Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 66. Kapitel: Jesus über rechte Sündenvergebung.

01] Es trat aber alsbald mit ganz ernster Miene der Römer Agrikola zu Mir und sagte: »O Herr und Meister, ist es möglich, daß es unter den Juden gar so elendeste Kreaturen geben sollte, die so etwas gegen Dich geheim im Herzen tragen können? O Du großer Gott! Hast Du für sie denn kein verzehrendes Feuer mehr? Von solchen elendesten Kreaturen verdient ja doch ein jeder tausend Male gekreuzigt zu werden! Wahrlich, ich habe schon manches Böseste über das vernommen, wie die Templer gegen Dich gesinnt sind, aber das habe ich noch nicht gehört!«

02] Sagte Ich: »Freund, wundere dich dessen ja nicht gar besonders; denn es wird bald die Zeit kommen, in der du noch ganz anderes von dieser argen Art über Mich hören wirst! Denn sie wird nicht eher ruhen in ihrem geheimen Grimme gegen Mich, als bis Ich Selbst, wie Ich es euch schon zum voraus angedeutet habe, es zulassen werde, daß sie an Mir Selbst das Maß ihrer Greuel vollmachen werden; dann aber wird auch kommen das große Gericht über sie, von dem der Prophet Daniel geweissagt hat, als er stand an der geheiligten Stätte, und von dem Ich dir auch schon zum voraus eine Wahrkunde gab!«

03] Sagte Agrikola: »O Herr und Meister, es ist ganz gut, daß Du mir solches geoffenbart hast; denn dadurch werden wir Römer dann schon am klarsten wissen, was wir nachher zu tun haben werden!«

04] Sagte Ich: »Ihr werdet handeln, so ihr dazu berufen werdet! - Aber nun lassen wir das: es wird nun bald etwas anderes zum Vorschein kommen!«

05] Als der Schriftgelehrte solches alles vernommen hatte, da fing er an, in sich zu gehen, und sagte nach einer Weile: »Herr und Meister, nun erkenne ich, daß Du mehr als der Sohn Josephs, des Zimmermanns, bist, der vor drei Jahren das Zeitliche gesegnet hat! Denn so Du weißt, was im Herzen eines Menschen vor sich geht, so mußt Du ein Gott sein! Und siehe, dieweil Du vermochtest, solches hell und der Wahrheit getreust uns ins Gesicht zu sagen, was keinem sterblichen Menschen je möglich wäre, so fange ich nun an zu glauben, daß Du sicherlichst der Messias bist! Herr und Meister, stärke mich in meinem Glauben!«

06] Sagte Ich: »Der Glaube allein wird dich nicht selig machen, sondern die Tat nach dem Lichte des Glaubens, auf daß der Glaube lebendig werde. Mache aber auch das Unrecht, das du vielfach an deinen Nebenmenschen begangen hast, soviel es möglich ist, wieder gut, so werden dir deine Sünden vergeben werden; denn solange jemand nicht den letzten ungerechten Stater an seinem Nebenmenschen berichtigt hat, wird er ins Reich Gottes nicht eingehen!«

07] Sagte der Schriftgelehrte: »Herr und Meister, da werden wenige ins Reich Gottes eingehen! Denn wie häufig ist daß der Fall, daß man selbst beim besten Willen das an jemand wissentlich verübte Unrecht gar nicht mehr wieder gutmachen kann, und solcher Verhinderungsfälle gibt es eine Menge. Was soll man da tun, um zur Vergebung der Sünden zu gelangen?«

08] Sagte Ich: »Wo ein Mensch, der sein Unrecht erkannt und bereut hat, das unmöglich an seinem Nebenmenschen mehr gutmachen kann, was er ihm geschadet hat, so bekenne er sein Unrecht reuig und wahr im Herzen vor Gott und bitte Ihn um Vergebung und daß Er, dem alle Dinge möglich sind, an dem Geschädigten den ihm zugefügten Schaden gutmachen wolle und möge, so wird Gott solch eine aufrichtige Bitte auch allzeit sicher erhören und dem ernst gutwilligen und reuigen Bittsteller die Sünde vergeben, besonders wenn derselbe durch Liebewerke an anderen wieder gutzumachen bemüht ist, was er an denen, die für ihn nicht mehr da sind, hätte gutmachen sollen.

09] Wer aber auch das nicht mehr könnte, dem solle durch eine rechte Reue und durch seinen wahrhaft guten Willen von Gott aus geholfen sein. Aber solange die Gelegenheit noch da ist, daß du das deinem Nebenmenschen angetane Unrecht selbst noch gutmachen kannst, da nützt dir der pure gute Wille, Reue und Bitte wenig oder nichts, sondern allein die Tat. Nach dieser erst sollst du auch Gott um Vergebung deiner Sünden bitten, und sie werden dir auch von Gott aus vergeben werden, so du dir den wahren und ernsten Vorsatz im Herzen gemacht hast, keine Sünde mehr zu begehen, und den gemachten Vorsatz auch aus allen deinen Lebenskräften, die unter der Herrschaft deines freien Willens stehen, hältst.

10] Fällst du aber wieder in deine alten Sünden von neuem, so bleiben dir auch alle die begangenen auf der Rechnung. Denn hast du an deinem Nächsten ein begangenes Unrecht einmal gutgemacht, daß ihr dann Freunde geworden seid, begehest aber bald darauf entweder an demselben Freunde oder an einem andern ein neues Unrecht, so kommt dir auch das schon gutgemachte vor dem Gericht als ein erschwerender Beweis für deine neu begangene Sünde entgegen, und du wirst von dem Gerichte auch doppelt so stark bestraft werden, als du für deine erste Untat wärest bestraft worden. Wenn aber schon die weltlichen Richter also ihre Urteile fällen, und das mit Recht, so wird Gott sicher mit einem verstockten Sünder, der sich wohl manchmal bessert und sein Unrecht sühnt, aber bald wieder von neuem zu sündigen anfängt, nicht milder verfahren.

11] Der Mensch kann also nur dadurch die wahre und volle Vergebung seiner begangenen Sünden erlangen, so er erstens seine Sünden als ein Unrecht gegen seine Nebenmenschen erkennt, sie bereut und nach Möglichkeit wiedergutmacht, und zweitens aber dann auch Gott um Vergebung bittet mit dem ernsten Vorsatz, die Sünden nicht mehr zu begehen und dem gemachten guten Vorsatz auch treu zu bleiben. So ihr das in euren Herzen euch treu und wahr vornehmen und dann aber auch nach der Vornahme handeln werdet, so sage Ich es euch schon hier: Eure Sünden sind euch von Mir vergeben!«

12] Sagte der Schriftgelehrte: »Herr und Meister! Deine Lehre ist scharf, aber wahr, und ich werde nach aller Möglichkeit trachten, ihr in der Tat nachzukommen. Aber Du sagtest, daß Du uns die Sünden vergibst im voraus, so wir Deiner Lehre nachkommen werden. Hast Du denn auch an Gottes Stelle das Recht und die Macht, den Menschen ihre Sünden zu vergeben?«

13] Sagte Ich: »Mit euch Blinden ist schwer von der Pracht der Farben zu reden! Habe Ich denn nicht zuvor gesagt, daß Mir alle Macht und Gewalt im Himmel und auf Erden zukommt?«



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