Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 193


Jesus über rechte Behandlung von Straftätern und Besessenen.

01] Cyrenius belobte hier den Julius, sagte aber auch ganz gut und weise: »Liebster Julius, du weißt, daß ich große Stücke auf dich halte, und daß mir dein klarer Verstand allzeit wohl gefiel; aber das, was du jetzt gesprochen hast, scheint denn doch nicht so ganz auf deinem Grunde und Boden gewachsen zu sein. Das hast du auch von dem gewissen Einen in dein Gemüt aufgenommen!«

02] Sagt Julius: »O sicher; denn die Wahrheit liegt nicht im Feuer, sondern in dessen sanftem Lichte nur; und somit bin ich seit Seiner Bekanntschaft auch viel sanfter und nachgiebiger geworden. Oh, könnte ich doch nur einmal noch in meinem Leben mit Ihm irgendwo zusammenkommen!«

03] Sagt auch die nebenstehende und auf alles achthabende Jarah: »Oh, das ist auch mein alleiniger und einzigster Wunsch!«

04] Während dieses Gesprächs kam Ich unbemerkt hinter Julius daher. Nur Cyrenius bemerkte Mich und sagte auf Meinen Wink zu Julius: »Du, siehe dich ein wenig um! Hinter dir steht jemand, als wollte er mit dir reden!«

05] Julius sieht sich schnell um und fällt nahezu in eine Ohnmacht vor Freude, Mich hier zu sehen, und Jarah macht einen Schrei der höchsten Entzückung und fällt Mir wie eine Tote an die Brust; und Ich mußte sie bei einer halben Stunde also ruhen lassen, bis sie aus ihrer seligen Betäubung wieder zu sich kam.

06] Da es aber schon stark gegen den Abend zu gehen begann, so sagte Ich zum alten Markus: »Du wirst nun wieder dafür sorgen, daß wir ein reichliches Abendmahl bekommen; laß an Fischen, Brot und Wein keinen Mangel haben!«

07] Sagt Markus: »Herr, was werden wir aber mit den Verbrechern machen, die dort am Meere an Pfählen angebunden, von Soldaten bewacht, wahrscheinlich ihr Urteil unter der größten Bangigkeit erwarten?«

08] Sage Ich: »Die lassen wir heute siebenfach schmachten, der vielen argen Geister wegen, von denen sie besessen sind, und niemand darf ihnen weder etwas zu essen noch etwas zu trinken reichen, ansonst sie nicht zu heilen wären! Du, Mein Bruder Julius, aber stelle ihnen noch heute ein Urteil vor, demnach sie morgen den peinlichsten Tod durch langsames Verbrennen den ganzen Tag über erleiden sollen! Morgen erst sollen sie dann begnadigt werden, und Ich werde sehen, ob sie freizugeben sind. Die übergroße Angst wird ihre argen Einwohner mürbe machen, und sie werden sich nach und nach zu empfehlen beginnen. Bindet sie aber wohl fest an die Pfähle, sonst werden sie euch viel zu schaffen machen!

09] Die sieben politischen Aufwiegler, weil sie sich in nichts Bedeutendem versündigt haben, lasset etwas leichter; denen verkündiget eine scharfe Züchtigung mit Ruten und lasset ihnen darauf etwas Brot und Wasser reichen! Am Morgen wird es sich zeigen, ob ihnen die Strafe nachzulassen sein wird oder nicht!«

10] Auf diese Worte sagte Cyrenius zu Julius: »Also gehe denn hin, zerbrich den Stab und verkündige ihnen, was sie morgen zu erwarten haben sollen!«

11] Julius erhebt sich sogleich, wandelt mit einigen Unterleitern hinüber an das Gestade, das von der Wohnung des Markus bei fünfhundert Schritte entfernt lag. Dort bei den an die Uferpfähle fest angebundenen Verbrechern angelangt, befiehlt er den Soldaten, die Verbrecher noch fester an die Pfähle zu knebeln. Als die Soldaten solches mit Stricken und Ketten bewerkstelligt haben, da erst verkündigt Julius den fünf Raubmördern, was sie am nächsten Tage, vom Morgen angefangen, werden zu gewärtigen haben! Ebenso verkündet er den sieben politischen Verbrechern die scharfe Züchtigung.

12] Als die fünf Raubmörder solch ein Urteil vernehmen, da fangen sie zu heulen, zu zagen und zu verzweifeln an und schreien, man möge sie alsbald töten; denn solch einen peinlichsten Zustand könnten sie unmöglich ertragen! Ebenso schreien die sieben um Gnade und Erbarmung. Aber Julius entfernt sich alsogleich und hört weder das gräßliche Geschrei der fünf Raubmörder noch der sieben anderen Verbrecher an.

13] Als er bei uns wieder ankommt, sagt er (Julius): »Das ist wahrlich keine Kleinigkeit! Dieses Geheul, die verzweifelten Gesichter, Gebärden, vor denen sich ein jedes Tier entsetzen müßte! Nun, ich bin froh, aus ihrer Nähe mich nun wieder zu befinden! Es ist kaum zu glauben, - aber das Haupt der Medusa dürfte kaum ein menschlicheres Aussehen haben! Bin nun im Ernste sehr begierig, was die Kerle morgen für Physiognomien (Gesichtsausdrücke) haben werden!«

14] »Siehst du«, sage Ich zu Julius, »das ist die Wirkung der argen Geister in ihnen! Die werden die große Angst kaum bis zum Morgen ertragen und werden sich, wie Ich's gesagt habe, zum größten Teile empfehlen, und wir werden morgen eine leichte Arbeit haben, die Menschen ganz zu erlösen.«

15] Fragt Cyrenius: »Was wird aber dann mit ihnen zu geschehen haben? Würden wir sie wohl ganz freigeben können, oder werden wir sie dennoch eine Zeit in Gewahrsam zu behalten haben?«

16] Sage Ich: »Allerdings; denn ohne den hinreichendsten Unterricht können sie auf gar keinen Fall völlig freigelassen werden! Auch die sieben nicht; denn kein Mensch wird die Sünde so schnell los, als wie schnell er in irgendeine Sünde gefallen ist! Als Zeit für die fünfe wird kaum ein volles Jahr genügend sein, und für die sieben ein halbes Jahr. - Und so denn wollen wir nun in Ruhe das Nachtmahl froh erwarten!«


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