Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 17


Von der Willensmacht Jesu und der Freiheit der Menschenseele.

01] (Der Herr:) ”Siehe, du bist der Träger alles Gesetzes, aller Macht und aller Gewalt Roms für ganz Asia und einen Teil Afrikas, und dennoch kommt es hier auf Meinen Willen an, die Verbrecher zu richten oder freizulassen, und du kannst nichts gegen Meinen Willen unternehmen.

02] Also könnte Ich auch alle Menschen der Welt mit Meinem Willen zu guten Handlungen nötigen; aber das würde auch ein Gericht sein, das den freien Menschen zu einer Maschine machen würde.

03] Aber du bist dennoch keine Maschine, weil du das, was du auf Mein Wort tust, einsiehst, dass es also allein vollkommen der Ordnung Gottes gemäß recht ist; und verstehst du irgend etwas noch nicht, so fragst du und handelst dann aus deiner Erkenntnis, und solches ist dann keine Nötigung von außen herein, sondern von innen heraus, was da vollkommen in der Ordnung des freien Lebens steht.

04] Denn wenn dich Mein Wille nötigt, so bist du ein geknebelter Sklave, nötigt dich aber dein eigener Wille, so bist du ein Freier; denn dein Wille will nunmehr das, was dein Verstand, als das Augenlicht deiner Seele, als allein wahr und gut erkennt! Aber mit der Welt wäre es anders, so sie genötigt wäre, zu handeln nach Meinem Willen; sie würde nicht erkennen zuvor, was da allein gut und wahr ist, und ihr Handeln wäre dann gleich dem der Tiere, und eigentlich schlechter noch. Denn das Tier steht auf solcher Stufe, dass eine Nötigung, die seiner Natur eingepflanzt ist, seiner Seele keinen weiteren moralischen Schaden zufügen kann, weil eine Tierseele noch lange nicht mit einem freien Moralgesetz etwas zu tun haben kann; aber die Seele des freien Menschen würde durch einen inneren mechanischen Zwang den größten Schaden an ihrem Wesen erleiden, weil das gerichtete Tierische ganz wider ihre freie moralische Natur liefe.

05] Aus dem aber kannst du, Mein lieber Cyrenius, nun wohl hoffentlich mehr denn klar ersehen, warum Ich Mich vor denen, die Mich verfolgen, stets wie flüchtig halte, und ihnen wo und wie nur immer möglich aus dem Wege gehe, nicht um Mich etwa vor ihrer ohnmächtigen Wut zu schützen, sondern um sie als ebenfalls Meine blinden und törichten Kinder vor dem ewigen Verderben zu bewahren.

06] Sehe Ich aber, dass irgend Menschen, die Mich verfolgen, aber in sich dennoch besserer Natur sind und bei einem rechten Geisteslicht die Wahrheit und das rein Gute erkennen können, so fliehe Ich nicht vor ihnen, sondern lasse sie zu Mir kommen, wo sie dann belehrt werden, ihre Nacht und ihr Gericht erkennen und endlich zu Menschen nach der Ordnung Gottes werden. Ein lebendiges Beispiel davon hast du soeben an den dreißig jungen, aber leiblich kräftigen Verfolgern Meiner gefürchteten Person. Sicher hätte Ich sie nicht hierherbringen lassen, so Ich nicht ihre Herzen für Mich tauglich gefunden hätte, als sie noch weit von hier entfernt waren.

07] Die Kräfte der Natur wohl wurden von Meinem Willen dahin genötigt, sie hierherzubringen; aber dadurch ist ihrer Seele kein Zwang angetan worden. Nun sie aber hier sind, werden sie belehrt, ihr Verstand wird lichtreicher, und sie werden dann sicher frei das erwählen, was da frommt ihrer Seele.

08] Sieh, es ist nun schon der Zeit nach nahe daran, dass die Sonne bald ihre Strahlen über den Horizont hereinzusenden beginnen wird, und noch ist keinem von euch eingefallen, irgendein Bedürfnis zur Nachtruhe des Leibes laut werden zu lassen! Warum denn das nicht? Siehe, weil Ich es heute also haben will! Aber es ist das abermals keine Seelennötigung, sondern nur eine der Materie, die sich nun länger als gewöhnlich der Seele dienlich erweisen muß. Solchen Zwang aber habe Ich eben auch hauptsächlich dieser dreißig willen euch und Mir Selbst angetan, und es wird niemand aus euch von sich sagen können, dass er schläfrig und müde sei. Für unser Wachen aber haben wir dreißig Brüder gerettet, doppelt: leiblich und geistig. Es ist darum unsere Mühe und unser Wachen vielfach belohnt und wird in der Folge noch mehr belohnt werden; da ist demnach ein äußerer Zwang sicher von keinem Schaden für irgendeine Seele. Würde Ich aber gewaltsam die Seelen in das rechte Licht gedrängt haben, so stünden sie nun als pure Maschinen da, und es hätte keine ihrer Handlungen für sie irgend mehr Wert, als da ist der innere, eigendienliche Wert einer Maschine oder eines Werkzeuges.

09] Was nützt zum Beispiel einer Hacke, dass sie gut schneidet, und einer Säge, dass sie gut trennt? Alles das nützt nur dem Menschen, der ein freies und kenntnisreiches Bewußtsein hat und zu unterscheiden weiß, was da dienlich, gut und nützlich ist. - Oder was nützt einem Blinden das Licht, und was einem Lahmen eine Rennbahn? Nur dem nützt irgend etwas, der im rechten Bewußtsein einmal seiner selbst, dann des Bedarfs, Gebrauchs, der Anwendung und der daraus hervorgenden Nutzung sich befindet.

10] So ist es denn auch mit dem geistigen Licht. Es kann und darf ob der heiligen Freiheit des Willens der Menschen niemand irgend geheim gewaltsam eingegossen werden, sondern man stellt das Licht frei auf einen Platz hin, da es von jedermann bemerkt werden kann. Wer es benutzen will, der kann es ohne Hindernisse benutzen; wer es aber nicht benutzen will, der kann es ganz unbeirrt in seinem freien Willen auch stehenlassen, gleichwie solches auch schon mit dem Licht der Sonne, das den Tag zeihet, der Fall ist. Wir es benutzen will, der benutzt es zu irgendeiner Arbeit; wer aber bei all dem hellen Tageslicht der Sonne müßig sein will, der sei es, und es tut solches nichts der Welt zum besonderen Schaden. Denn das Licht nötigt keine mit freiem Willen begabte Seele zu irgendeiner Tat.

11] Ich habe Macht genug, eure Erkenntnisse umzustimmen und aus eurem freien Willen ein nach allen Seiten hin gefesseltes Lasttier zu machen, und das Lasttier wird ganz demütig herumgehen nach der Lenkung Meines Allmachtsleitseiles; aber in sich selbst wird es tot sein. Wenn Ich aber euch unterrichte und zeige und gebe euch das rechte Licht, so seid ihr dabei frei und könnt das Licht annehmen oder bleibenlassen. - Verstehst du das, Mein lieber Cyrenius?“

12] Sagt dieser (Cyrenius): ”Ja, nun verstehe ich auch das und glaube nun den Grund ganz einzusehen, aus dem Du, o Herr, den Stand der Niedrigkeit erwählt hast, um zu belehren alle Menschen von ihrer allein wahren Bestimmung, und wie sie diese erreichen können. Damit man aber daneben und eigentlich für diese Sachen einen desto intensiveren Glauben und eine hellere Einsicht und Überzeugung überkommt, verrichtest Du dazu noch Dir allein mögliche Taten, die Deinen Worten noch mehr Gewicht und ein intensiveres Licht verschaffen. Und so geschieht von Dir aus zur wahren Lebensheiligung der Menschen alles in der größten Ordnung, und es kommt mir Dein Benehmen und Verhalten gerade also vor, als wäre es von Dir schon von Ewigkeit also vorgesehen gewesen. Ich kann mich in dieser Hinsicht vielleicht auch irren, was ich aber schwer glauben könnte.“

13] Sage Ich: ”Nein, nein, da irrst du dich nicht im geringsten; denn eine Gottesordnung muß ewig sein! Wäre sie nicht ewig, so wäre sie auch keine Ordnung und keine Wahrheit; denn eine Wahrheit muß ewig Wahrheit sein und bleiben und muß daher auch von Ewigkeit her vorgesehen sein. - Aber nun von etwas ganz anderem!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers