Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 162. Kapitel: Unterredung zwischen dem römischen Oberrichter und dem griechischen Arzt.

01] Hier trat ein angesehener Römer, der den Arzt schon eine Zeitlang belauscht hatte, zu unserem Arzte und sagte zu ihm: »Freund, was für einen allein wahren Gott hast denn du gefunden, um dessen Allmacht willen du hier vor deinen bescheideneren Gefährten allen alten Göttern, allen Menschen, allen Furien, Teufeln, den wilden, reißenden Bestien, Nattern und Schlangen und in deiner Idee vielleicht auch den Elementen den Krieg erklärt hast? Du kennst Roms Gesetze und ihre strenge und unerbittliche Handhabung, und ich bin ein römischer Oberrichter und habe meine Leute hier. Was würdest du denn sagen, so ich dich nun trotz der dich schützen sollenden oder mögenden Allmacht deines neuen Gottes dennoch von meinen Schergen ergreifen und in einen bösen Kerker werfen ließe? Daher rechtfertige dich nun über deinen neuen, allein wahren Gott, oder dir soll geschehen, was ich zu dir gesagt habe!«

02] Sagte der Arzt, voll der männlichsten Unerschrockenheit: »Hoher Richter, du bist auch als ein Kranker hierhergekommen, nachdem du zuvor schon bei allen Göttern für dein unheilbares Lungenleiden wie auch bei allen Ärzten, sogar bei mir zu Melite, vergeblich Hilfe gesucht hast! Was würdest denn du von einem Menschen, den man sehen und sprechen kann, halten, der in einem Augenblick bloß durch die wunderbare Macht seines Willens sogar von der Ferne dich derart heilte, daß du dich so vollkommen und für bleibend gesund befandest, wie du je zuvor in deiner Jugend warst?

03] Würdest du solch einen Menschen auch uns, die wir einander nicht mehr helfen können, etwa gleichstellen und ihn mit deiner römischen Richtermacht bedrohen? Oder würdest du am Ende nicht selbst bei dir sagen: "Siehe, dieser Mensch vermag, was nur einem Gott, nie aber je einem Menschen möglich ist. Er muß daher in Sich auch vollkommen göttlicher Natur und Wesenheit sein!"?

04] Und sieh, einen solchen Menschen haben wir gefunden! Da stehen zwei, die heute vormittag auf dem Berge von Ihm nur durch Seinen Willen geheilt worden sind. Sie brachten uns solche frohe Kunde, und ich, als ein Arzt zu Melite - wie dir das bekannt sein wird, weil du selbst mich meines weit ausgebreiteten Rufes wegen vor einem Jahr besucht hast, der ich auch die Unheilbarkeit deines alten Übels so gut wie meinen eigenen bösen Zustand wohl erkannt hatte -, faßte auf die bei den beiden Freunden gewonnene Überzeugung hin in mir selbst das vollste Vertrauen zu dem wahrhaften Gottmenschen und bat Ihn, daß Er auch mir also helfen wolle, wie Er den beiden Freunden geholfen hatte, so Er nach Seinem Versprechen etwa noch heute in diese Heilanstalt segenvollst kommen werde.

05] Als ich diesen in mir im vollsten Vertrauen auf des Gottmenschen wunderbarste Macht gefaßten Wunsch aber noch kaum vor diesen meinen Orts- und Leidensgefährten laut ausgesprochen hatte, da fuhr es wie ein Blitz durch alle Fibern meines Leibes, und siehe, ich ward im selben Augenblick so vollkommen gesund, wie ich es zuvor kaum je war!

06] Der dir, hoher Richter, von mir nun dargestellte Gottmensch besitzt demnach nicht nur die rein göttliche Eigenschaft, jede Krankheit bloß durch die Allmacht Seines Willens zu heilen, sondern Er weiß auch in der Ferne sogar um das, was du noch so geheim in dir denkst und fühlst und kann dir denn auch aus der größten Ferne helfen.

07] Kann dir das auch der Kaiser mit allen seinen tapfersten Legionen oder unser stummer Zeus, Apoll oder ein anderer von dir höchst verehrter Gott? Wenn sie das könnten, da hätten wir in unsern alten und letzten Tagen uns sicher nicht dieser Heilanstalt, von der wir wohl viel Wunderrühmliches vernommen haben, anvertraut. Wir wurden bei allem unserem vielen Bitten und Opfern an unsere Götter nicht um ein Haar besser, im Gegenteil nun schon von Tag zu Tag schlimmer, hochgerühmte Anstalt, in der du dich schon sicher länger denn ich befindest, hat nach meiner Erkenntnis deinen Zustand eben noch nicht um ein Wahrnehmbares gebessert!

08] So nun mein neuer, nach meiner unerschrockenen Behauptung allein wahrer und nicht von den alten, selbstsüchtigsten und faulsten Priestern erdichtete Gott auch dir plötzlich also helfen würde, wie Er mir geholfen hat, welche Meinung würdest du über Ihn fassen, und welch eine Sprache sicher aus deinem innersten Gemüte laut durch deinen Mund ausstoßen?«

09] Sagte nun der Richter: »Ja, wenn die Sache sich also verhält, dann gewinnt alles ein ganz anderes Gesicht! Ich bin in meinem Amte zu Tyrus und habe auch schon so manches von einem gewissen Wunderheiland, der im Judenlande sein Wesen treibe, vernommen, wie auch, daß er eine ganz neue Gotteslehre unter den Juden ausbreite, einen großen Anhang finde und darum von den Judenpriestern und ihren Obersten allerorts verfolgt werde, daß sie ihm aber dennoch nicht an den Leib kommen können; aber von seiner von dir entschieden dargestellten Göttlichkeit habe ich bis jetzt noch nichts vernommen.

10] Doch dem sei nun, wie ihm wolle! Weil er sich in diesem Orte sicher erst seit kurzem aufhält und sogar diese Anstalt besuchen will, so werde ich ihn bei dieser Gelegenheit wohl auch noch näher kennenlernen.

11] Von unserem Oberstatthalter Cyrenius und von seinen untergebenen Räten weiß ich wohl, daß sie große Stücke auf ihn halten, aber ob sie ihn auch für einen Gott anerkennen, darüber ist mir noch nichts zu Ohren gekommen; heimlich kann das schon sein, doch offen werden sie davon nicht reden, sondern nur unter sich.

12] Ich möchte daher auch dir als Freund nun raten, mit deiner Behauptung noch etwas geheimhältiger zu sein und dann erst laut davon zu reden, so sich noch ein mehreres über deinen Gott unter den Menschen als wahrhaft göttlicher Art darstellen wird; denn sonst könntest du doch, besonders bei den finsteren Priestern, bedeutende Anstände zu erdulden bekommen.

13] Ich bin nun selbst kein Freund mehr der faulen und dabei stets bösen Götterdiener, denn sie haben mich für nichts und wieder nichts um manches Pfund Goldes und um sehr viele Pfunde Silbers gebracht -; aber wehe dem, der es wagte, in ihre alten Wespen-, Hornissen- und Skorpionennester zu stechen! Mehr brauche ich dir nicht zu sagen.«

14] Sagte darauf der Arzt, ganz voll glühenden Eifers: »Freunde, mit der sicheren Hilfe meines neuen und allein wahren Gottes getraue ich mir die heilig große und lebendige Wahrheit vor allen Menschen laut auszusprechen, und sie werden mir nicht an den Leib kommen! Diese Überzeugung fühle ich schon jetzt lebendigst in mir, obschon ich noch nie die Gnade hatte, die Person meines Gottes und Herrn zu sehen; um wie vieles größer wird dann mein Mut werden, so ich Ihn erst selbst werde gesehen und gesprochen haben! Er komme nun bald zu uns!«



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