Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 24


Die Heilungen Jesu in einem Orte bei Bethlehem.

01] Der Hauswirt, ein biederer Römer, der auch recht gut hebräisch sprach, sagte: ”Ja, meine lieben Gäste, euer zahlreicher Besuch freut mich gewiß sehr, aber es ist in dieser, meiner großen und mit allem reichlichst versehenen Herberge ein wahres malum omen (schlechtes Zeichen, im Sinne von Mißgeschick) eingetreten. Es liegen nämlich mein braves und in der Küchenwirtschaft sehr bewandertes Weib und auch meine zwei ältesten ebenso brauchbaren Töchter schon acht Tage hindurch an einem bösen Fieber danieder. Weder griechische noch jüdische Ärzte können ihnen helfen, und so sieht es nun in meiner Küche sehr schlimm aus. Brot und Wein habe ich wohl, aber mit anderen Speisen sieht es nun sogar für mich selbst sehr mager aus!“

02] Sagte Lazarus, der den Wirt seit langem kannte: ”Mache dir aus diesem deinem Hausübel nichts daraus; deinem Hause ist nun ein Großheil widerfahren! Siehe, der große Wunderheiland ist hier unter uns, von dem du aus Galiläa durch Reisende vieles wirst erfahren haben! Den bitte, und mit deinen Kranken wird's auf der Stelle besser sein!“

03] Fragte der Wirt: ”Welcher ist es? Ich habe Unaussprechliches von ihm schon mehrere Male vernommen!“

04] Lazarus sagte: ”Dieser da fest an meiner Seite ist es!“

05] Als der Wirt solches von Lazarus vernahm, da fiel er förmlich vor Mir nieder und bat Mich, seinen drei Kranken zu helfen; denn er glaubte fest, was ihm Lazarus anzeigte.

06] Ich aber sagte zu ihm: ”Stehe auf und gehe hin; denn mit deinen Kranken geht es schon völlig besser, und sie mögen uns nur ein gutes Mahl bereiten!“

07] Da erhob sich der Wirt eilig und eilte zu den Kranken, und diese sagten zu ihm ganz heiter: ”Siehe, wir sind plötzlich so gesund geworden, daß wir eigentlich noch nie gesünder waren! So du willst, so stehen wir auf und besorgen die Küche!“

08] Sagte der Wirt: ”Tut das; denn ich weiß es, daß ihr völlig gesund seid! Das Weitere werdet ihr erfahren!“

09] Die Weiber aber fragten dennoch den Wirt, daß er ihnen nur kurz sage, wer der große Wohltäter wäre, daß sie zu ihm gingen und ihm zum voraus den schuldigsten Dank abstatteten.

10] Der Wirt aber sagte, er sei mit etlichen fünfzig Gästen angekommen, und sie alle möchten vor allem ein gutes Mittagsmahl. Es sei nahezu die fünfte Stunde nach dem Mittage, und er könne ihnen nichts geben denn Brot, Wein und Salz. Daher sollten sie ihre Dankbarkeit an den großen Wohltäter vor allem in der Küche ausrichten, für das andere wäre auch nach dem Mahle noch Zeit zur Genüge.

11] Diese Rede wirkte, und die Köchinnen waren in Windesschnelle in der Küche, und die vielen Dienstleute mußten sich gleich nach allen Ecken hin tummeln und den dreien beim Abkochen nach allen Kräften behilflich sein. Darauf kam der Wort ganz frohen Mutes in das große Gastzimmer und dankte Mir mit Tränen in den Augen für diese ihm erwiesene große Gnade, wie er sich ausdrückte.

12] Ich aber sagte zu ihm: ”Mache kein Aufhebens davon; dir ist geholfen, und eines Weiteren bedarf es nicht!“

13] Sagte der Wirt: ”O Meister und Freund, da bedarf es noch sehr eines Weiteren! Erstens hin ich dein offenbarster großer Schuldner, und zweitens muß ich nun offen bekennen, daß ich dich für mehr halte denn für einen puren Menschen! Und da wäre es wohl sehr in der guten Ordnung, solch einem wahrsten Gottmenschen ein Opfer zu bringen!“

14] Sagte Ich: ”Lasse das alles gut sein! Ich bin jetzt nur ein Mensch wie ein anderer mit Fleisch und Blut; ein Weiteres wirst du schon noch früh genug erfahren! Jetzt aber sei heiter und fröhlich, so wie wir alle es sind!“

15] Das freute den Wirt sehr, und er nahm Krüge und brachte uns gleich den allerbesten Wein aus seinem Keller, den er sonst nur den höchsten Römern, wenn sie diese Gegend bereisten - was eben an dieser Hauptheeresstraße nichts Seltenes war -, vorzusetzen pflegte.

16] Unser Judas griff gleich nach einem Kruge und leerte ihn mit starken Zügen nahe bis auf den Boden. Das bemerkten die andern Jünger und fragten ihn, wem denn unter ihnen der Vorrang gebühre, den ersten Trunk von dem besten Weine des Wirtes zu machen.

17] Da erwiderte er (Judas Ischariot): ”Es hat mich sehr gedürstet, und der Vorwein war mir zu gering; so es aber nicht recht ist, so wird es mir schon Der verweisen, und ihr habt mir nichts darum vorzuwerfen!“

18] Ich aber sah Mich um und sagte zu den Jüngern: ”Lasst ihn; denn den zu bessern, hieße mit aller Gewalt einen Mohren weiß waschen!“

19] Als Judas solches vernahm, da schämte er sich, ging hinaus und verlief sich irgendwohin, so daß wir ihn dann drei Tage lang nicht zu Gesichte bekamen. Er suchte sich aber eine andere Herberge aus, in der er um sein Geld zehrte; denn er wußte sich auf den Reisen heimlich immer irgend ein Geld zu verdienen.

20] Es waren aber alle froh, daß er sich entfernt hatte, und wir brachten bei dem Wirte unter guter Bewirtung noch volle acht Tage zu, und Ich heilte in diesem Orte noch mehrere Kranke.

21] Als aber bald nachher der Zudrang von Menschen zu stark wurde, da machten wir uns frühmorgens auf den Weg und zogen in eine andere Gegend, wo wir desgleichen wieder gut aufgenommen wurden und die Kranken heilten. Da mußten auch, mit Ausnahme des Judas, die Jünger den Kranken die Hände auflegen, und es ward besser mit allen, denen die Jünger die Hände auflegten. Ich Selbst aber tat da wenig Zeichen, sondern unterhielt Mich mit dem noch immer mit uns ziehenden Lazarus und mit dem andern Wirte.

22] Mittlerweile kamen wir wieder nach Bethanien zu Lazarus und zu unserem Wirte. Und beide, obwohl sie bei vier Wochen lang mit Mir umhergezogen, fanden zu Hause alles in der schönsten Ordnung. Bei dem Wirte brachten wir wieder bei acht Tage zu, und darauf wieder beim Lazarus, der eine große Freude hatte an seinen zu Bethlehem aufgenommenen Arbeitern, denen in seinem Dienste nichts abging.

23] Als Mich die Geheilten ersahen, fielen sie vor Dank förmlich vor Mir auf die Knie nieder und wollten Mich ordentlich anbeten; denn sie hätten es schon durch Martha und Maria erfahren, wer Ich so ganz eigentlich wäre.

24] Ich aber sagte zu ihnen: ”Schweiget vorderhand! Es wird jüngst schon noch eine Zeit kommen, wo auch ihr werdet reden können!“

25] Da erhoben sie sich bald, versprachen zu schweigen und gingen sofort an ihre ihnen zugewiesenen Arbeiten.



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