Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 88. Kapitel: Betrachtungen zum 9. Gebot

(Am 14. Oktober 1843 von 4 1/2 -61/2 Uhr Abds.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Bevor wir jedoch die volle Löse aussprechen wollen, wird es nothwendig sein, noch einige Bemerkungen voran zu schicken, durch welche so manchen juridischen Vielfraßen und übergelehrten Völkerrechts-Verkündigern der Mund solle gestopft werden; denn Diese könnten etwa das Besitzrecht vom Sammelrechte ableiten, wodurch sie uns wenigstens scheinbar schlagen könnten, daher wollen wir uns auch in diesem Punkte verschanzen.

02] Es ist allerdings nicht in Abrede zu stellen, daß da Jedermann vor dem Nutzungsrechte das Sammelrecht haben muß; denn so Jemand sich nicht mit seinen Händen und mit seiner Kraft eher Etwas holt und zubereitet, so kann er sein Nutzungsrecht nicht geltend machen. Denn das ist einmal richtig, bevor Jemand einen Apfel in den Mund stecken will, muß er ihn vom Baume oder vom Boden lesen.

03] Für das Sammelrecht hat er ebenfalls mehrere göttliche Urkunden aufzuweisen. Urkunde Nro. 1 sind die Augen; mit diesen muß er schauen, wo Etwas ist. - Urkunde Nro. 2 sind die Füße; mit diesen muß er sich dahin bewegen, wo Etwas ist, und Urkunde Nro. 3 sind die Hände; mit denen muß er dahin greifen und nehmen, da Etwas ist. Also laut dieser Urkunde hat der Mensch vom Herrn aus das Sammelrecht als urrechtlich zu seinem unbestreitbaren Eigenthume.

04] Könnte man aber hier nicht sagen: Ist dasjenige nicht vollkommen ein Eigenthum Dessen, der es laut seines göttlichen Sammelrechtes sich zusammengesammelt hat zu seiner Nutzung? Hat nun Jemand Anderer das Recht, seine Hände oder sein Verlangen darnach zu richten, was sich sein Nächster zusammengesammelt hatte? - Denn offenbar bedingt ein Recht das andere; habe ich vom Schöpfer aus das natürliche Nutzungsrecht, was im Magen und auf der Haut geschrieben ist, so muß ich auch das Sammelrecht haben, weil ich ohne das Sammelrecht das Nutzungsrecht nicht befriedigen kann.

05] Was nützt mir aber das Sammelrecht, wenn es mir den Bissen nicht sichert, den ich zum Munde führe? - Denn so da Jedermann das Recht hat, mir den Apfel, den ich mit meiner Hand laut meines Sammelrechtes aufgeklaubt habe, aus der Hand zu nehmen, weil er etwa zu bequem ist, sich selbst einen aufzuklauben, so gehe ich offenbar mit meinem Nutzungsrechte ein, und muß nolens volens verhungern.

06] Es ist somit nothwendig, daß das Sammelrecht wenigstens auf das ein Eigenthumsrecht anfordern kann, was es sich gesammelt hat, weil sonst an kein Nutzungsrecht ehrlicher Maßen zu gedenken ist.

07] Mit dem Sammelrechte verbindet sich das Bereitungs- und Verfertigungs-Recht; ist es mir aber nicht gestattet, auf das von mir Bereitete und Verfertigte ein vollkommenes Eigenthumsrecht geltend zu machen, so ist mir alle Thätigkeitskraft umsonst, und ich bin genöthiget, Nro. 1 alle eßbaren Dinge irgend heimlich roh zu verzehren, und Nro. 2 stets nackt herum zu gehen. Denn so ich mir ein Kleid verfertige, und ein Anderer, der zu diesem Geschäfte zu faul ist, nimmt es mir laut seines Nutzungsrechtes weg; frage: Was sollte denn da mein eigenes Nutzungsrecht dazu für eine Miene machen?

08] Wenn ich mir in einer kälteren Gegend ein Haus erbaue, und habe laut des Sammeln- und Verfertigungsrechtes gar kein Eigenthumsrecht dabei, da kann mich die nächste beste Gesellschaft aus dem Hause treiben und selbst davon an meiner Statt ihr Nutzrecht ausüben.

09] Daraus aber ist ja ersichtlich, daß mit dem natürlichen Erwerbsrechte eine gewisses prärogatives Eigenthumsrecht für den gewerbsthätigen Menschen eingeräumt sein muß, indem ohne ein solches Eigenthumsrecht rein genommen und betrachtet keine menschliche Gesellschaft als bestehend möglich auch nur gedacht werden kann.

10] Ist aber nun das Sammel- und das Bereitungsrecht als vollkommen giltig eingeräumt, so muß auch ein Fleck Grundes, auf dem ich eine Saat angebaut, wie ein Baum, den ich gepflanzt und veredelt habe, mir prärogativ als Eigenthum eingeantwortet sein.

11] Frage aber weiter: Wer antwortet mir Solches ein beim Urbeginn einer Kolonie? - Die Sache läßt sich leicht erklären; die Colonisten wählen aus ihrer Mitte einen von jeder Habsucht ledigen und zugleich weisesten Chef; diesem räumen sie die Auftheilungs- und somit auch die Einantwortungsrechte ein, unter der eidlichen gegenseitigen Schutzversicherung zur Aufrechthaltung und Befolgung seines Ausspruches, welcher Versicherung zu Folge ein oder der andere Widersetzling von den Ordnungsliebenden in die Schranken des Ausspruches von Seite des Oberhauptes zurückgewiesen wird. Auf die Mittel, wie oder wodurch, kommt es nicht an; denn diese können und müssen erst nach dem Grade der Widerspenstigkeit bestimmt, und dann gehandhabt werden.

12] Wer sieht hier nicht auf den ersten Augenblick die Unterwürfigkeit und die erste monarchialische Gründung eines Staates? Wer aber sieht auch nicht zugleich ein, daß, sobald das Sammel- und Erwerbs- und Bereitungsrecht mit einem prärogativen Eigenthumsrechte systematisch verbunden ist, dann daneben Niemanden aus seinem ihm zuerkannten Eigenthume Jemand das Sammel-, Erwerbs- und Bereitungsrecht beschränken kann. - Im Gegentheile muß es dem leitenden Chef ja nur vorzugsweise daran gelegen sein, seine Leitlinge so viel als möglich zum Sammel- und Bereitungsfleiße auf ihren eigenthümlich eingeräumten Besitzungen anzuspornen; und je mehr Jemand auf seinem Besttzthume durch Fleiß sich erwirbt, in eine desto angenehmere Lage versetzt er sich, seinem Nutzungsrechte die unbeschränkte Gewähr zu leisten.

13] Ist aber einmal dieses nothwendige Eigenthumsrecht zur Sicherung des Sammel-, Erwerbs- und Nutzrechtes nothwendig festgestellt, so zieht dieses Recht ja nothwendig das Hutrecht nach sich; denn ohne dieses Recht ist ja Keiner ein prärogativer Besitzer des ihm vom Chef eingeantworteten Eigenthumes.

14] Dieses Hutrecht aber setzt zuerst eine genaue Vermessung des Besltzthumes voraus; sind die Grenzen einmal festgezogen, dann erst kann ein jeder Besitzer von dem Hutrechte oder dem Rechte der Vertheidigung seines Eigenthums den Gebrauch zu machen anfangen.

15] Dieses Hutrecht ist aber ohne bevollmächtigte Hüter nicht ausführbar; es müssen also Wehrmänner aufgestellt werden, welche das unbeschränkte Recht haben, die Grenzen eines Jeden vollkommen zu sichern; - sie müssen also das Executionsrecht haben, welches so viel, als ein Straf- oder Züchtigungsrecht ist. Wer aber sollte diese Wehrmänner leiten? Sicher niemand Anderer, als der die ganze Kolonie leitende Chef.

16] Hier haben wir also ganz nothwendig die Entstehung des Militärstandes; zugleich aber auch die Feststellung einer unbeschränkten Macht des Chefs, der nun schon durch die Wehrmänner gebietet und seine Gebote sanctioniren kann.

17] Haben wir's so weit gebracht, wer kann da noch auftreten und sagen: Die gegenwärtigen Staatsverfassungen sind nicht auf diesem göttlichen Rechte basirt? - Ja, es ist einem Kritiker Alles recht; nur kann er noch das Obereigenthumsrecht des Monarchen nicht begreifen. Ich aber sage: Hat man das Frühere so erwiesen, was beiweitem schwieriger ist, so läßt sich das Obereigenthumsrecht eines Monarchen daneben mit einer Schlafmütze beweisen. - Wir wollen sehen.

18] Wenn nun von Seite der Weisheit des leitenden Chefs Alles beeigenthumsrechtiget ist, und sind dem Chef zur Bewachung des Besitzthums der Colonisten allzeit disponible Wehrmänner an die Seite gestellt; hat da der Chef nicht ein zweifaches Recht, die durch seine Weisheit beglückten Colonisten zu fragen und zu sagen: Ich bin in euerer Mitte, habe durch meine Weisheit für euch gesorgt und ihr habt mich eben darum zum leitenden Chef gemacht, weil ihr mich als den am wenigsten habsüchtigen Mann unter euch wohl gekannt habt.

19] Ich habe sonach das Land unter euch gerecht vertheilt, und schütze nun mit meiner Weisheit und mit den weise geleiteten Wehrmännern euer Eigenthum, aber bei der Vertheilung habe ich zu Folge meiner Habsuchtslostgkeit auf mich vergessen; ihr werdet aber doch sicher einsehen, so euch an meiner ferneren weisen Leitung nothwendig etwas gelegen sein muß, daß ich von der Luft nicht leben kann. Was soll ich denn hernach zu meinem Unterhalt haben, um leben zu können? - Für's Erste habe ich keine Zeit zum Sammeln; denn ich muß meine Zeit zum steten Nachdenken verwenden, wie sich euer Besitzthum fortwährend sichern lassen möchte.

20] Ihr werdet also einsehen, daß ein getreuer Arbeiter auch seines Lohnes werth ist; daher verordne ich, daß ihr mit einander darüber übereinkommet, mir aus euerem eigenthümlich gesicherten Vorrathe einen Unterhalt zu verschaffen, und ich kann das von euch mit um so größerem Rechte ansprechen, weil die Erhaltung eueres gegenseitigen prärogativen Eigenthumsrechtes lediglich von meiner Erhaltung abhängt. Neben meiner Erhaltung aber ist noch die andere, euer Eigenthum sichernde Erhaltung der Wehrmannschaft vonnöthen; denn auch sie hat nicht Zeit zum Arbeiten, indem sie euere Gränzen in guter Ordnung bewachen muß.

21] Euer eigenes Heil und Wohl muß es euch sonach vor die Augen stellen, daß ich und die Wehrmannschaft euch gegenüber erwerbslos dastehen, und daß darum ein Jeder aus euch zur festen Gründung seines eigenen Wohles sich zu einer bestimmten Steuerung an mich wird bequemen müssen.

22] Diese ausgesprochene Forderung erscheint allen Colonisten als vollkommen rechtlich und billig, und sie bequemen sich zur Steuerung; und auf diese Weise hat der leitende Chef schon sein erstes natürliches, wenn schon nicht Ober- so doch Miteigenthumsrecht bei allen Colonisten geltend gemacht.

23] Zwischen dem Miteigenthumsrechte und dem Obereigenthumsrechte aber ist eine so kleine Kluft, über welche sogar das kleinste Kind dem andern in den Sack greifen kann; denn der Chef braucht hier bloß zu sagen: Meine lieben Colonisten! Es kann euch nicht unbekannt sein, daß uns irgend gegenüber noch eine andere Colonie sich uns gleicher Maßen seßhaft gemacht hat; um aber uns vor ihr zu schützen, müßt ihr mir ganz unumschränkt das Recht allseitig einantworten, daß ich als euer Chef gewisserart im Nothfalle als Obereigenthümer eueres Eigenthumes dastehen und in einem solchen Falle die Außengränzen befestigen können muß nach meiner weisen Einsicht, und muß das Recht haben, in euer Aller Namen zu euerem Wohle mit einer fremden Nation, falls sie mächtiger sein sollte, wie wir, zweckmäßig zu unterhandeln.

24] Ferner müßt ihr als die meiner Leitung bedürftigen Colonisten auch aus dem allerverständigsten Grunde einsehen, daß ich als euer Haupt für's Erste in euerer Milte einen festen Ort erbaut haben muß, in dem ich mich als euer Haupt vor Allem zu euerer Erhaltung nothwendig schützen und erhalten kann, und für's Zweite ist es zu meiner für euer Wohl berechneten Sicherheit nicht nur genug, daß ihr mir ein Wohnhaus errichtet, sondern um mein Wohnhaus herum in gerechter Anzahl noch andere Wohnhäuser zur Aufnahme der lediglich von meiner Leitung abhängigen Wehr- und Hutmannschaft, d. h. mit andern Worten gesagt: Ihr müßt mir in eurer Milte eine feste Wohnstätte erbauen, in welcher ich vollkommen gesichert bin sowohl vor fremden, als auch unter gewissen Fällen vor eueren eigenen möglichen Angriffen.

25] Wir sehen hier mit sicher klarem Augenlichte, wie hier der Monarch sich nothwendiger Weise zum Obereigenthümer eines Landes stempelt. Aber das sei noch nicht hinreichend, wir wollen noch andere Gründe vernehmen, und das zwar aus dem Munde des Gründers selbst; denn er spricht ferner:

26] Meine lieben Colonisten, - den unumstößlichsten Grund für die Errichtung eines festen Wohnplatzes für mich in euerer Mitte habe ich zu euerer Einsicht dargethan; also hättet ihr den ersten Grund. Höret mich aber an für's Zweite: das Land ist ausgedehnt; es ist unmöglich, daß ich überall selbst sein sollte, daher will ich mit euch eine Prüfung halten, und werde aus euch die Weiseren als meine Amtsführer und Stellvertreter im Lande vertheilen. Diesen Stellvertretern ist dann Jedermann denselben Gehorsam zu seinem eigenen Wohle schuldig, als mir selbst.

27] Sollte aber jedoch einem oder dem andern Unterthan meiner weisen Leitung von diesen meinen erwählten Amtleuten ein vermeintliches Unrecht zugefügt worden sein, so hat in diesem Falle ein Jeder das Recht, seine Beschwerde vor mir anzubringen, wo er dann versichert sein kann, daß ihm nach Umstand der Sache das vollkommene Recht zu Theil wird, wogegen ihr mir aber eben zu euerem eigenen Wohle, damit da allen Streitigkeiten vorgebeugt werde, die treueste und gewissenhafteste Versicherung geben müsset, sich ohne die geringste fernere Widerrede meinem Endurtheile willigst zu fügen; im entgegengesetzten Falle mir zum Wohle Aller ebenfalls das unbestreitbare Recht von Allen zugesichert werden muß, einen solchen Widerspenstling gegen mein Endurtheil mit züchtigender Gewalt zur Befolgung meines Willens zu nöthigen. Wenn dieses Alles in der Ordnung errichtet und gehandhabt wird, dann erst werdet ihr ein wahrhaft glückliches Volk sein!

28] Wir sehen hier einen zweiten von allem Früheren abgeleiteten Schritt Nro. 1 zur Alleinherrschaft, und Nro. 2 zum obereigenthümlichen Besitze des ganzen Landes. Und also hätten wir den vollkommenen ersten in der Natur der Sache begründeten Grund als auf diese Weise unwiderlegbar zur Schau gestellt; dieser Grund kann der natürliche von der menschlichen Gesellschaft abgeleitete nothwendige genannt werden. - Aber es wird da Jemand sagen: Solches ist Alles an und für sich also naturgerecht richtig, als wie sicher und gewiß der Mensch der Augen zum Sehen und der Ohren zum Hören bedarf; aber wir sehen diese an und für sich noch ganz rohen Colonisten an, und erblicken sie im Ernste allerthätigst und voll Gehorsam gegen ihren Leiter.

29] Aber aus eben diesem Gehorsam fangen sich die Colonisten an mit der Zeit vor ihrem Leiter stets mehr und mehr zu fürchten; und in dieser Furcht fragt bald der Eine, bald der Andere sich gegenseitig: Aber worin liegt es denn doch, daß unter uns dieser alleinige Mensch so außerordentlich gescheidt ist, und wir Alle gegen ihn sind als wahrhaftige Tölpel zu betrachten? - Diese Frage, so gering und unscheinbar sie in ihrem Anfange erscheint, ist von außerordentlicher Wichtigkeit, und drückt in ihrer Beantwortung erst dem Umstande der Alleinherrschaft und des Obereigenthumes eines Monarchen das unverletzbare Amtssigill aus. - Das klingt sonderbar, dürfte so Mancher im Voraus sagen; allein nur eine kleine Geduld, und wir werden die Sache sogleich in einem anderen Lichte erschauen!

01] Bevor wir jedoch die volle Löse aussprechen wollen, wird es notwendig sein, noch einige Bemerkungen voranzuschicken, durch welche so manchen juridischen Vielfraßen und übergelehrten Völkerrechts-Verkündigern der Mund gestopft werden soll. Dann diese könnten etwa das Besitzrecht vom Sammelrechte ableiten, wodurch sie ums wenigstens scheinbar schlagen könnten. Daher wollen wir uns auch in diesem Punkte verschanzen.

02] Es ist allerdings nicht in Abrede zu stellen, daß jedermann vor dem Nutzungsrechte das Sammelrecht haben muß. Denn bevor sich jemand nicht mit seinen Händen und mit seiner Kraft etwas holt und zubereitet, kann er sein Nutzungsrecht nicht geltend machen. Das ist einmal richtig, bevor jemand einen Apfel in den Mund stecken will, muß er ihn vom Baume oder vom Baden lesen.


03] Für das »Sammelrecht« hat er ebenfalls mehrere göttliche Urkunden aufzuweisen. Urkunde Nr. 1 sind die Augen. Mit diesen muß er schauen, wo etwas ist. Urkunde Nr. 2 sind die Füße. Mit diesen muß er sich dahin bewegen, wo etwas ist. Urkunde Nr. 3 sind die Hände. Mit denen muß er dahin greifen und nehmen, wo etwas ist. Also laut dieser Urkunde hat der Mensch vorn Herrn aus das Sammelrecht als urrechtlich zu seinem unbestreitbaren Eigentume.

04] Könnte man aber hier nicht sagen: Ist das Gesammelte dann nicht volkommen ein Eigentum dessen, der es laut seines göttlichen Sammelrechtes zu seiner Nutzung gesammelt hat? Hat nun ein anderer das Recht, seine Hände oder sein Verlangen darnach zu richten, was sich sein Nächster gesammelt hat? Denn offenbar bedingt ein Recht das andere. Habe ich vom Schöpfer aus das natürliche Nutzungsrecht, das im Magen und auf der Haut geschrieben ist, so muß ich auch das Sammelrecht haben, weil ich ohne das Sammelrecht das Nutzungsrecht nicht befriedigen kann.

05] Was nützt mir aber das Sammelrecht, wenn es mir den Bissen nicht sichert, den ich zum Munde führe? Denn so da jedermann das Recht hat, mir den Apfel, den ich mit meiner Hand laut meines Sammelrechtes aufgeklaubt habe, aus der Hand zu nehmen, weil er etwa zu bequem ist, sich selbst einen aufzuklauben, so gehe ich offenbar mit meinem Nutzungsrechte ein und muß wohl oder übel verhungern.

06] Es ist somit notwendig, daß das Sammeelrecht wenigstens auf das ein Eigentumsrecht fordern kann, was es sich gesammelt hat, weil sonst an kein Nutzungsrecht ehrlichermaßen zu denken ist.

07] Mit dem Sammelrecht verbindet sich das Bereitungs- und Verfertigungsrecht. Ist es mir aber nicht gestattet, auf das von mir Bereitete und Verfertigte ein vollkommenes Eigentumsrecht geltend zu machen, so ist alle Tätigkeitskraft umsonst, und ich bin genötigt, erstens alle eßbaren Dinige heimlich roh zu verzehren und zweitens stets nackt umherzugehen. Denn so ich mir ein Kleid verfertige und ein anderer, der zu diesen Geschäft zu faul ist, nimmt es mir laut seines Nutzungsrechtes weg, Frage, was sollte denn da mein eigenes Nutzungsrecht dazu für eine Miene machen?


08] Wenn ich mir in einer kälteren Gegend ein Haus erbaue und habe laut des Sammel- und Verfertigungsrechtes dabei kein Eigentumsrecht, da kann mich die nächstbeste Gesellschaft aus dem Hause treiben und selbst davon an meiner Statt ihr Nutzrecht ausüben.

09] Daraus aber ist ja ersichtlich, daß mit dem natürlichen Erwerbsrechte ein gewisses prärogatives (urrechtliches) Eigentumsrecht für den gewerbstätigen Menschen eingeräunt sein muß, ohne ein solches Eigentumsrecht, rein genommen und betrachtet, keine menschliche Gesellschaft als bestehend möglich auch nur gedacht werden kann.

10] Ist aber nun das Sammel- und das Bereitungsrecht als vollkommen gültig eingeräumt, so muß auch ein Fleck Grundes, þauf dem ich eine Saat angebaut, wie ein Baum, den ich gepflanzt und veredelt habe, mir prärogativ als Eigentum eingeantwortet sein.

11] Frage aber weiter: Wer antwortet mir solche ein bei Beginn eines Kolonie? Die Sache läßt sich leicht erklären. Die Kolonisten wählen aus ihrer Mitte einen von jeder Habsucht ledigen und zugleich weisesten Chef. Diesem räumen sie die Austeilungs- und somit auch die Eigenantwortungsrechte ein, unter der gegenseitigen eidlichen Schutzversicherung zur Aufrechthaltung und Befolgung seines Spruches. Dieser Versicherung zufolge wird ein oder der andere sich Widersetzende von den Ordnungsliebenden in die Schranken des Spruches von seiten des Oberhauptes zurückgewiesen. Auf die Mittel, wie oder wodurch, kommt es nicht an, denn diese können und müssen erst nach dem Grade der Widerspenistigkeit bestimmt und dann gehandhabt werden.

12] Wer sieht hier nicht auf den ersten Augenblick die Unterwürfigkeit und die erste monarchische Gründung eines Staates? Wer aber sieht auch nicht zugleich ein, daß, sobald das Sammel-, das Erwerbs- und Bereitungsrecht mit einem prärogativen Eigentumsrecht systematisch verbunden ist, niemanden auf seinem ihm zuerkannten Eigentume das Sammel-, Erwerbs- und Bereitungsrecht beschränkt werden kann. Im Gegenteile muß dem leitenden Chef ja nur vorzugsweise daran gelegen sein, seine Leitlinge soviel als möglich zum Sammel- und Bereitungsfleiße auf ihren eigentümlich eingeräumten Besitzungen anzuspornen. Und je mehr sich jemand auf seinem Besitztume durch Fleiß erwirbt, in eine desto angenehmere Lage versetzt er sich, seinem Nutzungsrechte die unbeschränkte Gewähr zu leisten.


13] Ist aber einmal dieses Eigentumsrecht zur Sicherung des Sammel-, Erwerbs- und Nutzungrechtes notwendig festgestellt, so zieht dieses Recht zwangsläufig das Hutrecht nach sich; denn ohne dieses Recht ist keiner ein eigentumsberechtigter Besitzer des ihm vom Chef eingeantworteten Eigentums.


14] Dieses Hutrecht aber setzt zuerst eine genaue Vermessung des Besitztumes voraus. Sind die Grenzen einmal fest gezogen, dann erst kann ein jeder Besitzer von dem Hutrechte oder dem Rechte der Verteidigung seines Eigentums Gebrauch machen.

15] Dieses Hutrecht ist aber ohne bevollmächtigte Hüter nicht durchführbar. Es müssen also Wehrmänner aufgestellt werden, welche das unbeschränkte Recht haben, die Grenzen eines jeden zu sichern. Sie müssen daher das Exekutionsrecht haben, also ein Straf- oder Züchtigungsrecht. Wer aber sollte diese Wehrmänner leiten? Sicher niemand anderer als der die ganze Kolonie leitende Chef.


16] Hier haben wir also notwendig die Entstehung des Militärstandes, zugleich aber auch die Feststellung einer unbeschränkten Macht des Chefs, der nun schon durch die Wehrmänner gebieten und seine Gebote sanktionieren kann.

17] Haben wir es so weit gebracht, wer kann da noch auftreten und sagen: Die gegenwärtigen Staatsverfassungen sind nicht auf diesem göttlichen Rechte basiert? Ja, es ist einem Kritiker alles recht, nur kann er das Obereigentumsrecht des Monarchen noch nicht begreifen. Ich aber sage: Hat man das Frühere so erwiesen, was bei weiten schwieriger war, so läßt sich das Obereigentumsrecht eines Monarchen daneben mit einer Schlafmütze beweisen. - Wir wollen sehen.

18] Wenn nun von seiten der Weisheit des leitenden Chefs alles eigentumsberechtigt ist und dem Chef zur Bewachung des Besitztums der Kolonisten allzeit einsatzfähige Wehrmänner an die Seite gestellt sind, hat da der Chef nicht ein zweifaches Recht, die durch seine Weisheit beglückten Kolonisten zu fragen und zu sagen: Ich bin in eurer Mitte, habe durch meine Weisheit für euch gesorgt, und ihr habt mich eben darum zum leitenden Chef gemacht, weil ihr mich als dem am wenigsten habsüchtigen Mann unter euch wohl erkannt habt.

19] Ich habe sonach das Land unter euch gerecht verteilt und schütze nun mit meiner Weisheit und mit den weise geleiteten Wehrmännern euer Eigentum. Aber bei der Verteilung habe Ich zufolge meiner Habsuchtslosigkeit mich selbst ganz vergessen. Ihr werdet aber sicher einsehen, so euch an meiner ferneren weisen Leitung notwendig etwas gelegen sein muß, daß ich von der Luft nicht leben kann. Was soll ich denn hernach zu meinem Unterhalt haben, um Leben zu können? Zeit zum Sammeln habe ich keine, denn ich muß meine Zeit zum steten Nachdenken verwenden, wie sich euer Besitztum fortwährend sichern lassen möchte.

20] Ihr werdet also einsehen, daß ein treuer Arbeiter auch seines Lohnes wert ist. Daher verordne ich, daß ihr miteinander darüber übereinkommet, mir aus eurem eigentümlich gesicherten Vorrate einen Unterhalt zu verschaffen. Ich kann das von euch mit um so größerem Rechte beanspruchen, als die Erhaltung eures gegenseitigen Eigentumsrechts lediglich von meiner Erhaltung abhängt. Neben meiner Erhaltung aber ist noch die andere euer Eigentum sichernde Erhaltung der Wehrmannschaft vonnöten, denn auch sie hat nicht Zeit zmn Arbeiten, indem sie eure Grenzen in guter Ordnung bewachen muß.


21] Euer eigenes Heil und Wohl müssen es euch sonach vor die Augen stellen, daß ich und die Wehrmannschaft euch gegenüber erwerbslos dastehen, und daß darum ein jeder aus euch zur festen Gründung seines eigenen Wohles sich zu einer bestimmten Steuerung an mich wird bequemen müssen.

22] Diese ausgesprochene Forderung erscheint allen Kolonisten vollkommen rechtlich und billig, und sie bequemen sich zur Steuerung. Auf diese Weise hat der leitende Chef schon sein erstes natürliches, wenn schon nicht Ober-, so doch Miteigentumsrecht bei allen Kolonisten geltend gemacht.

23] Zwischen dem Miteigentumsrecht und dem Obereigentumsrecht aber ist eine so kleine Kluft, daß über sie sogar das kleinste Kind dem andern in den Sack greifen kann. Der Chef braucht hier bloß zu sagen: Meine lieben Kolanisten! Es kann euch nicht unbekannt sein, daß sich uns gegenüber noch eine andere Kalonie uns gleichermaßen seßhaft gemacht hat. Um uns aber vor ihr zu schützen, müßt ihr mir das uneingeschränkte Recht in allem einantworten, so daß ich im Notfalle als euer Chef gewisserart als Obereigentümer eures Eigentumes dastehe und in einem solchen Falle die Außengrenzen nach meiner weisen Einsicht befestigen kann. Ich muß das Recht haben, in euer aller Namen zu eurem Wohle mit einer fremden Nation, falls sie mächtiger sein sollte als wir, zweckmäßig zu umterhandeln.


24] Ferner müßt ihr als die meiner Leitung bedürftigen Kalonisten aus dem leichtverständlichen Grunde auch einsehen, daß ich als euer Haupt in euer Mitte einen festen Ort erbaut haben muß, in dem ich mich vor allem zu eurer Erhaltung notwendig schützen und erhalten kann. Aber es ist zu meiner für euer Wohl berechtigten Sicherheit nicht genug, daß ihr mir ein Wohnhaus errichtet, sondern um mein Wohnhaus her müssen in gerechter Anzahl noch andere Wohnhäuser zur Aufnahme der lediglich von meiner Leitung abhängigen Wehr- und Hutmannschaft errichtet werden. Das heißt mit andern Worten: Ihr müßt mir in eurer Mitte eine feste Wohnstätte (Residenz) erbauen, in welcher ich völlig gesichert bin, sowohl vor fremden als auch vor euren möglicherweise eigenen Angriffen.


25] Wir sehen hier mit klarem Augenlichte, wie der Monarch sich notwendigerweise zum Obereigentümer eines Landes stempelt. Aber das sei nicht hinreichend. Wir wollen noch andere Gründe vernehmen, und zwar aus dem Munde des Gründers selbst, denn er spricht ferner:

26] Meine lieben Kolonisten, den unumstößlichen Grund für die Errichtung eines festen Wohnplatzes für mich in eurer Mitte habe ich zu eurer Einsicht dargetan. Also hättet ihr den ersten Grund. Hört mich aber weiter an: Das Land ist weitgedehnt; es ist unmöglich, daß ich überall selbst sein kann. Daher will ich mit euch eine Prüfung halten und werde aus euch die Weiseren als meine Amtsführer und Stellvertreter im Lande verteilen. Diesen Stellvertretern ist dann jedermann zu seinem eigenen Wohle denselben Gehorsam schuldig wie mir selbst.

27] Sollte jedoch einem oder dem andern Untertanen meiner weisen Leitung von diesen meinen erwählten Amtleuten ein vermeintliches Unrecht zugefügt worden sein, so hat in diesem Falle ein jeder das Recht, seine Beschwerde bei mir anzubringen, wo er dann versichert sein kann, daß ihm nach Umstand der Sache das vollkommene Recht zuteil wird. Dagegen müßt ihr mir aber eben zu eurem eigenen Wohle, damit allen Streitigkeiten vorgebeugt werde, die treueste und gewissenhafteste Versicherung geben, euch ohne die geringste fernere Widerrede meinem Endurteil willig zu folgen. Im entgegengesetzten Falle muß mir zum Wohle aller ebenfalls das unbestreitbare Recht von allen zugesichert werden, einen gegen mein Endurteil Widerspenstigen mit züchtigender Gewalt zur Befolgung meines Willens zu nötigen. Wenn dieses alles in der Ordnung errichtet und gehandhabt wird, dann erst werdet ihr ein wahrhaft glückliches Volk sein!

28] Wir sehen hier einen zweiten von allem Früheren abgeleiteten Schritt: Nr. 1 zur Alleinherrschaft und Nr. 2 zum obereigentümlichen Besitze des ganzen Landes. Und also hätten wir den ersten vollkommen in der Natur der Sache begründeten Grund auf diese Weise unwiderlegbar zur Schau gestellt. Dieser Grund kann der natürliche, von der menschlichen Gesellschaft abgeleitete notwendige genannt werden. Aber es wird da jemand sagen: Solches alles ist an und für sich ebenso naturgerecht richtig, als wie sicher und gewiß der Mensch der Augen zum Sehen und der Ohren zum Hören bedarf. Wir sehen diese an sich noch ganz rohen Kolonisten an und erblicken sie im Ernste ²allertätigst und voll Geborsam gegen ihren Leiter.

29] Aber aus eben diesem Gehorsam fangen die Kalonisten an, sich mit der Zeit vor ihrem Leiter mehr und mehr zu fürchten. Und in dieser Furcht fragen bald der eine, bald der andere sich gegenseitig: Woran liegt es denn, daß unter uns allen dieser Mensch so außerordentlich gescheit ist und wir alle gegen ihn als wahrhafte Tölpel zu betrachten sind? Diese Frage, so gering und unscheinbar sie im Anfange erscheint, ist von außerordentlicher Wichtigkeit und drückt in ihrer Beantwortung erst dem Umstand der Alleinherrschaft und des Obereigentums eines Monarchen das unverletzbare Amtssigill auf. Das klingt sonderbar, dürfte so mancher im voraus sagen, allein nur eine kleine Geduld, und wir werden die Sache sogleich in einem anderen Lichte erschauen! -

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