Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 10. Kapitel: Kisehels Rede über Jehova als Mensch.

01] Und nachdem der Sethlahem diese seine wohl zu beachtende Rede beendet hatte, ermutigte sich auch der Kisehel und trat hin zum Sethlahem und richtete folgende recht sehr zu beherzigende Worte an ihn, sagend nämlich:

02] »Bruder Sethlahem, du weißt ja, worin unser Unterricht oder vielmehr unser Erkennen, das wir noch hier empfingen, bestand!

03] Jehova war uns verkündigt worden auf eine Art, die selbst unsere größten Gedanken von Ihm rein vernichtete.

04] Wir wußten wohl von Seiner unendlichen Größe, Macht und Kraft, wir plauderten gar vieles manchmal von Seiner möglichen Wesenheit, aber welcher von uns allen hätte sich damals auch nur unterstanden zu denken, Jehova, der ewige, heilige Vater wäre gleich uns ein Mensch, wenn auch der allerunendlichst vollkommenste?!

05] Da wir uns aber eben durch unsere schiefe Erkenntnis den Jehova nicht als einen Menschen, sondern als etwas dem Wesen nach also Ungeheures, davon wir uns alle auch nicht den leisesten Begriff mehr machen konnten, vorstellten, so war dann ja auch einerseits natürlich, daß unsere freilich überläppischen Gottwohlgefälligkeitsbegriffe nicht viel anders ausfallen konnten, als unsere Vorstellung von Ihm Selbst beschaffen war.

06] Siehe also, lieber Bruder, es waren wohl unsere Herzen beständig mit Gott beschäftigt, allein du hattest zwar die Gnade, Jehova von einer richtigeren Seite erfaßt zu haben denn ich, wer aber hätte zwischen uns den Schiedsrichter machen sollen oder können?

07] Welchen tastbaren Beweis hättest du für deine Ansicht und deinen Glauben aufstellen können, dadurch uns deine richtigeren Ideen wären einleuchtend geworden?

08] Siehe, auch du hattest nichts denn allein für dich deinen Glauben, also wie ich für meine Ansicht nichts hatte als leider freilich wohl nur meinen irrigen Glauben.

09] Und so lebtest du zwar im Lichte, aber du warst blind und ahntest das Licht nur, weil der zugleich erwärmende Strahl dasselbe gewisserart dich in der Nähe gewahren ließ.

10] Ich aber hatte zwar offene Augen, stand aber in der dichtesten Finsternis und sah darum fürs erste nichts und konnte dazu fürs zweite auch kein Licht ahnen, weil durch die große Nacht meiner Gedanken sich auch nicht ein besserer Strahl ziehen und verbreiten wollte.

11] Und so glaube ich nun, lieber Bruder, wir sollten uns jetzt dessen nicht mehr rühmen, was vergangen ist, ob es der Wahrheit auch entweder näher oder ferner war; denn das eigentliche Rechte hatte doch keiner, - und hätte er es auch gehabt, womit aber mochte er es verbürgen?!

12] Daß unser aller heiliger Vater ist gleich uns ein Mensch, und ist ein einiger Gott, - siehe, das fehlte uns allen. Der Irrtum lag nicht in unserem Willen, sondern nur in unserer Vorstellung. Wir waren samt und sämtlich arme Toren und ich der größte wohl darunter; doch jetzt hat Der da, der nun unter uns ist heilig, überheilig, gut, übergut, unser aller liebevollster Vater uns allen aus unserer großen Not, Blindheit und Armut geholfen. Er steht sichtbar vor uns, und wir alle erkennen in Ihm den ewigen, heiligen Vater und den allmächtigen, ewigen Schöpfer aller Dinge; darum auch sei aller Dank, alles Lob, aller Preis, alle Ehre, aller Ruhm, alle Liebe und alle Anbetung Ihm von uns und allen unseren Kindern dargebracht!

13] Es ist zwar, lieber Bruder, deine Weissagung in vielen Stücken eingetroffen, besonders was die Erörterung dessen betrifft, was die dem Vater und Herrn allein wohlgefällige Demut, Niedrigkeit und Unansehnlichkeit betrifft; aber von dem, daß der Jehova auch ist ein Mensch, von Seiner so endlosen Liebe, Gnade und unbegreiflich allerhöchsten Erbarmung, - Bruder, davon hat wohl uns allen nie etwas geträumt. Und wennschon von uns Jemand von Ihm eine solche Vorstellung gehabt hatte, so war es der stets stille und verschlossene Zuriel mit seinen Töchtern; allein, er zog sich ja stets also in die verborgensten Winkel zurück, und es war schwer, auch nur ein Wort aus ihm zu locken.

14] Wir übrigen alle wußten aber ja zusammen nichts! Solches ist dir selbst ja erst gestern durch den lieben Henoch klar geworden, wie weit wir es mit unserer Weisheit und Weissagung gebracht haben!

15] Ich meines Teiles - abgesehen von dem, daß du der Wahrheit stets unbestimmbar näher warst denn ich aber denke nun also:

16] Wir sollten uns unseres früheren Zustandes wie immer auf gar keine Art mehr rühmen, sondern dafür lieber allein Dem, der da unter uns ist, alle Ehre und allen Ruhm darbringen.

17] Dein Gutes bleibt gut, insofern es von Ihm aus gut ist; für sich allein und von dir aus allein aber ist es um kein Haar besser denn mein ehedem Grundfalsches.

18] Doch ich sage dir jetzt, mein Bruder, ich danke dem Herrn für meine damalige Finsternis; denn sie war ja der Grund meiner jetzigen Demut und war dadurch ja auch eine große, wennschon verhüllte Gnade von Ihm.

19] Daß sie aber eine Gnade war siehe, das erkenne ich daraus, daß ich mich ihrer nie werde rühmen können!

20] Du aber hattest Licht, und es zieht dein Herz der Ruhm dieser Gnade! Wahrlich, Bruder, du bist zwar mir gleich erwählet, - aber so du mir nun dein früheres Licht für meine frühere Nacht geben möchtest, so möchte ich mich sehr lange bedenken, zu tauschen mit dir!

21] Darum rate ich dir um deiner selbst willen, für die Zukunft nicht mehr viel Erwähnens davon zu machen, - sondern bleibe lieber ganz mein lieber, demütiger Bruder! Denn siehe, vor Dem, der Sich jetzt uns naht, stehen wir beide ja gleich blank und nackt; darum bleibe du mein lieber Bruder jetzt, wie ewig! Amen.

22] Nach diesem letzten Worte war auch schon der hohe Abedam bei ihnen eingetroffen, legte Seine Hände auf beider Achseln und sagte: »Zu diesem Amen spreche auch ich Mein mächtiges Amen.

23] Wahrlich, Kisehel, du bist stark geworden und bist von allen der mächtigste; darum sollst du auch ein Führer sein der übrigen! Dir, Sethlahem, aber solle die Weissagung verbleiben; doch so wahr auch deine Rede war und so wohl getroffen jedes Bild, ist Mir die Rede Kisehels lieber, darum er mehr, denn du für dich, die rechte Demut predigte.

24] Siehe, dich hat deine Rede erhöht, den Kisehel aber die seine erniedrigt! Was meinst du nun, derwelche Mir näher kam?!

25] Siehe, es ist gut also zu reden, wie du früher geredet hast; aber es ist nicht gut, von sich zu reden! Denn wer immer da etwas Wahres spricht, woher kommt ihm denn solches?

26] Darum sollst du dich dessen nicht einmal sichtbar freuen, darum Ich dir mehr gab denn deinem Bruder, da dich sonst dein Bruder an Meiner Statt rühmen möchte, der du doch nur ein schwaches Werkzeug Dessen warst, der dich berufen hatte, und dem allein aller Ruhm gebührt!

27] Euer allergrößter Ruhm aber sei eure Demut und wahre, innere Liebe zu Mir; dann werdet ihr leben!

28] Siehe, solches ist Mein Wille! Dein Wort ist wahr und gut, da es ist aus Mir; aber lebe du vorerst ganz darnach, so wirst du leben ewig! Amen.«



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