Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


4. Kapitel: Die Bekehrung des Sklavenhändlers

01] Als das Volk sich also bald gänzlich verlaufen hatte, da erst trat Ich mit Raphael, Agrikola und Lazarus zu dem Haupthändler hin und sagte zu ihm in seiner Zunge: »Wer gab euch zuerst das Recht, Menschen und eure Kinder als eine Ware auf den Märkten der Welt zu verkaufen und sie dadurch zu Sklaven eines tyrannischen, geilen Käufers zu machen?«

02] Sagte der Oberhändler: »Willst du sie mir abkaufen, dann zeige ich dir, daß ich dazu das Recht habe; kaufst du sie aber nicht, so sage ich dir, so du's haben willst, erst vor dem Pfleger des Landes, daß ich mein Recht dazu habe. Bin ich dereinst doch selbst als ein Sklave verkauft worden; aber mein Herr, dem ich treust diente, schenkte mir darauf die Freiheit und vieles Geld. Ich zog wieder in mein Heimatland und handle nun selbst mit derselben Ware, als welche ich selbst vor zwanzig Jahren einem andern dienen mußte. Ich wurde als ein Sklave glücklich; warum diese da nicht?! Dazu ist das in unseren Ländern eine schon gar alte Sitte, und unsere Weisen haben uns darob noch nie zur Rede gestellt. Gegen unsere Landesgesetze sündigen wir dadurch nicht, und für die eures Landes zahlen wir ein Lösegeld; und so haben wir uns vor niemandem unseres guten Rechtes wegen zu verantworten!«

03] Sagte Ich: »Du warst aber doch vor dreißig Tagen im Gebirge und opfertest dreißig Schafe, zehn Ochsen, zehn Kühe und zehn Kälber, und dein Wahrsager sagte zu dir: "Wenn du auf deiner Reise keinen Blitz sehen und keinen Donner hören wirst, so wirst du glücklich sein!" Du aber legtest dir die Sache gut aus, indem du meintest, daß es in so später Jahreszeit kein Ungewitter mit Blitz und Donner mehr gäbe, und begabst dich mit deinen Mithändlern auf die weite Reise. Aber nun hat es denn doch gedonnert und zum voraus geblitzt! Was wirst du nun machen?«

04] Hier sah mich der Haupthändler groß an und sagte: »Wenn du nur ein Mensch bist, gleichwie ich einer bin, so kannst du das nicht wissen! Denn erstens bist du noch nie in unserem Lande gewesen,und zweitens weiß auf der ganzen Welt kein Mensch um den Ort, wo der erste und berühmteste Wahrsager wohnt. Verraten haben kann es dir auch kein Mensch, denn wir verraten uns um alle Schätze der Welt nicht. Wie also kannst du mein tiefstes Geheimnis wissen? Freund, sage mir nur das, und alle diese Sklaven gehören dir!«

05] Sagte Ich: »Hat euch nicht euer Wahrsager einmal gesagt, daß es noch einen größeren Gott gebe, von dem er bloß aus alten, geheimen Schriften gehört habe? Doch das sei für Sterbliche zu groß und unbegreiflich, und sie sollten sich darum nicht weiter um diese Sache bekümmern! - Hat nicht also geredet euer Wahrsager?«

06] Nun ward der Haupthändler ganz außer sich und sagte: »Ich habe es gesagt und sage es noch einmal: Du bist kein Mensch, sondern - Du bist ein Gott! Und was soll ich, ein schwacher Wurm der Erde, mich gegen Dich setzen, der Du mich mit einem Hauche vernichten kannst?! Es ist wahr, ich mache irdisch ein schlechtes Geschäft! Aber hätte ich noch tausendmal so viele Sklaven, als ich hier habe, und das wahrlich um teures und großes Geld, so wären sie alle Dein eigen! Denn weißt Du, großer und unbegreiflich erhabener Freund, wir in unserem Lande wissen es zum größten Teile, wo uns das harte Bärenleder am Fuße drückt; aber helfen können wir uns nicht! Hilf Du uns, Freund, - und nicht nur diese, sondern tausendmal so viele, und so viele Du noch darüber haben willst, gehören Dir; denn Du bist kein Mensch, sondern Du bist ein völlig wahrster Gott!«

07] Sagte Ich zu den Umstehenden: »Nehmt euch alle ein Exempel daran! Das sind Sklavenhändler von sehr finsterer Art, und wie bald haben sie Mich erkannt! Und da oben steht der Tempel, den David und Salomo mit großen Unkosten Mir erbauen ließen, - aber welch ein ungeheurer Unterschied zwischen diesen Sklavenhändlern, die nur der Menschen Leiber verkaufen, und diesen Seelenverkäufern an die Hölle!«

08] Seht, diese Sklavenhändler sind Eliasse gegen diese elenden Seelenmeuchelmörder da oben! Darum wird es dereinst auch Sodom und Gomorra vor Mir besser ergehen als dieser elenden Höllenbrut da oben. Denn wäre in Sodom und Gomorra das geschehen, was hier geschieht, so hätten sie in Sack und Asche Buße getan und wären Selige geworden. Allein, hier bin Ich Selbst da, und sie trachten Mir nach dem Menschenleben!

09] Seht, hier an Meiner Seite steht Mein Lieblingsengel Raphael, und Ich sage es euch: Es besteht mehr Ähnlichkeit zwischen ihm und diesen Sklavenhändlern denn zwischen ihm und diesen Gottesdienern da oben! Ich sage es euch: Dieser Sklavenhändler ist schon ein Engel; aber die da oben sind Teufel!«

10] Hier wandte Ich Mich wieder an den Sklavenhändler und sagte zu ihm: »Freund, wieviel verlangst du für alle diese deine Sklaven? Rede!«

11] Sagte der Haupthändler: »Mein Gott, was soll ich, ein schwacher, sterblicher Mensch, von Dir wohl verlangen? Alle diese und nochtausendmal so viele gebe ich Dir, wenn Du mich nur der Gnade für wert hältst, mir zu sagen, wo es uns so ganz eigentlich fehlt und gebricht!«

12] Sagte Ich: »So gib sie alle frei, und Ich werde euch darob die ewige Freiheit eurer Seelen und das ewige Leben geben!«

13] Sagte hierauf der Haupthändler: »Der Handel ist gemacht und geschlossen; denn mit Göttern ist leicht handeln. Gebt alle Sklaven frei; denn wir haben nun den besten Handel gemacht! Daß unsere Sklaven nicht schlecht daran sein werden, davon bin ich zum voraus überzeugt. Wir selbst aber haben den größten Gewinn gemacht; denn wir haben uns dadurch von Gott das ewige Leben erkauft. - Seid ihr, meine Gefährten, alle einverstanden?«

14] Sagten alle: »Ja, Hibram, wir haben noch nie einen größeren Gewinn gemacht! Aber unser Wahrsager hat sich diesmal sehr geirrt; denn gerade der Blitz und der Donner haben uns zum größten Glücke verholfen! - macht sie frei, die Gebundenen, und sie seien ein unentgeltliches Eigentum dieses reinen Gottes! Wir aber wollen uns sogleich auf den Rückweg machen!«

15] Sagte Ich: »O nein, die Gebundenen nehme Ich wohl an, - aber ihr selbst werdet euch noch drei Tage hier aufhalten, jedoch ohne eure Kosten; denn für euch werde Ich der Zahler sein zeitlich und ewig!«


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