Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 141


Der mißglückte Überfall des Synagogenobersten.

01] Eines Tages kam der schon bekannte Synagogenoberste mit seinen Pharisäern und Schriftgelehrten zu Matthias und verlangte mit Mir zu reden, da er erfahren habe, daß Ich Mich mit Meinen Jüngern abermals allhier aufhalte. Denn er habe aus Jerusalem die strengsten Befehle erhalten, sich über diesen Nazaräer genauest zu erkundigen, was er tue, und welches Wesen er nun treibe. Ja, er solle ihn sogar aufgreifen und entweder tot oder lebendig nach Jerusalem einliefern.

02] Da sagte Matthias: ”Herr, Er wohnt bei mir; aber ich rate dir nicht, Ihn irgend anzugreifen - denn da bist du samt allen deinen Helfern total verloren!“

03] Sagte der Oberste: ”Vergiß du nie, daß sein Zauber die hochgeweihten Priester nicht anzugreifen vermag!“

04] Sagte Matthias: ”Gut, - da in diesem großen Zimmer weilt Er mit allen Seinen Jüngern und hält eben Sein Mittagsmahl! Gehe hinein und rede selbst mit Ihm!“

05] Da ging der Oberste an die zugemachte Tür und pochte ganz gewaltig an.

06] Und Ich sagte zum Riesen: ”Laß ihn herein, und rede du ganz allein mit ihm; denn aus Meinem Munde ist er keines Wortes wert!“

07] Hier machte der Riese die Tür auf und donnerte dem Obersten entgegen: ”Nur herein, ihr allerelendsten Wichte und Schurken! Eure schöne Absicht ist uns schon lange bekannt, und wir sind eben darum hierhergekommen, um sie aus eurem Drachenmund zu vernehmen. Also herein, ihr wilden Nacht- und Sumpfbestien, und redet, auf daß das Gericht nicht solange aufgehalten wird, euch nach Verdienst zu zermalmen!“

08] Diese Anrede machte auf den Obersten und auf seine Konsorten einen derartigen Eindruck, daß sie zu beben anfingen und keiner imstande war, auch nur einige Worte zu stammeln. Sie hielten den Riesen für einen römischen Vizediktator, der - vom Kaiser mit allen Machtvollkommenheiten ausgestattet - nun alle Juden über die Klinge werde springen lassen. Als nun diese Besucher voll Furcht und Schrecken vor der geöffneten Türe standen, da fingen die Hintersten an, stark Miene zum Durchgehen zu machen.

09] Da herrschte der Riese mit sehr gewaltiger Donnerstimme dem Wirte zu: ”Schließe alle Türen fest ab, auf daß mir keine von diesen Menschenbestien entkommen kann!“

10] Als der Riese noch kaum diese Sentenz ausgedonnert hatte, da hatte der Wirt lange nicht Zeit zur Genüge, die Türen abzuschließen; denn diese Sentenz hatte den Forschern die Füße außerordentlich beflügelt, so daß sie Hals über Kopf davonrannten.

11] Aber der Riese sprang dem Obersten nach und hatte ihn gleich beim Rocke, hob ihn wie eine Feder in die Luft und fragte ihn da, was er gewollt habe.

12] Der Oberste aber sagte, bebend und schlotternd: ”Herr, Herr, ich wollte nur laut Auftrag von Jerusalem aus mit dem gewissen Propheten reden, und da kamst du, Allerfürchterlichster, mir, dem Obersten der Synagoge von hier, gar so erschrecklich entgegen, - und so konnte ich mit ihm nichts reden!“

13] Sagte der Riese: ”Elendester Schurke, du bist es auch ewig nimmer wert, dich diesem wahrsten Gottmenschen nur auf zehntausend Schritte zu nahen, geschweige mit Ihm zu reden! Ich weiß um alles, was die elendsten Schurken in Jerusalem und du und deine bösesten Helfershelfer wider den erhabensten Gottmenschen haben. Wehe euch, so ihr es je wagen solltet, Ihn anzurühren mit euren Beelzebubsklauen! Da sollt ihr den großen Römer kennen lernen!“ - Hierauf setzte er den Obersten wieder auf den Erdboden und sagte darauf noch zu ihm: ”Hat denn dieser reinste und allmächtige Gottmensch bei euch hier noch keine Zeichen gewirkt, auf daß ihr hättet glauben können, daß Er ganz derselbe Messias ist, den alle eure Propheten vorausgesagt haben, daß Er genau um diese Zeit und in diesem Lande in die Welt kommen und die Menschen vom ewigen Tode erlösen werde? Rede, Elender!“

14] Sagte der Oberste: ”Freilich wohl hat er nur schon zu viele Zeichen gewirkt, darum ihm alles Volk nachrennt und uns, den alten Priestern, die wir auch von Gott eingesetzt sind, den Rücken kehrt, und darin liegt eben der Grund, warum ihm die Hohenpriester zu Jerusalem gar so aufsässig sind! Wir aber hängen von Jerusalem ab und müssen tun, was uns Jerusalem vorschreibt.“

15] Sagte der Riese: ”Wie ist es denn aber, daß alle Heiden in den Städten am Euphrat Ihm beinahe bloß Seiner erhabenen Lehre wegen zugefallen sind, und daß die, die Ihm zufielen, auch alsbald mit irgendeiner rein göttlichen Kraft ausgerüstet wurden?! Ein Arzt in der Stadt Serrhe bekam die Wundergabe, alle seine vielen Kranken bloß durch den Glauben an den allmächtigen Namen dieses Gottmenschen also zu heilen - und das in einem Augenblick -, daß darauf der Kranke also gesund dasteht, als hätte ihm nie etwas gefehlt. Ja sogar schon tote Menschen bekommen wieder ein neues Leben und sind darauf so wohl und gesund wie eine muntere Gazelle im Hochgebirge! Wenn das aber die Heiden tun und einsehen können, warum denn ihr Juden nicht, von denen es doch geschrieben steht, daß sie ein auserwähltes Volk Gottes seien? Ich aber sage es dir im Namen des allererhabensten Gottmenschen: Ihr könnt es darum nicht, weil ihr schon von Geburt an Wechselbälge des Beelzebub seid und darum die abgefeimtesten Feinde Gottes. So ihr aber das leugnet, so verdienet ihr nicht mehr, als von diesem Erdboden gänzlich vertilgt zu werden.“

16] Als der Oberste solches von dem Riesen vernahm, da fing er an, zu bitten und alles Gute zu versprechen. Darauf ließ ihn der Riese unter allerlei Drohungen gehen und kam dann wieder zurück ins Haus.

17] Der Wirt aber war ganz ängstlich darob, weil er die große Rachgier des Obersten kannte.

18] Aber der Riese sagte zu ihm: ”Sei du ganz ohne Sorge und vertraue auf die Macht Dessen, der Tote erweckt, Berge versetzt und eherne Götzenbilder durch Seinen Willen vernichtet! Ich sage es dir: hundert Legionen solcher Lumpen fürchte ich allein nicht, geschweige diesen einen!“

19] Sagte der Wirt, etwas beruhigter: ”Ja, ja, du hast ganz recht! Ich für meine Person fürchte sie auch nicht, und ich selbst habe wohl das größte Vertrauen auf den Herrn, den ich schon von Seiner ersten Jugend an kenne, sowie Seine irdischen Eltern, da Er als ein zarter Knabe schon Dinge geleistet hat, die nur Gott allein möglich sind; aber mir ist nur so ein wenig bange um euch, meine allerliebwertesten Gäste, daß ihr darum hier zu Kapernaum von diesen Wichten sollt Unannehmlichkeiten zu bestehen bekommen! Denn ich kenne diese Schurken nur zu gut!“

20] Sagte der Riese: ”Laß sie nur ankommen, und ich allein werde mit ihnen fertig werden! Denn diese Elenden sind es ja doch ewig nicht wert, daß der Herr, der Heiligste von Ewigkeit, sie mit Seinem allmächtigsten Willen hintanhalten und züchtigen solle!“

21] Darauf kam der Riese wieder zu uns, setzte sich zum Tische und erzählte, wie er gerechten Zornes mit der Heuschrecke Babels verfahren sei.

22] Sagte Ich: ”Das war zwar ganz gut, und Ich ließ es zu, daß du mit dem Herrschsüchtigen Pharisäer also verfahren mochtest, - aber es hat auch der Wirt recht: Wir werden nun nicht gar zu lange zu warten brauchen, und er wird mit einer Menge bewaffneter Schergen dasein und wird uns alle binden und in ein Gefängnis legen wollen. Was wirst du da tun?“

23] Sagte der Riese und mit ihm auch seine nicht minder kräftigen neun Brüder: ”Herr, da verleihe uns nur ein wenig von Deiner allmächtigen Gnade, und wir werden ihnen ihr arges Handwerk für immer legen!“

24] Sagte Ich: ”Nun gut, versuchet es; aber nehmt niemandem das Leben!“

25] Hierauf leerte ein jeder seinen Becher, und sie gingen hinaus und stellten sich am Wege auf, ein jeder bewaffnet mit einer wahren Herkuleskeule. Es währte gar nicht lange, da zog schon eine starke Schar von vierzig Lanzenknechten und Schergen heraus, hinter ihnen der Kommandant und der Oberste mit seinen Helfershelfern.

26] Hier glühte der Riese und sagte zu seinen Brüdern: ”Lassen wir sie auf zehn Schritte nahe an uns kommen, dann werde ich sie anschreien, daß sie stehenbleiben! Folgen sie, so werden wir reden, - folgen sie nicht, da werden die Keulen geschwungen!“

27] Nun kamen sie auf die zehn Schritte nahe, und der Riese herrschte sie mit einer eigens furchterregenden Stimme an: ”Haltet, oder ihr seid alle des Todes!“

28] Hier stutzten die römischen Soldaten und blieben stehen.

29] Hierauf fragte sie der Riese: ”Was wollt ihr, und wer führte euch hierher?“

30] Da sagten die Soldaten zu den zehn, die sie als vermeintlich hohe Römer vor sich stehen sahen: ”Herr, der Oberste der Synagoge zeigte dem Kommandanten an, daß sich hier böse Volksaufwiegler aufhalten, und diese müssen wir gefangennehmen und ganz unschädlich machen!“

31] Hierauf donnerte der Riese: ”O des elendesten Schurken von einem Obersten! Warte, du sollst den Königssohn vom Kaukasus kennenlernen, der nun ein Römer ist! Weichet, ihr Soldaten, augenblicklich zurück, und strecket eure Lanzen, sonst ergeht es euch übel!“

32] Diese aber sagten (die Soldaten): ”Das können wir nicht; denn hinter uns steht der Hauptmann, der uns befehligt.“

33] Hier befahl der Riese fünfen seiner Brüder, sich schnell des Obersten, seiner Helfer und des Kommandanten zu bemächtigen, er aber werde die Soldaten auf sich nehmen.

34] Das geschah alles mit Blitzesschnelle. Die Soldaten wurden wie von einem Sturme ins Meer hineingeweht und hatten zu tun, sich durch Schwimmen vor dem Ertrinken zu retten.

35] Währenddem aber nahm der Riese den Obersten vor, packte ihn, hob ihn in die Höhe und sagte: ”Elendester Wicht, so hältst du dein gegebenes Wort?! Diesmal kommst du, infamster Lügner, mir nicht mehr so leichten Kaufes aus meiner Hand! Wo sind hier die Volksaufwiegler und Landesverräter? Wir sind so ruhig bei

dem Wirte und ruhen hier einige Tage aus, da wir von den weiten Reisen etwas müde geworden sind, und diese schwarze Bestie denunziert uns als Volksaufwiegler und Landesverräter! - Hauptmann, wo ist das Meer am tiefsten, daß ich diesen Elenden hineinschleudere und er dort sicher sein Ende finde?“

36] Sagte der Hauptmann: ”Freund, laß ihn; denn nun weiß ich es schon, um was es sich so ganz eigentlich handelt! Nur den mir über alles teuren Heiland aus Nazareth wollte dieser Hand durch mich fangen lassen! Oh, hätte ich das nur ahnen können, so hätte er von mir ganz andere Dinge erfahren! Nun laß ihn aber nur gehen; das Weitere werde schon ich mit ihm abmachen und werde ihm zeigen, was das heißt, durch falsche und erdichtete Anzeigen einen Römer zu einer elenden Amtshandlung zu vermögen! Dann aber führe mich zum Herrn meines Lebens!“

37] Hierauf riß der Riese den Obersten noch einmal in die Luft, daß ihm ordentlich das Hören und Sehen verging, und stellte ihn dann ziemlich unsanft auf die Erde. Da eilte dieser mit seinen Helfern davon und schwor bei sich, in seinem ganzen Leben nie mehr eine Bewegung gegen Mich zu unternehmen. Darauf kehrten die zehn mit dem Hauptmann wieder zu Mir ins Haus zurück, nachdem zuvor der Hauptmann den aus dem Wasser gestiegenen Soldaten befohlen hatte, nach Hause zu ziehen.



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