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Kapitelinhalt 47. Kapitel: Die große Ringstraße auf dem sechsten Gürtelpaar.

01] Ihr habt schon bei der Darstellung des Planeten Uranus vernommen, daß unter dessen Bewohnern der Grundsatz gilt, demzufolge alle Straßen gerade sein müssen. Obschon die Herstellung gerader Straßen auf dem ziemlich großen Planeten selbst schon mit vielen tausend Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so sind aber doch alle diese Schwierigkeiten nur für gering zu achten gegen diejenigen, die in diesem Gürtel das Erdreich oder vielmehr der Boden der großen Sonnenwelt darbietet.

02] In dem Planeten sind die höchsten Berge im außerordentlichsten Falle wohl fünf- bis sechsmal so hoch, oder auch noch etwas darüber, als die höchsten Gebirge eurer Erde. Was ist aber das gegen die Höhe der Gebirge auf der Sonne, die nicht nach Klaftern, sondern nach Meilen gemessen wird? - Nun denkt euch eine Hauptstraßenanlage, welche nur über die mittlere Höhe der großen Länder dieses Gürtels führt, und bedenkt dabei die vielen überaus tiefen Täler, dann die vielen großen Ströme, Wasserfälle, Seen und hier und da sogar die Einbuchtungen des Meeres mittels der sogenannten Meereszungen. - Wenn ihr solches ein wenig überdenkt, so dürfte es euch wohl schon im voraus ziemlich klar werden, welch eine Bewandtnis es da mit dem Bau einer vollkommen geraden Straße hat.

03] Dann aber bedenkt, daß diese Straße sich gleich einem Ring um diesen ganzen sechsten Sonnengürtel zieht, - und zwar sowohl nördlicher- als südlicherseits (mit dem Unterschiede nur, daß die Geländerverzierungen der südlichen Hauptgürtelstraße mehr abgerundet erscheinen als die des nördlichen Gütels, welche mehr eckig und spitzig sind). Bedenkt aber dazu noch immer, daß die Straße eine Länge von nahezu zweimalhunderttausend deutschen Meilen hat.

04] Wenn ihr solches mehr und mehr zu erwägen beginnt, so wird euch die Großartigkeit einer solchen Straße immer einleuchtender werden. - Bedenkt aber noch hinzu, daß diese Straße allenthalben gleichmäßig zweitausend Klafter breit ist, so werdet ihr noch mehr zu stutzen anfangen. Bedenkt, über wie viele tausend Täler, die nicht selten von der Linie der Straße [an gemessen] eine Tiefe von fünf bis zehn Meilen haben, diese Brücke führt. - Seht, aller dieser, für euch kaum glaublichen Schwierigkeiten ungeachtet, zieht sich dennoch hoch über diesen schauerlichen Abgründen eine feste und zierlich gebauten Straße!

05] Nun hättet ihr schon den ersten Riß dieser Straße dargetan. Aber hier werdet ihr fragen und sagen: Die Anlage einer solchen Straße zu denken steht zwar nicht außer dem Bereich der Möglichkeit, - sie aber zu erbauen, da können wir nichts anderes sagen, als daß ein solches Werk wohl Gott möglich ist; ob aber dergleichen Werke auch geschaffene Wesen mit Hilfe der gegebenen Materie und mit der Kraft ihrer Hände zuwege bringen können, das begreife, wer es kann und mag. Wir aber halten die Sache so lange für rein unmöglich, als wir nicht wohlaussichtig davon überzeugt werden, welche höheren Kräfte diesen Menschen zu Gebote stehen, und wie sie mit diesen Kräften verfahren, damit solche Werke ihren Händen entstammen.

06] Ich aber sage: Nur Geduld! Betrachtet so manche Tiere auf eurer Erde und stetzt sie bezüglich ihrer Werke mit euch in eine entsprechende Vergleichung, - und ihr müßt da notwendig beschämt erschauern, indem ihr eure größten Händewerke dagegen als armseligste Schneckenhäuser betrachten müsst. - Damit ihr aber solches ein klein wenig klarer erschauen mögt, so will Ich euch nun fürs erste zu einem nicht selten über eine Klafter hohen Ameisenhaufen führen. Vergleicht einmal dieses Werk mit der Größe der Bauleute! Ist es im Verhältnisse nicht offenbar größer und in Hinsicht ihrer Bauleute mehr, als so ihr, vermöge eurer Größe und Kraft, einen Chimborasso oder ein Himalaja-Gebirge aufgeführt hättet? - Solltet ihr dieses etwa übertrieben finden, so beliebt nur, ein wenig verhältnismäßig nachzurechnen, und ihr werdet die Sache als vollkommen bestätigt finden.

07] nehmt zum Beispiel eine Ameise an, wie sie kaum eine Linie mit ihrem Köpfchen vom Boden der Erde entfernt ist. nehmt dann eine Höhe von anderthalb Klaftern, welche Höhe nicht selten das Maß eines großen Ameisenhaufens ist. - Versuchet, wie oftmal allenfalls eine halbe Linie in der ganzen Höhe von neun Schuhen (1 = 1/100 Fuß = 3,16 mm; ein Schuh oder Fuß = 31,6 cm) enthalten ist. setzt dann eure Höhe ebensooft übereinander, und ihr werdet daraus gar leicht das Verhältnis finden, wie hoch und umfangreich eure Gebäude sein müßten, wenn sie verhältnismäßig der Größe eines solchen Ameisenhaufens gleichen sollten. - Ich will dabei der tausend Gänge und Katakomben eines solchen Ameisenhaufens gar nicht erwähnen die alle riesenhaft groß für das Verhältnis ihrer Erbauer sind; denn es genügt die Größe des Haufens selbst, um das Verhältnis der Baukraft dieser kleinen Tierchen gegen die eurige ins klare zu stellen.

08] Also könnt ihr auch das Gebäude einer Biene betrachten. Seht, wie kühn dieses Tierchen mittels eines kaum zwei Linien dicken bräunlichen Wachsstieles an irgendeine Wand ihr ganzes Zellengebäude hängt, welches gewiß mehr sagen will, als so ihr im gleichen Verhältnis den größten Palast an irgendeinen hoch in die Luft erbauten Bogen mittels riesiger Ketten angekettet hättet.

09] Ferner könnt ihr noch das Gewebe einer Spinne betrachten, wie weit dieses Tier oft seine Fäden auszieht und in der Mitte dieser Fäden in freier Luft seine Wohnung aufrichtet. Will dieses im Verhältnis nicht ebensoviel sagen, als wenn ihr
zwischen den höchsten Gebirgsspitzen mächtige Seile und Stricke gezogen hättet und hättet dadurch hängende Brücken zwichen den Gebirgsspitzen über tiefe Gräben und Tälern errichtet!?

10] Ich könnte euch noch eine Menge noch großartiger Beispiele kleintierischer Baukunst aufführen, allein vorderhand mögen euch diese genügen. Wenn ihr sie gehörig betrachten wollt, so könnt ihr zur Genüge eure geringfügige Baukraft gegen die Baukunst dieser Tierchen ersehen. Wenn euch schon in dieser Hinsicht diese Tierchen beschämen, wie soll es demnach gar so unerklärlich sein, daß es irgend Menschen geben könne, die eure Baukunst in noch größerem Maßstabe hinter das Licht zu stellen vermögen als eben diese Tierchen.?

11] Und eben von dieser Art sind die Menschen dieses unseres sechsten Sonnengürtels. - Ihre Hauptkraft spricht sich im Bauen aus, dieweil sie in gewisser Hinsicht denjenigen Organen im Leibe des Menschen, durch welche der eigentliche vegatative Bau des Leibes bewerkstelligt wird.

12] Wenn wir nun dieses wissen, so können wir uns auch auf den mehr speziellen Teil der Erbauung einer solchen Riesenstraße einlassen. - Wo diese Straße über weitgedehnte Gebirgsebenen hingeht, da ist ihre Erbauung auch natürlicherweise leicht und mit geringen Kraftanstrengungen verbunden. Geht sie dann über tiefe und weitgedehnte Täler oder Gräben, so nehmen dann, nach der größeren Tiefe der Täler und Gräben, auch die Schwierigkeiten und Kraftanstrengungen zu. Denn da kann die Straße nur mittelst hoher Brücken geführt werden. Wie sind aber diese Brücken erbaut?

13] Diese Brücken sind in Etagen eingt eilt. Ein Bogenwerk über das andere erhebt sich, und natürlich so hoch über den Boden eines Tales oder Grabens empor, bis das Bogenwerk die Höhe der Straßenlinie erreicht hat. Ist solches der Fall, so werden die Bogengräben (d.h. zwischen den obersten, aneinandergereihten Bogen enstehen Räume) ausgefüllt und darüber massive, wohlbehauene, feste Steinplatten gelegt und zu beiden Seiten die (so entstehende) Straße mit einem mehrere Klafter breiten ud verhältnismäßig hohen, steinernen Geländer versehen. - Die Etage eines Bogenwerkes mißt nich selten fünfzig bis hundert Klafter, und ihr könnt auf Stellen kommen, allwo oft von einer bedeutenden Talestiefe nahe zweitausend Bogenwerke übereinander stehen.

14] Es fragt sich hier wieder, besonders wenn ein Tal oft über hundert Meilen eures Maßes breit ist, wie lang diese Baumeister woh zu tun haben, um ein solches riesiges Bogenwerk zu vollenden? - Ich sage euch: Kaum so lange, als ihr Zeit braucht, um ein Wohnhaus mittlerer Größe aufzuführen. Denn fürs erste greifen bei einer solchen Gelegenheit nicht selten mehrere Millionen Hände ein solches Bauwerk an, die da allein mit dem Bauen beschäftigt sind, ebensoviele Hände, die das Baumaterial bereiten, und denn ebensoviele, die es herbeischaffen.

15] Auch hier werden gewöhnlich nur die untersten Bogenwerke aus behauenen, großen Quadersteinen gebaut, welche mittels einem eigenen, klebrigen Steinkitte miteinander verbunden werden. Die höheren Etagen werden dann aus gebackenen Steinen verfestigt, welche aus einem zähen Tone (welcher in den riesigen Gebirgen dieses Gürtels überaus häufig vorkommt) verfertigt und sodann an den alleinigen Strahlen des Sonnenlichts so lange getrocknet werden, bis sie ein bräunliches Aussehen bekommen und beim Anschlage einen festen Klang von sich geben. Haben sie diese bestimmte Gediegenheit erreicht, dann sind sie auch schon vollkommen geeignet zum Baue.

16] Also haben wir jetzt auch gesehen, wie eine solche Straße über Täler und Gräben geführt wird. - Nun aber haben wir noch Flüsse, Seen und sogar Meeresbuchten vor uns; wie wird denn darüber die Straße geführt?

17] Nur eine kleine Geduld, und wir werden sogleich sehen, wie unternehmend und wie geschickt und ausdauernd diese Baumeister die Straße allda zu bauen und zu führen anfangen. - Sie verfertigen eine Art Schiff aus festem Holz, welches Schiff eine Breite von zwanzig und eine Länge von tausend Klaftern hat; denn solches können sie auch leichtlich tun, indem sie allenthalben reichliche Wälder von solchen Bäumen besitzen, welche die Pyramidenbäume im Saturn nicht selten übertreffen dürften.

18] Ist ein solches Schiff oder vielmehr eine solche großartige Platte fertig, dann wird auf der Plätte (Floß) zu bauen begonnen. Durch die Schwere des Materials sinkt natürlich die Plätte tiefer ins Wasser. Sobald dann aber der erste Plättenkranz ungefähr mit der Oberfläche des Wassers in eine gleiche Höhe zu stehen kommt, wird sogleich wieder auf den alten Kranz ein neuer, allzeit mehrere Klafter hoher Kranz von beschlagenen und glatt behauenen Bäumen gelegt und mittels starken Klammern mit dem ersten fest verbunden. Sodann wird gewisserart das Joch auf der Plätte wieder höher gebaut. Drückt die Schwere des Materials wieder so tief ins Wasser, daß der neue Kranz sich der Oberfläche des Wassers nähert, so wird wieder ein neuer Kranz auf den früheren gelegt und sodann wieder weitergebaut. Und solches wird so lange fortgesetzt, bis die Bauleute wahrnehmen, daß die Plätte wenigstens auf einer Seite angefangen hat, am Boden des Wassers aufzusitzen. Ist der Boden des Wassers eben, so hat es weiter keine Schwierigkeiten mehr, und das Joch kann dann viele tausend Klafter hoch fortgeführt werden.

19] Wenn aber der Boden oder der Grund eines Wassers uneben ist, so vermehrt das freilich die baulichen Schwierigkeiten außerordentlich, und bei dieser Gelegenheit ist nichts anderes zu tun, als daß sich gewisse, eigens dazu abgerichtete Wassertaucher bequemen müssen, ins Wasser zu steigen und im Wasser selbst dann entweder den Grund zu ebnen oder, wenn derselbe etwa aus Klüften und Abgründen besteht, dieselben mittels nachgesenkter Materialien auszufüllen.

20] Manchmal jedoch sind die Klüfte so tief, daß sie unausfüllbar sind, und doch sollte das Joche über ihnen feststehen. - Was wird denn dann getan? - Dann wird ein überaus massiver, metallener Rost verfertigt und in das Wasser versenkt und unter dem Wasser dann auf die Klippen, welche aus dem Abgrund hervorragen, so geschickt unter das Plättenjoch gelegt, daß dann das Plättenjoch auf diesen riesigen Rost niedersitzt und überaus fest stehenbleibt.

21] Ihr möchtet hier wohl fragen: Ersticken die Arbeiter denn nicht, wenn sie so lange im Wasser arbeiten müssen? - Nein, solches ist allda nicht leicht der Fall. Fürs erste, weil zwischen der Sonnenluft dieses Gürtels und den Gewässern kein so großer Unterschied ist wie bei euch. Denn die Luft allda ist viel intensiver, daher aber auch die Gewässer viel subtiler. Und so kann ein Geübter auch unter dem Wasser recht wohl atmen und bekommt anstatt der Luft das Wasser in seine kräftige Lunge. Doch muß solches von frühester Jugend auf gewöhnt sein. Ist dies nicht der Fall, so geht freilich wohl auch der Mensch im Wasser erstickend zugrunde. Darum aber werden schon allzeit mehrere Menschen so an das Wasser gewöhnt, wie allenfalls bei euch so manche Schiffsmatrosen, die auch nicht selten eine halbe bis nahezu eine volle Glockenstunde unter dem Wasser ganz wohlerhalten leben können.

22] Solche Joche werden dann zu gleicher Zeit in Entfernungen von zwanzig Klaftern, je nach der Breite eines Stromes oder Sees, zu mehreren Tausenden auf einmal begonnen. Und sind dann die Joche auf dem Grunde feststehend, so werden sie zuerst über dem Wasser mit schweren und überaus starken, metallenen Stangen gegenseitig verbunden. Sodann erst werden über diesen Jochen neue Joche in Bogen gezogen. Und also wächst da ein Bogengang über dem andern so lange fort, bis endlich die Linie der Straße erreicht ist, - bei welcher Gelegenheit dann wieder ebenso verfahren wird wie über den Tälern.

23] Was tun diese Straßenbauer aber allda, wo sie an ziemlich breite Meeresbuchten stoßen und, wenn sie diese mittels ihrer Fahrzeuge visieren, bei jeder möglichen Verlängerung ihrer Meßruten auf keinen Grund stoßen? Denn es kommt nicht selten vor, daß so eine Meeresbucht nicht [nur] etwa mehrere hundert oder tausend Klafter, sondern manchesmal fünfzig bis hundert Meilen tief ist.

24] Bei solcher Gelegenheit wird dann zu den Schiffbrücken die Zuflucht genommen. Aber die Schiffe, die dazu dienen, sind dann von einer ebenso kolossalen Art wie die Straße selbst. Nur wird dann über diesen Schiffen keine steinerne, sondern eine aus den massivsten Bäumen zusammengefügte Brücke erbaut, welche aber über den Schiffen ebenfalls die Höhe der Straßenlinie erreichen muß.

25] Ein solches Schiff wird fürs erste aus den allerkolossalsten Bäumen verfertigt und gleicht eigentlich mehr einem ungeheuren Korbe als einem Schiffe. Ein solcher Schiffkorb hat dann gewöhnlich eine Länge von einer deutschen Meile und eine Breite von wenigstens fünfhundert Klaftern. Die Wände dieser Schiffkörbe haben gewöhnlich eine Höhe von dreihundert Klaftern und sind mit den massivsten Eisenstangen und Eisenklammern wie für ewig aneinander von Kranz zu Kranz befestigt. Der Boden eines solchen Schiffes, der gewöhnlich aus den allermassivsten Bäumen, dreimal übereinandergelegt, gebaut ist, ist zudem noch ganz mit einer Art dickem Metallblech beschlagen. Dieses Holz versteinert im Wasser. Über dem Wasser aber wird es mit einer eigenen Masse
getränkt, daß es dadurch dann auch wie für ewige Zeiten unzerstörbar ist. Und bei einer solchen Schiffbrücke schließt sich dann auch ein Schiff fest an das andere an und ist durch überaus starke Metallklammern am andern so befestigt, daß am Ende diese großen Schiffkörbe eine ununterbrochene Linie über die ganze Meeresbucht bilden.

26] Blicket demnach im Geiste von irgendeiner Höhe über eine solche Schiffbrücke hin, und ihr müßt doch offenbar eingestehen, daß euch in dieser Hinsicht selbst eure allergroßartigsten Phantasien dagegen wie kleine Miniaturbilder vorkommen müssen.

27] Freilich wohl wird in dieser Zeit keine solche Straße mehr gebaut; denn diese Straße ist schon älter, als eure Erde von Menschen bewohnt ist, und weist ungefähr ein Alter von sechzigtausend Jahren auf. Dessenungeachtet aber werden noch zu dieser Zeit kleinere Nebenstraßen mit dieser Hauptstraße verbunden und die Hauptstraße selbst hier und da schadlos gehalten, wozu öfter auch nicht viel weniger gehört als zu einer streckenweise ganz neuen Anlage.

28] Nun seht, somit ist auch der riesenhafteste Bau der Bewohner dieses Gürtels dargetan. - Da sich darüber nötigerweise nichts mehr sagen läßt, so wollen wir das nächste Mal zur Besichtigung eines Tempels übergehen.


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