Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 254


Jesus und die Seinen im Hause des griechischen Herbergswirtes. Wahrheit macht frei.

01] Da der Wirt aber ein Grieche und auch noch ein Heide war, aber doch recht wohl wußte, wie die Juden nicht alles essen dürfen, was die Griechen als hiernoch Heiden aßen, so fragte er Mich, sagend: ”O du großer Herr und Meister, was pflegst du und was pflegen sicher diese deine Jünger am Abende zu essen? Ob ich auch ein Heide bin, so weiß ich dennoch aus meinen gemachten Erfahrungen, daß die Juden gar manches nicht essen, was wir zu essen pflegen, und so frage ich dich denn, womit ich euch, ihr lieben Männer, dienen könnte. Denn nun seid ihr ganz Herren in diesem Hause und ich nur euer gehorsamster Knecht, und sonach wollt mir nur gnädigst befehlen, und ich werde jeden eurer Wünsche auf das möglichste zu befriedigen eifrigst beflissen sein!“

02] Sagte Ich: ”Gib uns etwas Brot und Wein und darauf ein gutes Nachtlager! Mehr bedürfen wir nicht.“

03] Da wurde der Wirt beinahe traurig, dieweil Ich nicht etwas Mehreres und Besseres verlangt hatte. Aber er ging dennoch hinaus in seine Speisekammer und brachte uns selbst Brot und Wein, und das in gerechter Menge. Wir nahmen Platz an einem großen Tische, und der Wirt nahm mit seinen Kindern auch am selben Tische Platz, aß und trank mit uns, und als ihm der Wein ein wenig die Zunge löste, da fing er an, uns so manches aus seinen Erlebnissen zu erzählen, und es kamen darum auch die Wunderwerke der Essäer und die der Pharisäer zur Sprache, sowie auch die zehn Hauptgesetze Mosis.

04] Da meinte der Wirt, daß diese Gesetze wohl recht gut wären, - aber sie würden nicht gehalten, und am allerwenigsten von den jüdischen Priestern, die doch ihren Glaubensgenossen aber mit einem guten Beispiel vorangehen sollten. Da Ich ein so großer und sicher höchstweiser Heiland sei, da dürfte Ich ihm auch da einen rechten Aufschluß zu geben imstande sein. Hauptsächlich aber möchte Ich ihm darin einen rechten Rat geben, ob er nach schon mehrmals erfolgten Aufforderungen von seiten der Pharisäer zum Judentum übertreten oder beim Griechentum verbleiben solle. Es gefiele ihm der Juden Lehre im Grunde besser denn die seine, die eigentlich nur ein poetisches Phantasiegebilde sei, dahinter nur sehr wenig Wahres sich berge.

05] Darauf antwortete Ich ihm, sagend: ”Bleibe du dem Äußeren nach, was du bist, innerlich aber sei ein wahrer Jude, was du um so leichter sein kannst, weil du dabei keinem Priester als irgend verpflichtet dastehst! Daß die Pharisäer dich deiner großen Reichtümer wegen lieber zu den Ihrigen hätten, als daß du für sie ein Fremder bist, das wirst du wohl einsehen! Daher bleibe du, was du bist, und suche die Wahrheit und den Grund des Lebens und Seins! Denn nur die Wahrheit wird dich frei machen, und mit ihr wirst du hoch über allem Priestertume stehen und über allem, was die Welt Weisheit nennt. - Hast du Mich nun wohl verstanden?“

06] Sagte der Wirt: ”Ich habe dich verstanden; nur ist da noch eine besondere Frage zu stellen, nämlich: Was ist die Wahrheit? Ja, die reine Wahrheit machte den Menschen schon allersicherst frei, - aber wo ist sie, wer kann sie mir zeigen, wer geben?“

07] Sagte Ich: ”Das kann Ich und jeder dieser Meiner Jünger, - aber Ich Selbst am sichersten; denn Ich Selbst bin die Wahrheit und das Leben, dieweil Der, welcher in Mir wohnt, von Ewigkeit her eben das ist!“

08] Sagte der Wirt: ”Herr und Meister, das verstehe ich nicht! Wie soll ich das nehmen?“

09] Sagte Ich: ”Dahier um Mich herum sitzen Meine Jünger, diese frage darum, sie werden dir das schon erklären; denn es ist besser, von sich reden zu lassen, denn selbst zu reden! Ich Selbst aber werde unterdessen hinausgehen und Mich erquicken an der kühlen Abendluft.“

10] Hier erhob Ich Mich und ging ganz allein ins Freie. Die Jünger aber unterrichteten den Wirt nun von dem Wichtigsten, was Mich anbelangt. Und als der Wirt darauf ins klare kam, wer und was Ich bin, da kam er auch bald hinaus ins Freie zu Mir und dankte Mir samt seinen Kindern inbrünstigst für die ihm erwiesene große Gnade. Die Kinder taten desgleichen. Ich segnete sie alle, und wir begaben uns darauf zur Ruhe; denn es war schon so ziemlich spät in der Nacht geworden.



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