer zu reden, weil du wirklich in deinem Herzen zu viel der reinsten Weisheit fassest. Oh, du bist sonst unendlich hold und lieb, und man könnte dich tagelang anhören; aber dich fragen oder sich von dir Fragen geben lassen, das ist nun schon eine ganz andere Geschichte. Gefragt wäre bald; aber hernach kommt die Antwort, und da sieht es bei mir noch sehr mager aus!

18] Auch so ein bißchen von einem Eigendünkel hat mich noch nicht ganz und gänzlich verlassen, und ich fürchte auf der Welt nichts so sehr als irgendeine Beschämung, was sicher auch nicht recht sein wird; aber ich kann da nichts dafür, denn ich bin ja von Kindheit an also erzogen, und so eine alte Gewohnheit verläßt einen nicht so schnell, als man es glauben möchte.

19] Aber warte du nur noch ein wenig, es wird mir schon noch irgend etwas so recht Gescheites einfallen; und ich werde dann eine rechte Freude haben, von dir etwas so recht Weises zu vernehmen!“



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