Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1, Seite 73


18] Diese Arme entstehen zwar auf dieselbe Art wie die Traube selbst, aber die Geister hatten noch zu wenig Liebe-Gutes in sich, daher auch zu wenig Leben, um eine Frucht zu bilden. Wenn sie nun ihre volle Größe erreicht haben und nun gewahr werden, daß in ihnen kein Leben zur Bildung einer Frucht besteht, und das zwar einer gewissen Unsorglichkeit wegen - dann meinen sie in ihrer einfachen Intelligenz, das Lebensfünkchen sei ihnen gewisserart davongelaufen. Da dehnen sie sich so weit als nur immer möglich aus, und wie sie dann auf einen fühlbaren Gegenstand kommen, so meinen sie in ihrer Blindheit, sie hätten das Leben gefunden, umstricken es dann auf ähnliche Weise, wie die feineren Gefäße den Kern, und lassen es nicht mehr aus. Allein die Folge zeigt, daß sie bei solchem Weitausgreifen statt des Lebens nur den Tod mit ihren Armen umschlungen haben - und sterben am Tode selbst.

19] Das sei auch euch ein kleiner Wink! Denn so jemand, sein Inneres außer acht lassend, nur glaubt, die Lebensfülle in dem weit ausgedehnten Schöpfungsraume zu suchen, der hat ebenfalls seine Arme und Augen weit nach dem Tode ausgestreckt - während Ich doch jeden durch die tägliche Erfahrung handgreiflich lehre, daß die Welt immer schöner, herrlicher und verklärter wird, je weiter ihr euch von derselben entfernt befindet. Darüber sollte euch schon die Fernsicht einer Gegend einen nicht unbedeutenden Wink geben. Denn ein weitliegendes Gebirge seht ihr oft mit frommem, begeistertem Vergnügen an. Wie ist es dann aber, so ihr an dieses Gebirge selbst gekommen seid, daß ihr an diesem Berg oder Gebirge nichts Schönes und auch kein anderes Vergnügen mehr findet, als das der Fernsicht wieder anderer Gegenden?

20] Seht, darin liegt es auch, daß je mehr ihr euch von der Welt abzieht und euch gleichsam von derselben entfernet, sie euch desto schöner, verklärter und durchsichtiger erscheint; erst da hat der, der Meine Werke betrachtet und achtet, eine reine Lust daran.

21] Denn seht, das Leben wohnt im Inwendigen - und der Tod im Auswendigen! Wer nach dem Leben strebt und lebendig wird, für den wird alles verklärt und lebendig. Denn wer das Leben hat, der haucht alle Dinge mit dem Leben an, und so werden sie dann lebendig vor ihm und durch ihn. Dem Lebendigen muß der Tod seine Gefangenen ausliefern.



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