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Kapitelinhalt 16. Kapitel: Die Landwirtschaft auf dem Mittelgürtel. Gemüseland, Schafweide und Brotacker.

01] Ungefähr drei bis fünf Klafter unter der Baumreihe befindet sich ein sogenannter Kleinfruchtacker, welcher zu beiden Seiten mit allerlei fruchttragenden Gesträuchen eingefaßt ist. Die Gesträuche werden höchstens anderthalb Klafter hoch gezogen. Der Acker aber ist von allerlei Kleinfrucht tragenden Pflanzen bewachsen, welche ungefähr ähnliche Früchte tragen, wie da zum Beispiel eure Erdbeeren, Pröpstlinge, Melonen, sogenannte Paradiesäpfel u. a. m. Jedoch müßt ihr etwa nicht denken, als möchten da [genau] derartige Früchte wachsen, nur ähnlich sind solche Gewächse hinsichtlich der Kleinpflanzenart. Aber sonst sind sie dort von der außerordentlichsten Mannigfaltigkeit und kommen auch in gleicher Art, wie alles andere, bei keinem andern Hause wieder vor.

02] Ihr habt in diesem Punkte schon eine Zeitlang eine geheime Frage in euch, und diese lautet also: Warum sollte denn nicht auch auf dem Grunde des Nachbarn etwas vorkommen, was da auf eines andern Nachbarn Grund vorkommt? Denn sicher werden die Bodenerzeugnisse eines Nachbarn [auch] den Beifall eines andern haben. Warum denn sollte er dasjenige, was ihm auf dem Grunde seines Nachbarn gefällt, nicht auch auf dem seinigen hervorbringen? Denn wenn er es nicht tut, so muß ihn entweder ein Gesetz daran hindern, oder er muß alles andere gering schätzen und nur das für etwas ganz entschieden Ausgezeichnetes halten, was er auf seinem Grunde hervorbringt.

03] Seht, diese Frage läßt sich hören und ist einer Beantwortung würdig. Aber bevor eine Antwort gegeben werden kann, muß Ich euch bemerken, daß diese Frage wohl auf eurem Erdkörper einen Grund hätte; in der Sonne aber fällt sie offenbar auf einen trockenen Boden, allda sie zu keiner Antwort erwachsen kann.

04] Hier fragt ihr schon wieder: Warum denn? Und Ich sage euch: Erst auf dieses Warum kann Ich euch eine Antwort geben, welche also lautet: Betrachtet euch selbst gegenseitig und sagt Mir dann, warum ihr als Brüder untereinander euch als Einzelwesen und in den Gesichtszügen voneinander unterscheidet, daß da nicht einmal ein nächster Blutsbruder dem andern völlig gleichsieht, während dessenungeachtet doch ein jeder als ein vollkommener Mensch, wenigstens der Gestalt nach, erkannt werden kann? Könnt ihr Mir diese Frage beantworten? Denn Ich sage euch, gerade darin liegt ganz vollkommen fertig die Antwort auf euer Warum.

05] Ich sehe aber, daß ihr mit der Beantwortung dieser Frage nicht fertig würdet. Daher wird hier wohl nichts anderes übrigbleiben, als euch zu sagen, daß der Grund lediglich in der entsprechenden, zuständlichen, individuellen Beschaffenheit des Geistes liegt, da jedem Geiste, neben dem allgemein Eigentümlichen, auch etwas ganz besonders Eigentümliches gegeben ist, gleichsam ein einem oder dem andern Geist ganz besonders zu eigen verliehenes Pfund. Durch dieses Pfund unterscheidet sich dann jeder einzelne Geist von jedem andern einzelnen Geist. Und dieser Unterschied prägt sich dann auch auf eine entsprechende Weise in der äußeren Form aus, welche sich am klarsten in eines jeden Menschen Gesicht darstellt.

06] Nun seht, gerade also verhält es sich im ausgedehnteren Maßstabe auch bei den Bewohnern der Sonne, allda nicht nur die äußere Gesichtsbildung des Menschen die ausgeprägte Beschaffenheit seines Geistes darstellt, sondern auch alles, was ein Sonnenmensch durch seinen Willen hervorbringt. Demnach kann zwar ein Sonnenmensch wohl auch eine Pflanze, die ihm auf seines Nachbarn Grund wohlgefiel, auf seinem eigenen hervorbringen; aber sie wird nicht mehr so aussehen, wie die auf seines Nachbarn Grund. Warum denn? Weil der Nachbar auch nicht also aussieht, weder leiblich noch geistig, wie sein anderer Nachbar; und dieses verschiedene, charakteristische Aussehen wird auch in allem dem bemerkt, was er hervorbringt. Seht, darin liegt der eigentliche Grund, warum bei zwei Nachbarn nichts ganz vollkommen Ähnliches angetroffen wird.

07] Diese Verschiedenheit hat aber noch etwas anderes zum Grunde, nämlich, daß dadurch ein jeder Sonnenmensch, wenn er den Grund und Boden eines anderen betreten hat, sogleich aus einer oder der andern Pflanze inne wird, wessen Geistes Kind sein Nachbar (oder ein anderer Grundbesitzer) ist. - Seht, jetzt haben wir schon die vollkommene Antwort.

08] Im Grunde zeigt sich Ähnliches wohl auch auf den Erdkörpern, wo ein jeder eine andere Pflanzen- und Baumschule in seinem Garten hat; auch baut er sich ein anders aussehendes Haus als sein Nachbar. Allein alle diese Verschiedenheiten erstrecken sich [hier] nur auf die verschieden angenommene Ordnung, nicht aber auch auf das Individuelle der Pflanzen, weil diese [auf den Erdkörpern] aus dem Samen hervorgehen, in welchem sie schon eine beständige Ordnung haben. In der Sonne aber gehen sie, wie schon bekannt, aus dem vollkommenen Willen des Geistes hervor, und richten sich darum auch nach der Ordnung des Geistes, der sie durch seinen freien Willen hervorruft.

09] Also hätten wir den Grund dieser Verschiedenheit, und wollen nun einen Blick weiter tun, wie da der Grund eines Sonnenbewohners bestellt ist.

10] Unter jenem Kleinfruchtacker befindet sich ein leerer Kreis, der nicht angebaut ist und bloß zur Umwandlung (Umgehung) des Kleinfruchtackers dient. Diesen leeren Kreis begrenzen w1eder ziemlich knapp beieinander stehende kleine Bäumchen, ungefähr in der Art, als da bei euch die Zwergbäume in den Gärten gezogen werden. Auch diese Bäumchen sind verschiedenartig, so zwar, daß selten fünf bis sieben einer und derselben Art sind; und tragen daher auch mannigfaltige Früchte in der Art eurer Birnen, Äpfel, Pomeranzen u. dgl. mehr. Nur ist daselbst alles vollkommen und jede Frucht von einem überaus großen Wohlgeschmack.

11] Dieser Bäumchenreihe folgt wieder ein leerer Kreis; dieser ist aber dann umfangen mit einer Art lebendigem Zaun. Von diesem Zaun erstreckt sich dann in einer Breite von sieben bis zehn Klaftern eine Wiese mit einem überaus üppig grünen Graswuchs, wobei das Gras auf einem Grunde stets derselben Art ist.

12] Dieser Kreis ist zur Weide der Schafe bestimmt, welche bei den Sonnenbewohnern die einzigen Haustiere sind; obschon es in der Sonne allenthalben eine überaus zahlreiche Menge von Tieren aller Art gibt, mit alleiniger Ausnahme der Schlange, welche nur auf einigen Erdkörpern einheimisch ist.

13] Ihr werdet fragen, warum denn da allein nur das Schaf ein häusliches Tier ist? Fürs erste, weil es unter allen Tiergattungen das geduldigste und sanftmütigste Tier ist. Fürs zweite, weil auch die Sonnenbewohner die Milch dieses Tieres genießen. Und fürs dritte, weil dieses Tier auch in der Sonne mit seiner reichlichen und überaus feinen Wolle den Menschen den Stoff zu ihren Kleidungen gibt. - Seht, darum wird auch nur dieses Tier allein einheimisch gehalten und für dasselbe eine solche Wiese bereitet.

14] Da wir aber eben zuvor einer zahllosen Menge der Tiere in der Sonne erwähnt haben, so fragt es sich: Wo halten sich diese auf und wovon leben sie? Ihr wißt, daß es in der Sonne, besonders auf diesem Gürtel, auch überaus große, unübersehbare Ebenen gibt. Seht, diese Ebenen werden, wie ihr wißt, nie von Menschen bewohnt, und zwar aus dem sehr tüchtigen Grunde, den ihr zur Genüge habt kennengelernt bei der Darstellung der Sonnenflecke, oder vielmehr bei der Darstellung des großen Ausbruches am Äquator der Sonne. Eben diese Ebenen aber werden von zahllosen, allerverschiedenartigsten Tiergeschlechtern bewohnt.

15] Aber jetzt fragt es sich: Wovon leben sie, da in der Sonne der Pflanzenwuchs nur durch den Willen der Menschen bedingt ist? Nichts ist leichter, als auf diese Frage eine Antwort zu geben, nämlich, daß auch die Ebenen mit allerlei Gewächsen in der üppigsten Fülle bewachsen sind, und das zwar ebenfalls zufolge des Willens der Menschen, aber hier, für die Ebenen, durch die Bitte und ebenalso durch die innigste Vereinigung mit dem treuerkannten Willen des großen Gottes. Wie aber werden diese Ebenen demnach bebaut? Durch den Segen des obersten Lehrers -, wann auf der höchsten Tempelhöhe sich eine ganze Gemeinde zur Anbetung des großen Gottes in dem Tempel von 77 Säulen versammelt hat.

16] Seht, jetzt habt ihr auch diese Frage beantwortet. Aber es steht noch eine Frage im Hintergrund: Wie verhüten es die Sonnenbewohner, daß das Getier der Ebenen nicht hinaufsteige zu ihnen und allda leichtlich ihre edlen Gründe beschädige? Solches verhüten die Sonnenbewohner dadurch, daß sie eben in solchem gemeinschaftlichen Wirken alle Hügelländer durch unübersteigliche, lebendige Zäune von den Ebenen nach allen möglichen Richtungen hin rein absperren. Dieser lebendige Zaun besteht aus lauter dicht aneinandergestellten, nicht selten bei tausend Klafter hohen, säulenartigen Baumstämmen, welche nur zuoberst mit sehr buschigen Kronen versehen sind, die auch in sehr großer Menge solche Früchte tragen, welche zur Nahrung der Tiere tauglich sind.

17] Diese Einzäunungen laufen nicht selten in einer geraden Linie längs des Fußes eines oder des andern Hügels mehrere hundert Meilen fort, bis sie sich dann nach einer andern Richtung hinbeugen. Die Kronen dieser Bäume haben fortwährend ein hellgrünes Laub; die Stämme aber sind von der Erde an dunkelrot und verlieren sich bis zur Krone ins gänzlich Blaß-Lichtrote, welches dann auch einen überaus reizend schönen Anblick gewährt.

18] Nun wüßten wir, wie die Tiere versorgt sind; daher wollen wir wieder zu unserem Hausgrund zurückkehren und daselbst sehen, was nach der Wiese folgt.

19] Diese Wiese ist auf der unteren Seite über dem lebendigen Zaun mit einem Wall umgeben, auf welchem in der Richtung der Haussäulen springende Quellen angebracht sind. Ihr werdet auch hier schon wieder fragen: Wo nehmen denn die Sonnenbewohner alsogleich das Wasser her, um dasselbe, wo sie es nur haben wollen, aus diesem Walle emporspringen zu lassen?

20] Es ist für die Sonnenbewohner eben nichts leichter als das. Sie stecken eine bei zehn Klafter lange Röhre also in das Erdreich, daß die Röhre noch etwa eine Klafter über den Erdboden hervorragt. Und alsogleich sammelt sich von dem überaus saftigen Sonnenerdboden so viel Wasser in der in die Erde gesteckten Röhre, welche zu dem Behufe, soweit sie in die Erde gesteckt wird, von allen Seiten mit einer Menge kleiner runder Öffnungen oder Löchelchen versehen ist, welche dann begierig die häufige Feuchtigkeit des Erdreichs in den Hauptkanal der Röhre passieren lassen, durch welchen Kanal dann diese in der Röhre reichlich angesammelten Feuchtigkeiten als eine ziemlich hoch springende Quelle sich zum Bedarf der Menschen und Tiere ergießen.

21] Unter diesem Walle ist dann der sogenannte, bei zehn Klafter breite Brotacker-Kreis. Warum wird er denn Brotacker-Kreis genannt? Weil auf diesem Acker eine Art Frucht wächst, welche einzig und allein nicht vom menschlichen Willen erzeugt wird; sondern auf diesem Kreise rührt die Frucht, welche ungefähr eurem Weizen ähnlich ist, [unmittelbar] von dem Willen Gottes her. Daher wird auch dieser Acker als ein Heiligtum betrachtet.

22] Es wird auch hier kein Same gesät; sondern der Acker wird zu dem Behufe eingerichtet, und wann er die Frucht tragen soll, so wird darum eigens gebetet, welches bei den Sonnenbewohnern allzeit unter einer besonders großen Feierlichkeit geschieht. Nach dieser Feierlichkeit durchgeht der Hausvater segnend diesen Acker, und ihm folgen nach der Ordnung alle seine Familienglieder nach. Solcher Umgang geschieht sieben Male. Alsdann wird dem großen Gott ein allgemeines Lob-, Preis- und Dankgebet dargebracht, und also ist der Brotacker bestellt.

23] Dieser Brotacker ist aber zuunterst umfangen mit einem überaus prachtvollen und künstlichen Geländer; und dieses Geländer ist dann auch zugleich die Grenze eines Grundes.

24] Ihr werdet hier freilich fragen: Aber warum ist denn dieser am meisten geheiligte Acker am weitesten vom Wohnhause abstehend angebracht? Denn es sollte ja doch sinnbildlich dasjenige, was mehr rein göttlicher Art ist, dem Menschen näherliegen als alles, was da nur seiner eigenen Art ist. - Durch diese Frage philosophiert ihr zwar eben nicht so übel; aber die Sonnenbewohner philosophieren in dieser Hinsicht noch besser, denn sie zeigen dadurch an, daß das Göttliche nicht nur den Zentralpunkt der Wohnung erfaßt, sondern auch alles Äußere umfaßt. Also soll auch der Mensch in seinem Innersten einen Thron zur Wohnung des göttlichen Geistes errichtet haben und soll dann auch von eben diesem Geiste alle seine Gedanken, Begierden und Handlungen ergreifen lassen, damit er dadurch in allem, wie im Innern, so auch im Äußern, ein Mensch vollkommen nach dem Willen des großen Gottes sei.

25] Seht, dieses alles besagt nichts mehr und nichts weniger, als daß die Menschen vollkommen nach Meinem Willen leben und handeln sollen, das heißt, sie sollen sich von Meinem Geiste erfassen und bis ins Innerste durchdringen lassen, nicht aber, wie es jetzt so viele gewisserart »Bessere« tun, sich mit der alleinigen Erkenntnis Meines Willens begnügen, was aber ihre Handlungen anbetrifft, da solle Ich es Mir gefallen lassen, daß sie Mich neben ihren Welthandlungen einherzögen. Seht, [bei solchen Menschen] da macht nicht dieser Brotacker die äußere Umfassung; sondern nur ein reiner Weltacker, der keine Früchte Meines Willens trägt, sondern Früchte des Eigennutzes, der Welt, des Verderbens und des Todes!

26] Aus dieser kurzen Darstellung mögt ihr es nun wohl erkennen, daß die Sonnenbewohner durchaus bessere Philosophen sind, als ihr es seid. Denn die Ordnung, welche sie in ihrer Häuslichkeit beobachten, ist, selbst sinnbildlich genommen, doch sicher mehr Meiner Ordnung gemäß als die, welche ihr in Hinsicht auf eure häuslichen Einrichtungen und Anordnungen verwendet. Es kann zwar bei euch auf eurem Planeten keine solche äußere Ordnung beobachtet werden, und es liegt im Hauptgrunde auch eben nicht gar zu viel daran. Dessenungeachtet aber lasse Ich euch nun dennoch solches beschauen, damit ihr dadurch euren geistigen Grund danach bestellen möchtet! Solches sollt ihr demnach recht wohl beachten. Und so wollen wir denn fürs nächste noch die verschiedenen Amtshäuser und Tempel durchblicken und uns sodann zu den allgemeinen und häuslichen Verfassungen der Bewohner dieses Gürtels wenden.


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