Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 105. Kapitel: Bericht von Indojuden über den Zweck ihrer Reise.

01] Hierauf öffnete der Verheiratete den Mund und sagte in gut verständlicher hebräischer Sprache: »O Freund, wer hat dich so über unser Land unterrichtet, das bis zur Stunde noch gar wenigen Fremden bekannt ist? Da hast die volle Wahrheit geredet, und es steht mit uns also; aber wie kamst du hinter unsere so tief verborgenen Geheimnisse?«

02] Sagte Ich: »Das kümmere euch vorderhand nicht, sondern seid frohen Mutes, und du rede, was Ich von euch verlangt habe!«

03] Hierauf öffnete abermals der, welcher verheiratet war, den Mund und sagte (der Indojude): »Lieber, uns noch völlig unbekannter Freund, siehe, wir haben wahrlich ein gesegnetes Gebirgsland, das noch einmal so viele Menschen und Tiere ernähren könnte, als es gegenwärtig ernährt; aber den Eigennutz und die Selbstsucht hat der Satan auch in unser Land verpflanzt! Die Ältesten, sein wollend die Weisen und Leiter des Volkes, haben das Land unter sich geteilt und haben das Volk zu ihren Dienern bestimmt, und so gibt es nun in unserem Lande bei siebenhundert Patriarchen, von denen beinahe ein jeder an zehntausend untergeordnete Diener beiderlei Geschlechts zählt.

04] Es gibt aber nun zwischen uns selbst schon einen gegenseitigen Neid und dadurch auch Zwietracht und Verfolgungen und somit auch kleine Kriege; denn da will ein jeder der Weiseste sein und auch der Reichste und Angesehenste, und es ist in unseren Tagen schon mehrere Male nahe daran gewesen, daß das dienende Volk aus den siebenhundert Patriarchen einen Weisesten zum Könige erwählen sollte. Aber das Volk ist noch klug und sagt: "Gott allein ist unser aller Herr und König! Er hat uns aus der argen Gefangenschaft der Heiden in dies herrliche Land geführt", - sollen wir Ihm auch so ungetreu und ungehorsam werden, wie es Ihm einst unsere Väter zu den Zeiten Samuels, des letzten Richters, geworden sind? Das sei ferne von uns!

05] Sollte Gott auch durch den Mund eines Propheten die gerechte Klage über uns also erheben, daß Er mit der Stimme des Donners sagte: "Siehe, dies Volk hat vor Mir schon so viele der größten Sünden begangen, als wie viel es da gibt des Grases auf der Erde und des Sandes im Meere, und zu allen diesen Sünden fügt es nun noch dadurch die allergrößte hinzu, daß es mit Meiner so väterlich guten und weisen Regierung unzufrieden ist und einen König, wie ihn die Heiden haben, mit allem Ungestüm verlangt!" Oh, das sei ferne von uns! Lieber wollen wir euch noch hundert Jahre als gute Arbeiter dienen und euch die unrecht an euch gerissenen großen Gründe um den bedungenen Lohn bearbeiten, als aus euch erwählen einen König!

06] Es steht aber auch geschrieben, daß Gott dereinst allen Juden einen König aus den Himmeln herabsenden werde, und unsere Weisen haben schon etwa Seinen Stern entdeckt und sind Ihn nach dem Laufe des Sternes suchen gegangen. Wenn sie wiederkommen werden, da werden wir es schon aus ihrem Munde erfahren, wie es mit der Ankunft des großen Königs aller Juden steht!

07] Freund, diese Versammlung des Volkes zur Wahl eines Königs aus der Zahl der siebenhundert Patriarchen geschah vor dreißig Jahren nach unserer Zeitrechnung, und das Volk enthielt sich um so mehr bis zur Stunde von einer Königswahl, da nach einem Jahre unsere ausgegangenen sternkundigen Weisen wieder zurückkamen und uns treu und wahr ganz umständlich erzählten, wie und wo sie den neugeborenen König der Juden gefunden haben, und welche unerhörten Wunder aus den Himmeln Seine Geburt und Sein Dasein auf Erden verkündeten und verherrlichten!

08] Auf diese Nachricht, an die auch unsere siebenhundert Patriarchen glaubten, obschon einige mit sauren Mienen, unterblieb bis zur Stunde eine irgend erneuerte Königswahl. Es verstrichen aber seit jener Zeit schon mehr denn dreißig Jahre, und es wurden von uns zu verschiedenen Malen Kundschafter hierher gesandt, um zu erfahren, wie es mit dem Könige aller Juden, wo solcher auch auf der Erde immer wohnen möge, stehe. Selbst unsere alten drei Sternkundigen haben sich schon vor etwa ein paar Jahren wieder hierher begeben; ob sie schon wieder mit guter Nachricht heimgekehrt sind, das wissen wir nicht, da unser Wohnland nun um vieles größer ist, als es zur Zeit der ersten Besitznahme war und nun oft schon etliche Jahre dazu erforderlich sind, bis das ganze, nun sehr große und weit auseinander wohnende Volk erfährt, welche Nachrichten von außen her ins Land gebracht worden sind.

09] Es mögen daher die drei Weisen schon wieder vielleicht mit den besten Nachrichten nach Hause gekommen sein, so konnten wir dennoch aus dem treu und wahr angeführten Grunde nicht erfahren, was die abermals ausgegangenen drei für Nachrichten ins Land gebracht haben. Zudem hat uns auch die stets wachsende Herrschlust unserer Patriarchen mit allerlei Besorgnis erfüllt, als könnten sie etwa beim Vernehmen guter Nachrichten über den neuen Himmelskönig aller Juden stützig (widerspenstig) geworden sein und den Weisen strenge verboten haben, dem Volke solche Nachricht zu hinterbringen. Und so machten wir uns heimlich auf den weiten Weg, um hier in unserem alten Vaterlande auszukundschaften, wie es hier mit dem neuen Könige steht.

10] Unsere Reise war eine beschwerliche, da wir zu wenig Goldes und so auch nur wenig Edelsteine, die bei uns als Tauschmittel gebraucht werden, haben mit uns nehmen können. Wir mußten uns auf dem weiten Wege zum Teil von uns bekannten Wurzeln und zum Teil von der noch hie und da im Gebrauche stehenden Gastfreundschaft der Menschen durchbringen. Aber alle unsere Beschwerden hielten uns nicht zurück, Den suchen zu gehen, der uns - wie es in den Propheten geschrieben steht - von aller Not erretten kann und wird.

11] Wir sind nun trotz aller Beschwerden und Entbehrungen in das alte Vaterland der Juden gekommen, das etwa nach vierzig Jahren ihnen zurückgegeben ward, aber nun abermals unter der Herrschaft der Heiden - Römer genannt - steht, und wir hoffen denn nun auch mit großer Zuversicht, daß wir unsere weite Reise nicht vergeblich unternommen und gemacht haben. Gold, Silber und Edelsteine, womit man Könige zu ehren pflegt, haben wir freilich wohl nicht, aber ein aufrichtiges und den großen Himmelskönig aller Juden über und über liebendes Herz, das Er auch nicht zurückstoßen wird; und mit dem wollen wir Ihn ehren und preisen unser Leben lang!

12] Aber nun noch etwas, du lieber und überaus weiser und um alles wissender Freund! Ihr seid euer viele in dem Speisezimmer, und scheint mit allen Verhältnissen der Menschen auf der ganzen weiten Erde bestens vertraut zu sein und werdet sicher auch wissen, wo Sich der große König wohnlich befindet. Ist Er in Jerusalem oder in Bethlehem, wo Er nach der Aussage unserer drei Weisen, die auch den Ehrentitel "Könige" in der Sternkunde besitzen, geboren worden ist, oder in irgendeiner andern Stadt des einst so großen und mächtigen Judenreiches anzutreffen, und wie und wann, auf daß wir dahin ziehen schon am morgigen Tage und Ihn aufsuchen?«

13] Sagte Ich: »Freund, du hast deinen Weg wahrlich nicht umsonst gemacht, - aber weder in Jerusalem noch in Bethlehem und in einer andern stolzvollen Stadt wirst du Ihn, deinen neuen König der Juden, als bleibend wohnlich finden, da Er stets arm und ganz ohne allen äußeren Weltglanz von einem Orte zum andern zieht und die Menschen erkennen lehrt das Reich Gottes und dessen Gerechtigkeit; aber wo ihr es euch nicht verseht, wird Er sein und euch mit offenen Armen und Herzen aufnehmen!

14] Das Ehrenopfer aber, das ihr Ihm darbringen wollt und eigentlich schon dargebracht habt, wird Ihm wahrhaftest lieber sein denn alles, was die Menschen auf der Welt irgend als höchst wertvolle Schätze anerkennen und begierlich an sich zu reißen sich alle Mühe geben! Denn bei Ihm gilt nur ein reines, liebevolles, demütiges und mit aller Sanftmut erfülltes Herz; die Schätze der Welt aber sind vor Ihm ein Greuel und bekommen erst dann einen Wert, wenn sie zu den Zwecken der wahren Nächstenliebe verwendet werden. Wo sie aber als Nahrung für den menschlichen Geiz, für des Menschen Hochmut und Herrschsucht dienen und die Menschen zu Trägheit, Fraß, Völlerei, Hurerei, Raub, Mord und zu noch vielen andern Lastern verleiten, da sind sie auch aller Verdammung werte Greuel vor Ihm, der ein Herr ist über alles im Himmel also wie auf Erden.

15] Sein Thron ist die reine Liebe, und Sein alles überstrahlender Glanz ist die ewige und lebendige Wahrheit; wer an Ihn glaubt, Ihn über alles liebt und Seine Gebote hält, dem gibt Er aus Sich das ewige Leben.

16] Seht, so ist der neue König der Juden und auch der Heiden beschaffen und läßt Sich von jenen Menschen allzeit gern und sicher finden, die Ihn mit der wahren Liebe in ihrem Herzen suchen! Und da ihr Ihn also suchet, so werdet ihr Ihn auch sicher finden; denn Er Selbst wird euch unversehens entgegenkommen!«

17] Sagte der Verheiratete: »O du lieber und sehr weiser Freund! Aus unseren Mienen kannst du lesen, welch eine große Freude du uns mit deiner Aussage und Beschreibung in bezug auf den großen König gemacht hast! Denn also muß Er sein nach der Weissagung der alten Weisen! Du aber mußt schon sehr oft und sehr viel mit Ihm zu tun gehabt haben, weil du Ihn gar so durch und durch zu kennen scheinst! Wie sieht Er denn so von Person gestaltlich aus? Möchtest Du uns nicht davon eine kleine Beschreibung geben?«

18] Sagte Ich: »Seht, unser Wirt hat unterdessen für euch etliche gute Fische bereiten lassen! Geht nun zuvor an euren Tisch, und verzehrt sie; darauf erst wollen wir wieder weiterreden!«

19] Darauf taten die vier freudig das, was Ich ihnen geraten hatte.



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