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Kapitelinhalt 178. Kapitel: Minera (Satana) lenkt ein und nähert sich, von immer neuen Kostbarkeiten gelockt. Die letzten Schritte vor dem Ziel.

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag
Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Miklosch kehret nun wieder seine Augen der Szene zu, und spricht nach einer Weile: „Aha, aha, die Minerva wird nun ganz unruhig, und man sieht es aus jeder ihrer Bewegungen, wie nur zu gerne sie das rothe Bündel vor sich enthüllet hätte.

02] Kado merkt solches gar wohl, und fragt sie nun: »Bist du denn an den Boden geheftet? Erhebe deine Füße, und begebe dich hierher! da wirst du es leichter haben, in das Geheimniß dieses Bündels zu dringen, als von deinem gegenwärtigen Standpunkte. Bist du aber angeschmiedet auf deinem Boden, so sage es mir! Deine Füße will ich dir auch von hier aus frei machen.« - Spricht die Minerva: »Ah; das ist keine Nothwendigkeit, denn ich bin frei, und kann gehen, wohin ich will. Wie sieht das Kleid aus? Geh, sag' mir's, lieber Kado!«

03] Spricht Kado: »Nein, das kann nicht sein, wie vorderhand alles nicht, was du willst. Komme, und du wirst es sehen, und dich darob sehr erstaunen.« - Spr. die Min.: »Ei, ei, du bist aber doch hart! Aber was will ich machen? muß ich aber auch in dich vernarrt werden! Nein, so was hat die Ewigkeit an mir noch nie erlebt. Nun denn, ich will's wagen! Aber so du mir was thust, dann kehre ich sogleich wieder um, und komme nicht je wieder zurück, verstehe, nie wieder!«

04] Nun verläßt die Minerva endlich nach so vielen allerartigen Gegenbestrebungen ihren Standpunkt, eine Art Glühsandhügel, und bezieht sich sondirenden Schrittes hinauf zum Kado, hinter dem noch immer die zwei bekannten Freunde verweilen; aber da sieh' einmal hin! Im Augenblicke als die Minerva ihren unbeschreiblich reizend schönen Fuß an den vom Gluthmeer freien Hügel setzt, verschwindet nun dieses; auch von der scheußlichen Grotte ist nichts mehr zu erschauen, und das gräuliche Gebrause, Gepfeife und Gestöhne, wie das Gekrache und Gedonner sind verstummet. Ah, das thut unsereinem ordentlich wohl! Das Hochgebirge scheint auch etwas niederer geworden zu sein, und hat den Karakter der Schroffheit nahe ganz verloren; nur hie und da sind noch einige nackte Felsen zu entdecken, so man den ganzen Gebirgszug von Punkte zu Punkte recht sorgfältig durchschauet; kurz die ganze Gegend ist gerade nicht stark, aber doch hinreichend erleuchtet. Nun, nun, die Geschichte scheint sich machen zu wollen.

05] Wahrlich der Kado ist ein Künstler in seinem Fache. Denn diese Prinzessin der Ewigkeit in sich verliebt zu machen, ich sage, ein Wesen, dem die Liebe fremder sein mußte, als mir das Ende der Unendlichkeit, zu irgend einer atraktiven Neigung zu bringen, da gehört mehr dazu als zwei Ohren, zwei Augen, eine Nase, ein Mund und zwei Hände. Der Kado ist bis jetzt zwar noch ein sogenannter Teufel; aber ich habe wahrlich allen Respekt vor solch einer Teufelschaft. Nein, das ist ihm gelungen! Es muß aber auch eine Unbeugsamkeit in ihm sein, an der jede noch so diamantene Härte am Ende den unfehlbarsten Schiffbruch erleiden muß; Karakter hat er und einen Muth, der in's grauenhaft Schauderhafteste geht, ja, so man so was nicht selbst gesehen hätte, da wäre solch eine erzählte Date das Unglaublichste, was ein Geist nur immer als unglaublich bezeichnen kann. Aber wir haben das Außerordentliche, noch nie Dagegewesene, mit unseren eigenen Augen mit angesehen, und mit unseren offenen Ohren vernommen, und können daher nichts anderes thun, als staunen, und Dich, o Herr, loben und preisen über alle Maßen, daß Du so was endlich einmal hast geschehen lassen. Nun ist es aber auch zu erwarten, daß die gesamte Erde vielleicht nach wenig Stürmen in ein solches Stadium übergehen werde, das allen Himmeln sicher sehr erwünscht sein wird.

06] Aber gar zu sehr beeilet sich die Minerva gerade nicht bei ihrer Annäherung zum Kado; denn ihre Schritte sind sehr klein und gemessen; Lungensucht wird bei solcher Bewegung sich die Schönste nicht zuziehen. Alle Augenblicke findet sie was am Boden, klaubt es auf, betrachtet es eine Weile, und wirft es dann wieder hastig von sich; mir kommt es vor, als so am Boden gegen den Kado hin geflissentlich allerlei scheinbare Preziosen verstreuet wären, die die Schlaue gewisserart stets näher und näher zum Kado hin verlocken sollen. Wahrlich, die List ist gar nicht übel! Ich kann mich erinnern, sogar auf der Erde in einer sibillischen Weissagung gelesen zu haben: »So aber der Satan bekehret würde, da wird er auf Perlen und Diamanten einhergehen, und wird sie verschmähen und ihrer nimmer achten. Dann wird die Hölle verschlossen werden, und die Ketten des Wahnes werden schmelzen wie Wachs an der Sonne.«

07] Wahrlich, da sieht die Geschichte beinahe also aus. Sie kommt näher und näher, und ist nun keine 40 Schritte mehr vom Kado entfernt. Bin wahrlich höchst neugierig, wie sich diese Beiden empfangen werden. Aha, jetzt muß sie was sehr Bedeutendes gefunden haben. Mit großer Hast beugte sie sich zum Boden nieder, und hob etwas wie ein Diadem auf, das sie nun recht beifällig betrachtet, und keine Lust zeigt, es ebenso von sich zu schleudern, als die früher aufgeklaubten Dinge.

08] Nun fragt sie den Kado, sagend (Minerva): »Freund! wer hat denn diese vielen Kostbarkeiten hier verstreuet? sind sie für mich? oder sind sie für wen Anderen zu einem neuen Falle geleget? Hier ist ein herrlichstes Diadem meines Hauptes werth; solle ich's behalten, oder von mir schleudern?« - „Spricht Kado: »Das Gute behalte, und das Schlechte nur werfe von dir! Klaube aber nicht zuviel auf; denn zuviel von derlei Dingen würden dich derartig belassen, daß du kaum einen Schritt vorwärts thun könntest; das Diadem behalte, aber weiter klaube nichts mehr auf! Verstehe das, und sei folgsam!«

09] Spricht die Minerva: »Ja, ja, ich komme schon, ich komme ja; aber da liegt vor mir schon wieder ein allerherrlichstes Armband. Ah, das ist wunderschön! Du Kado? geh, erlaube, daß ich das noch aufhebe; denn das ist meines Armes würdig!?« - Spr. Kado etwas ungeduldig: »Ei, ei, du schmuckgieriges Wesen, lasse liegen das verlockende Armband; denn dein Arm ist ja ohnehin so unendlich schön, daß er für sich allein als ein Schmuck alles Schmuckes betrachtet werden kann; wie könntest du ihn noch mehr schmücken wollen. Hier aber zu meinen Füßen harret deiner ja ohnehin ein Schmuck, dem keiner in der ganzen Unendlichkeit gleich kommt; daher verweile dich nicht über dem Gassenkehrichte, sondern komme! und nehme eiligst von dem Besitz, was für dich bereitet ist.«

10] Die Minerva kommt nun, das Armband von sich werfend, schnell in die Nähe des Kado; nur 3 Schritte trennen sie noch. Sie spricht nun zum Kado: »Freund Kado! sieh, soweit bin ich dir entgegengekommen; es waren sicher bei 3000 Schritte! Drei einzige Schritte fehlen noch; diese wirst wohl du mir entgegen können. Ich sehe es dir nur zu sehr an, wie du vor mir glühest, und mit welch einer noch nie dagewesenen Liebegier du mich nun an deine Brust drücken möchtest! Meine wahrlich zu mächtigen Reize machen erbeben dein ganzes Wesen; du liebst mich unaussprechlich. Das sagt mir deine glühende Brust; das sagen mir deine Augen. Thue mir daher den kleinen Gefallen, und mache nur diese drei kleinen Schritte zu mir!«

11] Spricht Kado: »Endlos Schönste! Es werden noch himmlische Zustände kommen gleich wie irdische Zeiten, da ich dir Millionen Schritte entgegeneilen werde; aber hier erheischt es eine allerfesteste für dein alleiniges Wohl berechnete Ordnung, daß ich zuvor keines deiner noch so zu respektierenden Worte erhören darf, als bis du alles das erfüllet haben wirst, was ich von dir verlange, und verlangen muß. Daher mache auch noch die kleinen drei Schritte, da du schon die 3000 hast machen können.«

12] Spricht die Min.-S.: »Wer bemüßigt dich von mir all das zu verlangen? wer ist dein Gesetzgeber?« - Spr. Kado:»Niemand mir bewußtermaßen kann mir vorschreiben, was ich von dir verlange. Ich selbst bin mein höchst eigener Gesetzgeber, und lasse mir weder von irgend einer Gottheit, noch von irgend einem Teufel etwas vorschreiben. Du bist doch der oberste Gebieter aller Teufel, und dazu schön wie ein Augapfel Gottes; und sieh', deine Worte finden kein Gehör bei mir; und ich war ehedem vor Gott durch dessen zwei größten Geister, und sie waren gut und weise, und zeigten mir Himmel und Hölle, auf daß ich mich entschiede für eines oder das andere; und sieh', ich wollte den Himmel nicht, und verstand der Hölle den gerechten Hohn zu sprechen. Ich sah ein wahnsinnigstes Unternehmen, dem ewig nie ein Gelingen folgen kann; es ward von dir auf mich Fahndung gemacht auf alle mögliche Art und Weise; alle deine Trugkünste scheiterten an der Härte meines Willens, und an der Festigkeit meiner Absicht zu deiner redlichen Freiwerdung vom Joche deiner eigenen Blindheit! Sage, wer doch könnte mir so was vorschreiben?

13] Sieh, in der ganzen Unendlichkeit giebt es kein Wesen, dem ich gehorchen würde, so es mir geböte: Thue Dieß, oder thue Jenes! Denn ich bin ein Herr meiner selbst, und kümmere mich um Niemand andern, außer allein um dich, weil du mir so unendlich gefällst, und weil du nach Gott als erstes, größtes, vollendetstes und mächtigstes Wesen in der ganzen Unendlichkeit dastehest, das nun im vollsten Sinne wieder das werden solle, was es der ewigen und höchsten Weisheit Gottes zufolge hätte werden sollen. Ich allein fühle in mir die Bestimmung, die ich mir selbst gebe, dich also zu umstalten; aber das geht auf keinem anderen Wege, als gerade auf dem nur, den ich dir vorschreibe; aus welchem Grunde ich dir aber eher in gar nichts nachgeben kann, als bis du allem dem, was ich verlange, bis auf ein Haar nachgekommen sein wirst. Daher also nun keine Zauberei mehr mit den drei Schritten, sonst wirst du noch lange nicht gelangen zu deiner Urschönheit und Würde.«

14] Spricht die Min.S.: »Weißt du, mein wirklich und im vollsten Ernste geliebter Kado; es ist alles richtig und wahr, und gut und herrlich, was du mir nun gesagt hast; ich will, und kann dir da nichts einwenden; aber so uns für alle Zukunft die eigentliche Liebe leiten solle, so verstehe ich nicht, wo du diese hernehmen wirst, da du nun mir zuliebe auch nicht um ein Haar dich von der Stelle rühren wirst! Siehe, ich will noch zwei Schritte thun; den einen letzten aber mußt du thun, und solle ich darauf eine Ewigkeit harren. Denn nun ist ja bei mir ohnehin auf keine Umkehr mehr zu denken, da ich mich dir schon so weit habe gefangen gegeben! thue daher mir diesen kleinen Gefallen.«

01] Miklosch kehrt nun wieder seine Augen der Szene zu und spricht nach einer Weile: "Aha, aha, die Minerva wird nun ganz unruhig, und man sieht es aus jeder ihrer Bewegungen, wie sie nur zu gerne das rote Bündel vor sich enthüllt hätte!

02] Cado merkt solches gar wohl und fragt sie: »Bist du denn an den Boden geheftet? Erhebe deine Füße und begebe dich hierher! Da wirst du es leichter haben, in das Geheimnis dieses Bündels zu dringen, als von deinem gegenwärtigen Standpunkte. Bist du aber angeschmiedet auf deinem Boden, so sage es mir! Deine Füße will ich dir auch von hier aus frei machen.« Spricht die Minerva: »Ah, das ist keine Notwendigkeit, denn ich bin frei und kann gehen, wohin ich will! Wie sieht das Kleid aus? Geh. Sag mir's, lieber Cado!«

03] Spricht Cado: »Nein, das kann nicht sein, wie vorderhand alles nicht, was du willst! Komme, und du wirst es sehen und dich darob sehr erstaunen!« - Spricht die Minerva: »Ei, ei, du bist aber doch hart! - Aber was will ich machen? - Muß ich aber auch in dich vernarrt werden! Nein, so etwas hat die Ewigkeit an mir noch nie erlebt! - Nun denn, ich will's wagen! Aber so du mir etwas tust, dann kehre ich sogleich wieder um und komme nie wieder zu dir zurück - verstehe, nie wieder!«

04] Miklosch fortfahrend: "Nun verläßt die Minerva endlich nach so vielen allerartigen Gegenbestrebungen ihren Standpunkt, eine Art Glühsandhügel, und begibt sich sondierenden Schrittes hinaus zu Cado, hinter dem noch immer die zwei bekannten Freunde verweilen. Aber da sieh einmal hin! Im Augenblicke als die Minerva ihren unbeschreiblich reizend schönen Fuß an den vom Glutmeer freien Hügel setzt, verschwindet nun die Glut. Auch von der scheußlichen Grotte ist nichts mehr zu erschauen, und das greuliche Gebrause, Gepfeife und Gestöhne, wie das Gekrache und Gedonner sind verstummt! Ah, das tut unsereinem ordentlich wohl! Das Hochgebirge scheint auch etwas niederer geworden zu sein und hat den Charakter der Schroffheit nahezu ganz verloren. Nur hie und da sind noch einige nackte Felsen zu entdecken, so man den ganzen Gebirgszug von Punkt zu Punkt recht sorgfältig durchschaut. Kurz, die ganze Gegend bekommt nun ein recht artiges Aussehen und ist gerade nicht stark aber doch hinreichend erleuchtet. - Nun, nun, die Geschichte scheint sich machen zu wollen!

05] Wahrlich der Cado ist ein Künstler in seinem Fache! Denn diese Prinzessin der Ewigkeit in sich verliebt zu machen - ich sage, ein Wesen, dem die Liebe fremder sein mußte als mir das Ende der Unendlichkeit, zu irgendeiner Zuneigung zu bringen - da gehört mehr dazu als zwei Ohren, zwei Augen, eine Nase, ein Mund und zwei Hände! Der Cado ist bis jetzt zwar noch ein sogenannter Teufel; aber ich habe wahrlich allen Respekt vor solch einer Teufelschaft. Nein, das ist ihm gelungen! Es muß aber auch eine Unbeugsamkeit in ihm sein, an der jede noch so diamantene Härte am Ende unfehlbar Schiffbruch erleiden muß. Charakter hat er und einen Mut, der ins grauenhaft Schauderhasteste geht! Ja, wenn man so etwas nicht selbst gesehen hätte, da wäre solch eine Erzählung das Unglaublichste, was ein Geist nur immer sich denken kann. Aber wir haben das Außerordentliche, noch nie Dagewesene mit unseren eigenen Augen angesehen und mit unseren offenen Ohren vernommen und können daher nichts anderes tun als staunen und Dich, o Herr, loben und preisen über alle Maßen, daß Du so etwas endlich einmal hast geschehen lassen. Nun ist aber auch zu erwarten, daß die gesamte Erde - vielleicht nach wenigen Stürmen - in ein Stadium übergehen werde, das allen Himmeln sicher sehr erwünscht sein wird.

06] Aber gar zu sehr beeilt sich die Minerva gerade nicht bei ihrer Annäherung zu Cado! Denn ihre Schritte sind sehr klein und gemessen. Lungensucht wird bei solcher Bewegung sich die Schönste nicht zuziehen! Alle Augenblicke findet sie etwas am Boden, klaubt es auf, betrachtet es eine Weile und wirft es dann wieder hastig von sich. Mir kommt es vor, wie wenn am Boden gegen den Cado hin geflissentlich allerlei scheinbare Preziosem (Kostbarkeiten, Schmucksachen) verstreut wären, welche die Schlaue gewisserart stets näher und näher zu Cado hin verlocken sollen. Wahrlich, die List ist gar nicht übel! Ich kann mich erinnern, sogar auf der Erde in einer sybillischen Weissagung gelesen zu haben: »So aber der Satan bekehrt würde, da wird er auf Perlen und Diamanten einhergehen und wird sie verschmähen und ihrer nimmer achten. Dann wird die Hölle verschlossen werden, und die Ketten des Wahnes werden schmelzen wie Wachs an der Sonne.«

07] Wahrlich, da sieht die Geschichte beinahe also aus! Sie kommt näher und näher und ist nun keine vierzig Schritte mehr von Cado entfernt. Bin wahrlich höchst neugierig, wie sich diese beiden empfangen werden! - Aha, jetzt muß sie etwas sehr Bedeutendes gefunden haben! - Mit großer Hast beugte sie sich zum Boden nieder und hob etwas wie ein Diadem auf, das sie nun recht beifällig betrachtet und bei dem sie keine Lust zeigt, es ebenso von sich zu schleudern wie die früher aufgeklaubten Dinge.

08] Nun fragt die Minerva den Cado, sagend: »Freund, wer hat denn diese vielen Kostbarkeiten hier versteut? Sind sie für mich - oder sind sie für jemand anders zu einem neuen Falle gelegt? - Hier ist ein herrlichstes Diadem, meines Hauptes wert! Soll ich's behalten oder von mir schleudern?« - Spricht Cado: »Das Gute behalte und das Schlechte nur werfe von dir! - Klaube aber nicht zuviel auf! Denn zuviel von derlei Dingen würden dich derartig belasten, daß du kaum einen Schritt vorwärts tun könntest. Das Diadem behalte, aber weiter klaube nichts mehr auf! Verstehe das und sei folgsam!«

09] Spricht die Minerva: »Ja, ja, ich komme schon, ich komme ja! Aber da liegt vor mir schon wieder ein allerherrlichstes Armband! Ah, das ist wunderschön! Du Cado - geh, erlaube, daß ich das noch aufhebe! Denn das ist meines Armes würdig!« - Spricht Cado etwas ungeduldig: »Ei, ei, du schmuckgieriges Wesen, lasse liegen das verlockende Armband! Denn dein Arm ist ja ohnehin so unendlich schön, daß er für sich allein als ein Schmuck alles Schmuckes betrachtet werden kann! Wie könntest du ihn noch mehr schmücken wollen!? Hier aber zu meinen Füßen harret deiner ja ohnehin ein Schmuck, dem keiner in der ganzen Unendlichkeit gleichkommt. Daher verweile dich nicht über dem Gassenkehrichte, sondern komm und nehme eiligst von dem Besitz, was für dich bereitet ist!«

10] Die Minerva kommt nun, das Armband von sich werfend, schnell in die Nähe des Cado. Nur drei Schritte trennen sie noch. - Sie spricht nun zu Cado: »Freund Cado, sieh, soweit bin ich dir entgegengekommen; es waren sicher bei dreitausend Schritte! Drei einzige Schritte fehlen noch. Diese wirst wohl du mir entgegengehen können! Ich sehe es dir nur zu sehr an, wie du vor mir glühst und mit welch einer noch nie dagewesenen Liebegier du mich nun an deine Brust drücken möchtest! Meine wahrlich zu mächtigen Reize machen erbeben dein ganzes Wesen. Du liebst mich unaussprechlich. Das sagt mir deine glühende Brust; das sagen mir deine Augen! Tue mir daher den kleinen Gefallen und mache nur diese drei kleinen Schritte zu mir!«

11] Spricht Cado: »Endlos Schönste! Es werden noch himmlische Zustände kommen gleich wie irdische Zeiten, da ich dir Millionen Schritte entgegeneilen werde. Aber hier erheischt es eine allerfesteste, für dein alleiniges Wohl berechnete Ordnung, daß ich zuvor keinen deiner noch so beachtlichen Wünsche erhören darf, als bis du alles das erfüllt haben wirst, was ich von dir verlange und verlangen muß. - Daher mache auch noch die drei kleinen Schritte,- da du schon die dreitausend hast machen können!«

12] Spricht die Minerva: »Wer bemüßigt dich denn, von mir all das zu verlangen? Wer ist dein Gesetzgeber?« Spricht Cado: »Niemand mir bewußtermaßen kann mir vorschreiben, was ich von dir verlange. Ich selbst bin mein höchsteigener Gesetzgeber und lasse mir weder von irgendeiner Gottheit noch von irgendeinem Teufel etwas vorschreiben. Du bist doch der oberste Gebieter aller Teufel und dazu schön wie ein Augapfel Gottes. Und sieh, deine Worte finden kein Gehör bei mir! Und ich war ehedem vor Gott durch dessen zwei größte Geister, und sie waren gut und weise und zeigten mir Himmel und Hölle, auf daß ich mich entschiede für eines oder das andere. Und sieh, ich wollte den Himmel nicht und verstand der Hölle den gerechten Hohn zu sprechen! Ich sah ein wahnsinnigstes Unternehmen, dem ewig nie ein Gelingen folgen kann. Es ward sodann von dir auf mich Fahndung gemacht auf alle mögliche Art und Weise. Alle deine Trugkünste aber scheiterten an der Härte meines Willens und an der Festigkeit meiner Absicht, dich vom Joche deiner eigenen Blindheit endlich zu befreien! Sage doch, wer könnte mir so etwas vorschreiben?

13] Sieh, in der ganzen Unendlichkeit gibt es kein Wesen, dem ich gehorchen würde, so es mir geböte: ,Tue dies, oder tue jenes!' Denn ich bin ein Herr meiner selbst und kümmere mich um niemand anders, außer allein um dich, weil du mir so unendlich gefällst und weil du nach Gott als erstes, größtes, vollendetstes und mächtigstes Wesen in der ganzen Unendlichkeit dastehst, das nun im vollsten Sinne wieder das werden soll, was es der ewigen und höchsten Weisheit Gottes zufolge hätte werden sollen. Ich allein fühle in mir die Bestimmung, die ich mir selbst gebe, dich also umzugestalten. Aber das geht aus keinem andern Wege als gerade auf dem nur, den ich dir vorschreibe - aus welchem Grunde ich dir aber in gar nichts eher nachgeben kann, als bis du all dem, was ich verlange, bis auf ein Haar nachgekommen sein wirst. Daher also nun keine Zauderei mehr mit den drei Schritten, sonst wirst du noch lange nicht zu deiner Urschönheit und Würde gelangen!«

14] Spricht die Minerva: »Weißt du, mein wirklich und im vollsten Ernste geliebter Cado - es ist alles richtig und wahr und gut und herrlich, was du mir nun gesagt hast! Ich will und kann dir da nichts einwenden; aber so uns für alle Zukunft die eigentliche Liebe leiten soll, so verstehe ich nicht, wo du diese hernehmen wirst, da du nun mir zuliebe dich auch nicht um ein Haar von der Stelle rühren wirst! Siehe, ich will noch zwei Schritte tun! Den einen, letzten aber mußt du tun, und sollte ich daraus eine Ewigkeit harren! Denn nun ist ja bei mir ohnehin an keine Umkehr mehr zu denken, da ich mich dir schon so weit habe gefangen gegeben! Tue mir daher diesen kleinen Gefallen!«

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