Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 102. Kapitel: Wie man Gott über alles liebt.

(Am 7. November 1843, von 4 1/4 - 5 1/2 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Um aber gründlich zu erfahren und einzusehen, wie man Gott über das Gesetz hinaus lieben soll, muß man wissen, daß das Gesetz an und für sich nichts Anderes, als der trockene Weg zur eigenen Liebe Gottes ist.

02] Wer Gott in seinem Herzen zu lieben anfängt, der hat den Weg schon zurückgelegt; wer aber Gott nur durch die Haltung des Gesetzes liebt, der ist mit seiner Liebe noch immer ein Reisender auf dem Wege, allda keine Früchte wachsen, und nicht selten Räuber und Diebe des Wanderers harren.

03] Wer aber Gott rein liebt, der liebt Ihn schon über Alles! Denn Gott über Alles lieben, heißt ja: Gott über alles Gesetz hinaus lieben. Wer draußen am Wege ist, der muß fortwährend von Schritt zu Schritt weiter schreiten, um also auf die mühevollste Weise das vorgesteckte Ziel zu erreichen; wer aber Gott alsogleich liebt, der überspringt den ganzen Weg, also das ganze Gesetz, und er liebt alsogestaltet Gott über Alles.

04] Man dürfte hier vielleicht sagen: das klingt sonderbar; denn nach unseren Begriffen heißt ja Gott über Alles lieben: Gott mehr lieben, als Alles in der Welt. - Gut, sage ich, und frage aber zugleich dabei: Welchen Maßstab hat aber der Mensch dafür, um solch' eine Liebe zu bemessen? - Der-Einwender hat diese Maßstäbe der für den Menschen höchst möglichen Liebe auf der Welt deutlich genug auseinandergesetzt und gezeigt, daß der Mensch auf diese Weise für die Ueberallesliebe zu Gott durchaus keinen Maßstab hat.

05] Ich aber sage: Ist durch das gegebene Gesetz nicht Alles dargethan, wie der Mensch sich in seiner Begierde und Liebe zu den weltlichen Dingen zu verhalten hat? Im Gesetze sind sonach alle Dinge dargestellt, und für die Liebe des Menschen daneben die gerechte Beschränkung gegeben, nach der sich ein jeder Mensch zu den weltlichen Dingen zu verhalten hat.

06] Wenn aber nun Jemand Gott über das Gesetz hinaus liebt, der liebt Ihn sicher auch über alle weltlichen Dinge hinaus, weil, wie gesagt, eben durch das Gesetz die Benutzung der weltlichen Dinge und das Verhalten zu denselben nach der göttlichen Ordnung dargestellt wird. - Ein kurzer Nachtrag in vergleichender Stellung wird die ganze Sache sonnenklar machen.

07] Der Herr spricht zum reichen Jünglinge: „Verkaufe Alles, theile es unter die Armen und folge Mir!" - Was heißt das? - Mit anderen Worten nichts Anderes, als: So du Jüngling das Gesetz beobachtet hast, so erhebe dich nun über dasselbe; gieb der Welt alle Gesetze und alle ihre Dinge zurück, und du bleibe bei Mir, so hast du das Leben!

08] Wer wird hier nicht erkennen, was „Gott über das Gesetz hinaus lieben" heißt?

09] Weiter, der Herr spricht zu den Jüngern: „So ihr nicht werdet, wie dieß Kindlein, so werdet ihr nicht in das Reich Gottes eingehen." - Was will denn das sagen? - Nichts Anderes, als:

10] So ihr nicht, wie dieses Kindlein, Alles in der Welt nichts achtend, weder das Gesetz, noch die Dinge der Welt, zu Mir kommet und Mich, wie dieses Kind, mit aller Liebe ergreifet, so werdet ihr nicht in das Reich Gottes eingehen! - Warum denn nicht? - Weil der Herr Selbst wieder spricht: „Ich bin,der Weg, die Wahrheit und das Leben!" - Wer also zu Mir, der Ich vollkommen Eins bin mit dem Vater, kommen will, der muß durch Mich in den Stall eingehen; denn Ich Selbst bin die Thüre und der Stall oder das Reich Gottes Selbst.

11] So lange sonach Jemand nicht den Herrn Selbst ergreift, so lange kann er nicht zu Ihm kommen, und wenn er gleich wie ein Fels tausend Gesetze unveränderlich beobachtet hätte. Denn wer am Wege noch ist, der ist noch nicht beim Herrn; wer aber beim Herrn ist, was sollte der noch mit dem Wege zu schaffen haben?

12] Aber hier unter euch giebt es Thoren, und das zu vielen Hunderttausenden, die den Weg viel höher halten, als den Herrn; und wann sie schon beim Herrn sind, so kehren sie wieder um, entfernen sich von Ihm, um nur am elenden Wege zu sein! - Solche haben mehr Freude mit der Knechtschaft, mit der Sclaverei, mit dem harten Joche, als mit dem Herrn, Der jeden Menschen frei macht, überaus leicht sein Joch, und sanft seine Bürde; leicht das Joch, auf daß es ihn nicht drücke im Zuge des Lebens am Nacken der Liebe zum Herrn, und gar sanft die Bürde, welche ist das alleinige Gesetz der Liebe! - Weiter sehen wir ein Beispiel.

13] Der gerechte Pharisäer lobt sich selbst am Wege; aber der Zöllner rückwärts findet den ganzen Weg überaus beschwerlich. Denn nimmer mag er das Ziel desselben erschauen; - er beugt sich daher tiefst vor dem Herrn in seinem Herzen, erkennt seine Schwäche und Unfähigkeit, den Weg genau zu gehen. Dafür aber erfaßt er Gott den Herrn mit seinem Herzen und macht dadurch einen Riesensprung über den ganzen beschwerlichen Weg, und erreicht dadurch sein Ziel!

14] Wer wird hier nicht mit den Händen greifen, was „den Herrn über Alles lieben" heißt? - Also gehen wir weiter; die Martha ist am Wege, die Maria am Ziele! - Hier braucht man kaum mehr darüber zu sagen; denn zu klar und deutlich zeigt sich hier, was „den Herrn über Alles lieben" heißt.

15] Wollen wir aber die Sache noch zum Ueberflusse klarer haben, da betrachten wir noch die Scene, wo der Herr den Petrus dreimal fragt, ob er Ihn liebt? - Warum fragt Er ihn denn dreimal? Denn der Herr wußte ja ohnehin, daß Ihn Petrus lieb halte, und wußte auch, daß Ihm Petrus alle die drei gleichen Fragen mit demselben Herzen und demselben Munde gleichbedeutend beantworten wird. - Das wußte der Herr sicher; aber darum hat Er auch diese Frage nicht an den Petrus gestellt, sondern darum, daß der Petrus bekennen sollte, daß er frei ist und den Herrn über alles Gesetz hinaus liebe; und so bedeutet die erste Frage: „Petrus, liebst du Mich?" - Petrus, hast du Mich gefunden auf dem Wege? - Solches bejaht Petrus, und der Herr spricht: „Weide Meine Schafe," - d. h. lehre auch die Brüder Mich also finden! - Die zweite Frage: Petrus, liebst du Mich? - heißt: Petrus, bist du bei Mir, bist du an der Thüre? - Der Petrus bejaht Solches, und der Herr spricht: „Also weide Meine Schafe!" - oder: Also bringe auch die Brüder, daß sie bei Mir seien an der Thüre zum Leben! - Und zum dritten Male fragt der Herr den Petrus: „Liebst du Mich?" d. h. so viel, als; Petrus, bist du über alles Gesetz hinaus? Bist du in Mir, wie Ich in dir? - Aengstlich bejaht Solches Petrus, und der Herr spricht abermals: „Also weide Meine Schafe und folge Mir!" - d. h. so viel, als: Also bringe auch du die Brüder, daß sie in Mir seien und in Meiner Ordnung und Liebe wohnen, gleich wie du;

16] denn dem Herrn folgen heißt: in der Liebe des Herrn wohnen. - Ich meine, mehr noch zu sagen, was Gott über Alles lieben heißt, wäre denn doch etwas überflüssig; - und da wir nun Solches wissen, und das Licht des Lichtes erkannt haben, so wollen wir uns sogleich in den zwölften und letzten Saal begeben.

01] Um aber gründlich zu erfahren und einzusehen, wie man Gott über das Gesetz hinaus lieben soll, muß man wissen, daß das Gesetz an und für sich nichts anderes als der trockene Weg zur eigentlichen Liebe Gottes ist.

02] Wer Gott in seinem Herzen zu lieben anfängt, der hat den Weg schon zurückgelegt; wer aber Gott nur durch die Haltung des Gesetzes liebt, der ist mit seiner liebe noch immer ein Reisender auf dem Wege, allda keine Früchte wachsen und nicht selten Räuber und Diebe des Wanderers harren.

03] Wer aber Gott rein liebt, der liebt ihn schon über alles! Denn Gott über alles lieben heißt ja: Gott über alles Gesetz hinaus lieben. Wer draußen am Wege ist, der muß fortwährend Schritt um Schritt weiterschreiten, um so auf die mühevollste Weise das vorgesteckte Ziel zu erreichen. Wer aber Gott alsogleich liebt, der überspringt den ganzen Weg, also das ganze Gesetz, und er liebt sogestalt Gott über alles.

04] Man dürfte hier vielleicht sagen: Das klingt sonderbar, denn nach unseren Begriffen heißt »Gott über alles lieben«: Gott mehr lieben als alles in der Welt. - Gut, sage ich und frage aber zugleich: Welchen Maßstab hat aber der Mensch dafür, um solch eine Liebe zu bemessen? Der Einwender hat diese Maßstäbe der für den Menschen höchst möglichen Liebe auf der Welt deutlich genug auseinandergesetzt und gezeigt, daß der Mensch auf diese Weise für die Über-alles-Liebe zu Gott durchaus keinen Maßstab hat.

05] Ich aber sage: Ist durch das gegebene Gesetz nicht alles dargetan, wie sich der Mensch in seiner Begierde zu den weltlichen Dingen zu verhalten hat? Im Gesetze sind sonach alle Dinge dargestellt, und daneben für die Liebe des Menschen die gerechte Beschränkung gegeben, nach der sich ein jeder Mensch zu den weltlichen Dingen zu verhalten hat.

06] Wenn aber nun jemand Gott über das Gesetz hinaus liebt, der liebt ihn sicher auch über alle weltlichen Dinge hinaus, weil, wie gesagt, eben durch das Gesetz die Benutzung der weltlichen Dinge und das Verhalten zu denselben nach der göttlichen Ordnung dargestellt wird. Ein kurzer Nachtrag in vergleichender Stellung wird die ganze Sache sonnenklar machen.

07] Der Herr spricht zum reichen Jünglinge: »Verkaufe alles, teile es unter die Armen, und folge Mir!« - Was heißt das? Mit anderen Worten nichts anderes als: So du, Jüngling, das Gesetz beobachtet hast, so erhebe dich nun über dasselbe, gib der Welt alle Gesetze und alle ihre Dinge zurück, und du bleibe bei Mir, so hast du das Leben!

08] Wer wird hier nicht erkennen, was Gott über das Gesetz hinaus lieben heißt?

09] Weiter spricht der Herr zu den Jüngern: »So ihr nicht werdet wie dies Kindlein, so werdet ihr nicht in das Reich Gottes eingehen.« Was will denn das sagen? Nichts anderes als:

10] So ihr nicht wie dieses Kindlein, alles in der Welt nicht achtend, weder das Gesetz, noch die Dinge der Welt, zu Mir kommt und Mich wie dieses Kind mit aller Liebe ergreift, so werdet ihr nicht in das Reich Gottes eingehen! Warum denn nicht? Weil der Herr Selbst wieder spricht: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!« Wer also zu Mir, der Ich vollkommen eins bin mit dem Vater, Kommen wird, der muß durch Mich in den Stall oder das Reich Gottes eingehen.


11] Solange sonach jemand nicht den Herrn Selbst ergreift, so lange kann er nicht zu Ihm kommen, und wenn er gleich wie ein Fels tausend Gesetze unveränderlich beobachtet hätte. Denn wer am Wege noch ist, der ist noch nicht beim Herrn, wer aber beim Herrn ist, was sollte der noch mit dem Wege zu schaffen haben?

12] Aber hier unter euch gibt es Toren, und das zu vielen Hunderttausenden, die den Weg viel höher halten als den Herrn. Und wenn sie schon beim Herrn sind, so kehren sie wieder um und entfernen sich von Ihm, um nur am elenden Wege zu sein! Solche haben mehr Freude an der Knechtschaft, an der Sklaverei, an dem harten Joche als an dem Herrn, der jeden Menschen frei macht. Sein Joch ist überaus leicht und sanft Seine Bürde. Leicht das Joch, auf daß es im Zuge des Lebens nicht drücke am Nacken der Liebe zum Herrn und gar sanft die Bürde, welche ist das alleinige Gesetz der Liebe! - Weiter sehen wir ein Beispiel.

13] Der gerechte Pharisäer lobt sich selbst am Wege; aber der Zöllner findet den ganzen Weg überaus beschwerlich. Denn; nimmer vermag er dessen Ziel zu überschauen. Er beugt sich daher zutiefst vor dem Herrn in seinem Herzen, erkennt seine Schwäche und Unfähigkeit, den Weg genau zu gehen. Dafür aber erfaßt er Gott den Herrn mit seinem Herzen und macht dadurch einen Riesensprung über den ganzen beschwerlichen Weg und erreicht dadurch sein Ziel!

14] Wer wird hier nicht mit den Händen greifen, was »den Herrn über alles lieben« heißt? - Also gehen wir weiter. Die Martha ist am Wege, die Maria am Ziele! Hier braucht man kaum mehr darüber zu sagen, denn zu klar und deutlich zeigt sich hier, was »den Herrn über alles lieben« heißt.

15] Wollen wir aber die Sache zum Überflusse noch klarer haben, da betrachten wir noch die Szene, wo der Herr den Petrus dreimal fragt, ob er ihn liebe? - Warum fragt Er ihn denn dreimal? Denn der Herr wußte ja ohnehin, daß ihn Petrus lieb hatte, und wußte auch, daß ihm Petrus die drei gleichen Fragen alle mit demselben Herzen und demselben Munde gleichbedeutend beantworten wird. Das wußte der Herr. Nicht darum auch hat Er diese Frage an den Petrus gestellt, sondern darum, daß der Petrus bekennen sollte, daß er frei ist und den Herrn über alles Gesetz hinaus liebe. Und so bedeutet die erste Frage: »Petrus, liebst du Mich« - Petrus, hast du Mich gefunden auf dem Wege? - Solches bejaht Petrus, und der Herr spricht: »Weide Meine Schafe«! das heißt: Lehre auch die Brüder Mich also finden! - Die zweite Frage: Petrus, liebst du Mich? heißt: Petrus, bist du bei Mir, bist du an der Türe? - Der Petrus bejaht solches, und der Herr spricht: »Also weide Meine Schafe!« oder: Also bringe auch die Brüder, daß sie bei Mir seien an der Türe zum Leben! - Und zum dritten Male fragt der Herr den Petrus: »Liebst du Mich?« Das heißt so viel als: Petrus, bist du über alles Gesetz hinaus? Bist du in Mir wie Ich in dir? - Ängstlich bejaht Petrus solches, und der Herr spricht abermals: »Also weide Meine Schafe und folge Mir!« Das heißt so viel als: Also bringe du auch die Brüder, daß sie in Mir seien und in Meiner Ordnung und Liebe wohnen gleich wie du.

16] Denn dem Herrn folgen heißt: in der Liebe des Herrn wohnen. Ich meine, mehr noch zu sagen, was Gott über alles lieben heißt, wäre überflüssig. Und da wir nun solches wissen und das Licht des Lichtes erkannt haben, so wollen wir uns sogleich in den zwölften und letzten Saal begeben.

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