Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 11


Ansichten der Nubier über das Wunderwirken.

01] Als auch dieses in der Ordnung war, trat wieder der Oubratouvishar zu Mir und sagte: ”Du allein bist allmächtig über allmächtig! Siehe, ich und meine Brüder und Schwestern haben nun das Heil aller Menschen gesehen, die redlichen Herzens und eines guten Willens sind, die da sehen auf die Bildung des Herzens und des Gemütes und nicht vor der Zeit auf die des Verstandes, der eigentlich nur ein rechter Arm des Herzens sein soll. Dies ist und bleibt der allein richtige Weg des wahren Lebens und dessen Heiles, was wir Schwarzen alle wie ein geweckter Mann wohl einsehen und begreifen.

02] Aber bei aller unserer Lebensreife und Einsicht plagt uns nun dieses Wunder gar sehr, und es ist darum unter uns ein Hin- und Herraten darin entstanden, daß einige von uns meinen, solch ein Wunder könnte auch ein durch Deinen Geist ganz vollendeter Mensch zustande bringen. Andere wieder meinen: Solche Dinge hervorzubringen, sei für ewig nur Gott allein möglich; denn dazu gehöre ein allmächtiger Gotteswille, den nie ein geschaffener Geist für sich haben könne, weil er kein unendlicher, sondern nur ein höchst beschränkter Geist ist.

03] Sie sagen weiter und meinen, man merke das schon an den Kreaturen dieser Erde. Je größer sie würden, mit desto mehr Kraft und Macht träten sie auf, und je kleiner sie seien, desto geringer sei auch ihre Kraft. Man erzählt sich bei uns von einstigen Riesenelefanten, gegen welche die auf Erden nun vorkommenden nur kleine Affen wären. Diese Tiere sollen eine solche Kraft innegehabt haben, daß sie mit ihrem Rüssel die stärksten Bäume zu entwurzeln gar leicht imstande waren. Wenn denn aber schon auf dieser Erde eine Kreatur, je größer sie ist, in einer desto größeren Kraft auftrete, um wieviel mehr des Unterschiedes müßte man dann erst bei den Geistern, als der Grundbedingung der Kraft in den mannigfachen Kreaturen, merken! Was demnach Dir als dem urewigsten Geiste möglich sei, weil Du allein von der allerunendlichsten Größe seist, das sei keinem endlich geschaffenen Geiste möglich, und daher also auch nicht möglich, solch ein Haus, solch einen Garten und solche herrlichen Schiffe hierherzuschaffen aus nichts!

04] Meine Meinung ist da selbst ein wenig gespalten; denn ich sagte zu ihnen, mich an die Meinung der ersteren haltend: In einem Momente ein Werk hervorzurufen, das aber auch Menschen - wenn auch mit vieler Mühe und Zeit - zustande brächten, dürfte Gott denn doch leichter möglich sein als ein anderes, das den Menschen für immer unmöglich bleiben wird und bleiben muß.

05] So können Menschen gar wunderbar herrliche und überaus große Gebäude mit der Zeit zustande bringen; aber alle Menschen der Erde können nicht einmal auch nur ein Moospflänzchen erschaffen, daß es wüchse, blühete und Samen trüge ganz tauglich zur Fortpflanzung, geschweige irgendeinen Fruchtbaum oder gar ein Tier, das sich frei bewegen, seine Nahrung suchen und seinesgleichen zeugen kann.

06] Solche Dinge aus nichts allein durch den allmächtigen Willen hervorzubringen, wird durch einen noch so vollendetsten Menschen wohl schwerlich je hervorzubringen möglich sein; denn dazu gehört mehr als die endliche Kraft eines sowohl der Zeit als dem Raume nach endlichen Menschengeistes. Aber Dinge, die er schon einmal als endliche, wenn auch mühsam, geschaffen hat, dürften dem ganz vollendeten Geiste eines Menschen wohl ganz füglich möglich sein, sie in einem Momente ins Dasein zu rufen. Es bliebe nur noch die Frage übrig, ob für bleibend oder ob nur auf wenige Augenblicke allein für die Erscheinlichkeit bei einer Gelegenheit, bei der man ohne alle Selbstliebe bloß zur Verherrlichung Deines Namens den Blinden ein rechtes Licht zu geben bemüht wäre!

07] Wolltest Du, o Herr, mir darüber nicht einen ganz richtigen Bescheid geben? Habe ich recht oder die andern? Ich würde dich mit dieser Frage sicher nicht belästigt haben, wenn ich nicht gemerkt hätte, daß Dir nun eine kleine Muße - natürlich ganz durch Deinen höchst eigenen Willen - gegönnt ist. So Dein heiliger Wille es demnach Dir gestattete, mir auf meine Frage einen für ewig gültigen Bescheid zu erstatten, so wäre uns allen auch das eine übergroße Gnade, für die wir Dir nie zur Genüge danken könnten.“



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