Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Supplemente S. 316


01] Nun, daß hier zuvor das Leben der Seele und des Geistes nach außen wirken mußte, habt ihr bei der Blüte und der nachherigen Fruchtschale gesehen. Daß es aber bei diesem Leben hinaus nach außen nicht zu verbleiben hat, mochtet ihr ja wohl an dem Vergehen der Blüte und endlich an dem der Schale bemerkt haben. So jemand dieses Gleichnis recht auffaßt, wird er den Johannes wohl gar nicht zu schwer in sich finden.« (joh.03,30)

02] Sehet, solches aber ist der Johannes: So jemand das Wort vom Anfang bis zum Ende liest, da hat er es doch zunächst gelesen mit den Augen, dann mit dem Munde und also auch mit den Ohren. So er das mit großer Aufmerksamkeit getan hat, da waren ja Seele und Geist hinaus nach außen gerichtet und achteten auf das Fleisch, wie dieses das Wort dem Buchstaben nach in sich aufnahm. Sehet, ist das nicht die Blüte? Was geschieht aber hernach, so dss Wort schon gelesen wurde? Sehet nur eine Blüte an, wenn ein Frühlingshauch anfängt ihren Kelch langsam zu bewegen. Fallen da nicht die befruchtenden Stäublein von den äußeren männlichen Blütenfäden auf die weibliche Blütenfaser hinaus, wodurch dann erst der neue Lebenskeim zu Bildung der eigentlichen inneren Frucht in die kaum sichtbare Entstehung der Schale gelegt wird? Sehet, das ist die Aufnahme des Wortes in das innere Gefühlsleben. Wenn das Wort da Wurzel gefaßt hat, fängt es an zu wachsen und wird größer und größer und bildet auf diese Weise vorerst einen Leib. Das ist der Leib der Buße, in welchen Leib also alles Leben des äußeren Leibes übergegangen ist. Dieser Leib ist dann der eigentliche Johannes. (joh.03,30)

03] Aber möchte hier nicht jemand fragen, warum soll denn dieser edle Leib auch wieder abzunehmen anfangen, und was ist das dadurch wachsen sollende Er? Sehet, so das Wort ausgewachsen ist in dem Leben des Gefühles, was wird da rege oder wohin zielet das Gefühl? Kann sich das Gefühl wohl selbst genügen? Oder muß es nicht einen andern Gegenstand haben, den es ergreift und endlich ganz in ihn übergeht? (joh.03,30)

04] Damit ihr dieses wieder umso gründlicher fasset, will Ich zu dem Behufe ein neues Gleichnis geben. Eine Braut bekommt aus fernem Lande ein Schreiben von ihrem Bräutigam. Sie liest jedes Wort mit großer Aufmerksamkeit durch. Wenn sie aber den Brief durchgelesen hat, so hat sich auch sogleich darauf aus diesen Worten ein Wesen in ihr gebildet, nämlich ein Gefühlsmensch gleich dem ihres Bräutigams, in welchen Menschen nun ihr ganzes äußeres Blütenleben übergegangen ist, so zwar, daß sie jetzt lediglich in diesem zweiten Menschen lebt, atmet, denkt und fühlt. (joh.03,30)

05] Sehet, dieser Mensch ist sonach auch ein Johannes in dieser Braut, der sie durch seine Bußpredigt genötigt hat, sich von aller andern Welt abzuziehen und sich mit diesem neuen Menschen in ihr zu vereinen. Nun frage ich weiter: Wird die Braut wohl zufrieden sein mit diesem in ihr gebildeten Menschen, welche da noch immer das ich ausmacht? Nein, sondern sie wird in diesem neuen Menschen bald die lebendige Frucht der Liebe zu dem Er gar mächtig wahrzunehmen anfangen, so zwar, daß sie ganz in diese Liebe zum Er übergehen wird. Aus diesem Er wird sich ihr Verlangen immer lebendiger und lebendiger nach dem eigentlichen Er aussprechen und wird nimmer ruhen, bis der wirkliche Er gekommen und sie vollkommen eins mit ihm geworden ist. (joh.03,30)



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