Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Supplemente S. 280


Geschichtlicher Überblick über die Entstehung des Neuen Testaments (jl.ev11.280,01-284,01)

01] »Ich habe dich schon gestern noch auf eine Menge andere kleinere Widersprüche aufmerksam gemacht, die sich in den drei Evangelien des Matthäus, Lukas und Markus begegnen, und Ich will dich noch auf einige andere aufmerksam machen, die sich in der spätern Zeit nicht nur unter diesen bekannten drei Evangelisten, sondern noch bei weitem mehr unter der Menge der andern, sowohl jüdischen und auch heidnischen Weiterverbreiter Meiner Lehre, die man auch Evangelisten nannte, in den verschiedenen Gemeinden derart eingewurzelt haben, daß schon in kaum 30 Jahren nach Mir wegen der Verschiedenheit der Aussagen in den Schriften von Mir - förmliche Kriege und sonstige Schlägereien sich erhoben haben, unter denen gleich jene zu Neros Zeit in Rom zwischen den vielen Judenchristen und Paulinischen Heidenchristen derart feindselig ausgebrochen sind, daß es Nero für notwendig erschien, die große und überwiegende Anzahl der Judenchristen in Rom samt einem großen Anteile der von ihnen bewohnten Stadt zu vertilgen, und sogar jener Römer nicht zu schonen, die das Panier des Judenchristentums gewisserart als Kennzeichen öffentlich zur Schau trugen.

02a] Aber es hat auch selbst diese grausame Verfolgung der Judenchristen von seiten Neros wenig gefruchtet; denn unter den spätern Nachfolgern dieses Kaisers wußten sich die Juden dennoch wieder in Rom einzuschmuggeln und machten aus Rom ein zweites Jerusalem gleichwie die Griechen aus Konstantinopel. Und wie das geschehen war, so wurde besonders das römische Jerusalem (Rom) stets mächtiger, fabrizierte sich zum Teil aus den Judenevangelien, zum Teil mit der Annahme der alten Jerusalemischen Tempelgebräuche und auch mit der der römischen Heiden, nämlich was das römische Pontifikat betroffen hat, ihren Ritus.

02b] Die Römer waren demnach im Besitz aller möglichen Judenevangelien, sowie der alten Judenschrifen und auch der Heidenevangelien, und stellten da gewisse sog. Kirchenväter auf, welche die Hauptfabrikanten der römischen Dogmen waren, die aber den griechischen Evangelien oft schnurstracks entgegen standen, und das um so leichter und um so mehr, weil der römische Oberhirte nichts Emsigeres zu tun hatte, als auch die Griechen mit seinen Missionären zu beschicken, was nach dreihundert Jahren, (i. J. 325, d. Hrsg.) unter den Gläubigen eine solche Verwirrung hervorgebracht hatte, daß viele der Griechen wieder anfingen, die heidnischen Altäre und Tempel aufzurichten und darinnen (in den Tempeln) der Göttin Minerva, dem Gott Apollo, dem Jupiter und der Ceres ihre Opfer dazubringen.

03a] »Kaiser Konstantin, der für sich ein eifriger Christ war, beschloß diesem Unfuge dadurch Schranken zu setzen, daß er in der Stadt Nicäa, als dem Hauptsitze der verschiedensten Glaubensmeinungen, eine große Kirchenversammlung (325, d. Hrsg.) zusammen berief, zu der auch der Oberbischof von Rom geladen wurde. Er selbst führte den Vorsitz und zeigte ihnen die üblen Folgen, die sich in jüngster Zeit aus der großen Glaubensverschiedenheit über Christum erheben müßten.

03b] Er schlug ihnen dann eine vollkommene Sichtung, sowohl der geschriebenen Evangelien, wie noch mehr jener, der traditionellen, vor und sagte, "daß man sich aus den vielen einander völlig widersprechenden Evangelien nur eines einzigen, und zwar dessen des Johannes bedienen solle, damit die Christen im Glauben einig würden und sich nicht mehr wegen der Glaubensverschiedenheit gar so verfolgten wie die wilden Tiere, und damit nicht die Heiden lieber wieder zu ihrem alten Heidentume zurückkehrten, als so verbleiben unter einer solchen Lehre, von der man bei dem besten Wissen und Willen nirgendwo Wahres und Rechtes mehr erfahren kann.



Home  |    Index Supplemente   |   Werke Lorbers